Hui, ihr habt da aber ein ganz schön großes Fass aufgemacht ...
Ich werde etwas weiter ausholen müssen, um zu dieser Diskussion sinnnvoll beitragen zu können.
Zunächst mal möchte ich ein Missverständnis aufklären.
Menschen "atmen" auch vor der Geburt nicht in Flüssigkeit ... diese Fähigkeit haben Menschen (oder ganz allgemein Säugetiere) nicht.
Die Atmung ist der Prozess, bei dem in einem eigens dafür entwickelten Organ (Lunge, Kiemen, Röhrchen o.ä.) ein Gasaustausch stattfindet.
Bei den meisten uns bekannten Lebewesen bezieht sich das auf den Austausch von CO2 mit Sauerstoff. Das Medium ist dabei sogar relativ egal (über die Spezies hinweg betrachtet, funkrtioniert fast alles, was die entsprechenden Chemikalien enthält.
"Atmung" in einem Stoff, der die benötigten Chemischen Vorraussetzungen nicht erfüllt, ist unmöglich.
Die Sauerstoffversorgung eines Fötus geschieht über das Blut der "Mutter", die diesen Sauerstoff über ihr eigenes Atmungssystem bereitstellt ... solange "Luft" vorhanden ist (MIT Sauerstoff). Bis zur Durchtrennung der Nabelschnur ist das Kind nicht auf eine eigene Atmung angewiesen, da es sozusagen "Teil" des Blutkreislaufes der Mutter ist.
Auch wenn der Atmungsapparat im Mutterleib bereits Atmungsbewegungen durchführt, so dienen diese NICHT der Atmung, denn diese wäre die Anreicherung des eigenen Blutes mit Sauerstoff ... in einem Medium, welches diesen nicht enthält, kann man demnach NICHT von Atmung sprechen.
Eine Atmung in Sauerstoffarmer Umgebung setzt vorraus, den ganzen Organismus auf den Betrieb mit anderen, vorhandenen Stoffen umzustellen.
Mag sein, dass eine Lucy das hinkriegt ... aber im Film ist ohnehin sehr viel möglich, denn es geht dabei lediglich darum, eine Illusion zu erzeugen, die Wahrnehmung zu leiten, und die Inormationen so zu präsentieren, dass die gewünschte "Quintessenz" plausibel wird.
Egal, das ist ohnehin nur eine Nebenbühne.
Ich glaube schon, dass wir Menschen Fähigkeiten verloren haben, weil wir sie einfach nicht mehr brauchen ... wer muss schon wissen, wie er ein Tier schnell und ohne viel Energieaufwand töten kann, wenn man stattdessen die Viecher auch schon bei Geburt einsperren und dann maschinell zu Vakuum-Steak verarbeiten kann?
Dieses Wissen ist für moderne Menschen in den Industrienationen unnütz ... es wäre Balast in dieser Welt.
Das gleiche gilt für viele Fertigkeiten, die z.B. erst mit der Seßhaftigkeit wichtig wurden. Z.B. der Bau einer Behausung, die nicht nur ein paar Tage oder Wochen der Witterung standhält, sondern nach möglichkeit mehrere Generationen ... früher musste dieses Wissen jeder selbst haben, der eine Behausung bauen oder erhalten will.
Heute haben wir für alles Spezialisten, und jeder dieser Spezialisten steht für eine Verlorene Fähigkeit.
Aber ist das wirklich schlimm, wenn man es mal nüchtern betrachtet ... wenn man als Schildkröte keinen Panzer benötigt, wäre es da "sinnvoll" weiterhin den schweren Panzer herumschleppen zu müssen, Energie aufzuwenden, um ihn aufzubauen?
Die Evolution ist sehr wahrscheinlich weit entfernt von Sinnfragen, aber wo sie ganz nahe dran ist, das ist die Energieeffizienz. Wozu haufenweise Energie verballern, wennn das garkeinen Nutzen bringt?
Über die Zeitalter hinweg hat das z.B. dafür gesorgt, dass die Menschen immer spärlicher behaart sind ... das "Fell" welches auch unsere genetischen Vorfahren gewärmt haben wird, ist durch Kleidung ersetzt und dadurch unnötig geworden.
Genau genommen, steht dieser Fähigkeitsverlust soziologisch betrachtet sogar für den zivilisatorischen Fortschritt allgemein. Denn dieser wäre ohne die funktionale Entmischung und Ausdifferenzierung nicht in der Weise denkbar, wie wir sie kennen.
Die Mathematikgeschichte als Beispiel.
Wo fanden unseres Wissens nach die ersten Zahlen verwendung? Ich denke, dass diese Zahlen dort Verwendung fanden, wo etwas "verwaltet" werden musste. Sei es nun der Handel, oder eine Armee ... die Menschen haben sich Systeme überlegt, um festzuhalten, was festgehalten werden sollte. Z.B. gibt es durch Zahlen die Möglichkeit, den Inhalt einer Warensendung zu kennen OHNE sie zu öffnen ... erste Zahlsymbole fanden sich unter anderem auf "Siegelklumpen" mit denen Gefäße verschlossen wurden, bevor sie zum Empfänger gebracht wurden.
