Colonel Decker schrieb:
Dir wird aber doch bewusst sein, dass es verschiedene Strömungen des Feminismus gibt, richtig?
Und solange du nicht mitteilst, welche Strömungen du hier kritisierst, kann deine Kritik auf restlich JEDE Strömung des Feminismus bezogen werden ... sogar auf die paar wenigen selbsternannten "Feministinnen", die sich die Zustände der 1950er Jahre zurückwünschen.
Grade weil es so viele Strömungen gibt, kann man eine allgemeine Kritik nicht ernst nehmen, denn die verschiedenen Strömungen sind sich in ihrer Kritik und in ihren Forderungen alles andere als einig.
Oder meinst du einfach, dass es Zeit ist, nichts mehr zu fordern, weil deiner Meinung nach mehr als alles nötige erreicht wurde?
Ich fühle mich persönlich beleidigt, wenn du mich mit "Schwanz ab"-Emanzen in einen Topf werfen willst. Denn die "Wir drehen den Spieß mal um"-Fraktion ist einfach nicht meins.
Zwar glaube ich, mir vorstellen zu können, welche Strömungen du da meinst (einfach auf Basis dessen, was du anprangerst) ... allerdings bin ich mir da nicht so sicher, ob das nicht vielleicht nur der (salonfähige) Anfang ist.
Zumindest ist "westlich" ja ein Ansatzpunkt, also geht es dir schonmal nicht um das Recht des Mannes auf ein häusliches Gewaltmonopol (sogenanntes Züchtigungsrecht ggü Kindern und Ehefrau, dessen Ende erst statistisch gezeigt hat, wie viel häusliche Gewalt es tatsächlich gibt).
Auch die Tatsache, dass Frauen arbeiten, und dabei allerdings etwas weniger zum BSP beitragen, scheint nicht das Problem zu sein.
Am Zusatz "des 21 Jahrhunderts" kann ich auch erkennen, dass es dir nicht um die Abschaffung des Frauenwahlrechts geht, denn das ist ein Thema des Feminismus des beginnenden 20. Jahrhunderts (ausser in einzelnen Kantonen der Schweiz).
Das für Männer "fehlende" Mitspracherecht bei Abtreibungen scheint ein Problem zu sein ... ebenso wie die etwas einseitige Praxis der Gerichte in Sorgerechts- und Unterhaltsentscheidungen. Zumindest in diesem 2. Punkt bin ich bei dir, denn nach meiner Meinung ist das ein Relikt aus der Zeit, als das Alleinernährermodell noch funktionierte und das Gender-Pay-Gap tatsächlich noch nachweisbar größer war, weil es eben größtenteils die Männer waren, die ein nennenswertes Einkommen hatten.
Diese Sachlage hat sich in den letzten Jahrzehnten geändert, und der Gesetzgeber hat hier eben noch nicht nachgebessert. Ob das nun an "mächtigen Feministinnen" liegt, oder einfach an einer unlaublichen Trägheit der Legislative, oder an einer Kombination - das ändert am Sachverhalt herzlich wenig.
Auch die angebliche Ausrichtung des bildungssystems auf die Bedürfnisse von Mädchen hast du kritisiert, allerdings machst du diese Kritik lediglich am besseren Notendurchschnitt fest, ohne wirklich zu hinterfragen, wie dieser Zustande kommt. Lass mich dir ein paar Tipps geben. Wenn der Unterricht gestört wird, welches Geschlecht ist da dann öfter der Urheber? Wenn es um die Hausaufgaben geht, mit welchem Geschlecht haben Eltern da oft größere Probleme?
Allgemeiner: Welches Geschlecht hat (stereotypen Rollenmustern folgend) eher eine Sozialisation, die nahe legt, den eigenen Willen auch gegen große Widrstände durchzusetzen?
Ich finde es nicht besonders verwunderlich, das Jungen von einem System voll struktureller Gewalt und institutioneller Zwänge schlechtere Noten bekommen. Die leisten halt mehr oder aggressiver Widerstand.
In der Schulentwicklung ist seit mindestens zwei Jahrzehnten bekannt, dass die Jungs die Verlierer der großen Bildungsexpansion sind ... und man versucht dem entgegenzuwirken - leider werden die existierenden Angebote nur wenig bis garnicht genutzt ... weil Sohnemann seine Freizeit eben schöner findet, als die Förderstunde oder aber weil Papa meint, dass Sohnemann dass nicht nötig zu haben hat.
Es steht dir frei, für diesbezügliche Veränderungen oder Gesetzesnouvellen auf die Strasse zu gehen ... statt einfach die Meinungsfreiheit in diesen Dingen in Frage zu stellen. Allerdings musst du dann auch damit leben können, dass nicht wenige (und nicht nur Frauen) deine Forderungen als Frechheit und Übergriff betrachten ... das ging den "Mein Bauch gehört mir"-Demonstranten in den 80ern auch nicht anders - auch deren Forderung wurde von einem Teil der Gesellschaft als Frechheit abgetan. Mich hat man z.B. noch in den 90ern als "Nestbeschnutzer" beschimpft, nur weil ich als Mann versucht habe, diese Forderungen zu verteidigen.
Sich gegen gesellschaftliche Normalität zu stellen ist nicht leicht, aber es ist wichtig ... und letztlich auch Bürgerpflicht - nur so kann es funktionieren. Die Anfeindungen gehören leider dazu ... zumindest in der Masse ist Mensch halt doch nicht so vernunftbegabt. Genau deshalb sollte man von Gesetzesänderungen auch nicht gleich eine Änderung des Alltags erwarten.