Ein Stück Kontrolle. Der Sender notiert was er ins Gefäß getan hat, und der Empfänger kann daran überprüfen, ob der Bote ihn zu betrügen versucht.
Der Ursprung der Mathematik (bzw. der Zahlen, mit denen sie arbeitet) ist also das aus der eigenen Gier erwachsene Misstrauen gegenüber Anderen, der Zwang zu wissen, "was man hat" ... und fest damit verdrahtet die Angst darum, es könne weniger werden.
Irgendwann ist dann einigen besonders wichtigen Menschen aufgefallen, dass ihnen die Verwaltung ihrer Besitztümer leichter fällt, wenn es ein einheitliches Zahlensystem gibt.
Archäologische Funde belegen, dass in Mesopotamien bis zu einem bestimmten Zeitpunkt bei der Vermessung von Ackerland in Nord-Süd-Richtung andere Maßeiheiten verwendet wurden, als in West-Ost-Richtung. Ich kenne die Originalen Maße nicht (von "Einheiten" kann man da eigentlich nicht sprechen), stelle mir das aber so vor, dass man am ende die Fläche aus zwei verschiedenen Maßsystemen irgendwie "zusammenrechnen" musste.
Unsere heutigen Maßsyseme sind alle vergleichbar ... ich weiß genau, wie ich "Inch" in "Zentimeter" umrechnen kann, und es ist dabei auch egal, ob ich das in einem Zahlensystem zur Basis 10, 12, 20 oder 60 mache. Das, was ich heute ganz locker bewerkstelligen kann (mit ein paar technischen Helferlein), war vor ca. 4000 Jahren noch undenkbar ... ja es war nichtmal notwendig, da die Leute nicht mit 250 verschiedenen Systemen umgehen mussten, sondern nur mit den 2 oder 3 in der näheren Umgebung.
Die Notwendigkeit, auch über Systemgrenzen zu kommunizieren (quasi "globale" Handelsbeziehungen sind schon für die späte Bronzezeit gut belegt) wuchs mit der Mobilität der Menschen und ihres Wissens ... und es wurden auch recht bald einheitliche Systeme geschaffen, denn das erleichtert den ganzen Kram doch sehr.
Am Beginn vieler Großreiche stehen nicht umsonst einheitliche Systeme für Handel und Kommunikation ... begonnen bei einheitlichen Zahlensystemen oder einheitlicher Schriftsprache bis hin zu einer einheitlichen Mythologie, die wir noch im modernen Nationalismus wiederfinden.
Die Qin wären in China nicht erfolgreich gewesen (nicht mit ihrer Herrschaft, sondern in ihrer geschichtlichen Bedeutung) wenn es ihnen nicht gelungen wäre, dem Flickenteppich "China" gewaltsam ein einheitliches Zahlen-, Schrift, und Zahlungssystem überzustülpen.
Der Legalismus, der das ermöglicht hat, wurde von den Chnesen sofort nach dem Ende der Dynastie begraben ... aber die einheitlichen Systeme waren einfach zu praktisch, also hielt man sie bei ... bis heute ... über 2000 Jahre später.
Das gleiche beim römischen Reich ... das reich zerbrach ... aber weiterhin war das römsche Zahlensystem gültig (bis ins 15 Jhdt hinein), weil es unabhängig vom übergeordneten Staatswesen weiter genutzt wurde.
Wer mal versucht hat, mit diesem System zu rechnen, der sollte wissen, das es unpraktischer aus unserer Perspektive kaum geht ... wir sind eben an unser Stellenwert-System gewöhnt - oft genug sogar so sehr, dass wir Probleme bekommen, wenn eine Zahl NICHT im Zehnersystem dargestellt wird.
Rechnet man hingegen mit einem Abakus, dem damals geläufigen "Taschenrechner", so wird einem aber auffallen, dass es dabei letztlich egal ist, ob man nun "römische" oder "arabische" Zahlen verwendet. Denn das Stellenwertsystem mit seiner typischen Bündelung ist Grundlage dieses Gerätes, welches damals nicht wie heute in der Grundschule aus jeweils Zehn Perlen auf einer Stange bestand (zehn Stangen übereinander) sondern aus mehreren Feldern, in die "Rechenpfennige" gelegt wurden ... im Prinzip "kleine flache Steine", die je nachdem WO sie im Bild liegen, für eine "1" bzw. "I" stehen, für eine "5" bzw. "V" oder eben für ein "10" bzw. "X".
Einzig das Schriftbild macht den Unterschied ... aber das hält nur die Ergebnisse fest ist für den Prozess "Mathematik" im Grunde also unerheblich.
Die Bündelung, die uns heute so wichtig erscheint, spielt beim Rechnen mit einem Abakus keine Rolle, solange sie bekannt ist.
Ich tendiere stark dazu, die Mathematik ebenfalls als Werkzeug zu betrachten ... sie dient der Beschreibung unserer Umwelt, zeigt dabei Handlungsperspektiven auf ... und solange diese Prognosen funktionieren, ist es letztlich auch egal, ob das nun Wahrheit ist, oder nicht ...
Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass unsere heutige Hochspezialisierung ihren Ursprung bei der Mathematik hatte. Zunächst reichten Strichlisten ... die konnte jeder lesen. Als die Zahlen größer werden mussten, wurden diese allerdings unübersichtlich und unpraktisch ... also wurde gebündelt.
Ein Beispiel: Noch heute verwenden wir die Strichlisten, wir machen Vier Striche, und verbinden diese mit dem fünften zueinem Päckchen ... ein Bündel ... das Modell dafür dürfte wohl die Hand mit ihren meist fünf fingern sein. Ein Symbol für "Hand" wurde eingeführt ... Diese Zahlen können nur noch Leute, lesen, die neben dem Symbol für "Eins" (Strich) auch das Symbol für "Hand" kennen ... das System ist praktischer, braucht aber bereits den ersten "Spezialisten". Aber auch mit den Symbolen für "Strich" und "Hand" werden die Zahlen irgendwann mal zu groß. Weitere Bündelungen werden etabliert (zum Beispiel ein Symbol für "2 Hände" also für 10 oder für "beide Hände UND Füße" wie im 20er-System der Maya). Und mit jedem Bündelungsschritt wird das System abstrakter ... am Ende braucht man die Schriftliche Überlieferung, um dieses System effektiv weitergeben zu können,man braucht Rechner und Schreiber, und irgendwann auch Lehrer ... denn die Systeme sind nicht mehr uintuitiv erfass- bzw. beherrschbar.
Heute verwenden wir eine unglaublich komplexe Bündelungsmethode ... Zehnerpotenzen.
10^0=1, 10^1=10, 10^2=100 usw. Und der Trick ist das Symbol für "nichts" ... die "Null".
Der Anstieg der Komplexität führt zu Spezialisierung und der Anspruch an eine allgemeine Anwendbarkeit verstärkt den Abstraktionsgrad, da elemenrte verschiedener Systeme integriert werden müssen. Aus recht konkreten Formen (Glyphen ... auch der Strich ist nichts weiter als die Glyphe für einen Finger) entstehen abstraktere Symbole, deren Bedeutung man nur dann korrekt erfassen kann, wenn man sie kennt.
Ohne Wissen der Basis ist 10+10=100 einfach mal falsch (denn man nutzt automatisch das Zehnersystem) ... im Binärsystem steht da aber nichts weiter, als die mathematisch vollkommen korrekte Aussage "zwei und noch mal zwei sind zusammen vier".
Bei einem Bündelungssystem zur Basis 3 wäre sogar 10+10=20 genauso korrekt, wie im Zehnersystem ... aber die Zahlenwerte (die "Einer", die konkret gezählt werden können) sind verschieden ... denn "20" steht im Ternärsystem nunmal für die Anzahl 6.
Die darstellung andert nichts daran, dass "110" im Binär-, "20" im Ternär- und "6" im Zehnersystem verschiedene Ausdrücke für die "Mächtigkeit" einer Menge von entsprechend vielen Einzeldingen sind (in desem Fall 6, wenn korrekt gezählt wurde) ... weder die Mächtigkeit, NOCH die Einzeldinge werden dadurch beeinflusst, wie man sie darstellt.
Für den einen Apfel spielt es letztlich nicht die geringste Rolle ... er existiert unabhängig vom System, in dem er dokumentiert wird.
Oder anders, für das beschriebene Ding, bzw. seine reale Existenz ist es letztlich egal, WIE es beschrieben wird.
Als kleines Fazit:
Nicht die Welt selbst ist eine Konstruktion, sondern nur die Sprache, die uns den Austausch über diese Welt ermöglicht und dadurch unsere Hochkulturen erst möglich gemacht hat.
Aber auch diese ist keine Creatio ex nihilo, sondern eine über Jahrtausende an der Anwendung in der Welt ausgearbeitete Weiterentwicklung der Frage "wie viele Beeren habe ich schon gesammelt?" ... Oder etwas moderner "Papaaa ... sind wir bald da?".
Wenn man sich dem totalen Konstruktivismus hingibt, muss man die Existenz der Wahrheit selbst ablehnen, denn alles was dann bleibt, ist Descartes' "ich denke, also bin ich", welches auf jede Aussage über etwas ausserhalb des Denkens verzichten muss ...
Denn obgleich man den Inhalt des eigenen Denkens bezweifeln kann (die Wahrheit der eigenen Erkenntnisse), das, was diese Erkenntnisse generiert hat, kann man nicht bezweifeln, denn womit sollte man das tun, wenn nicht mit dem Denken?
Und bei der Betrachrung löst sich doch eigentlich jeder konstruktivistische Gedanke in einem Logikwölkchen auf. Denn nicht nur unsere Weltsicht, sondern auch die Zweifel an ihrem Zutreffen basieren auf der Wahrnehmung ... und die ist nunmal nicht unfehlbar.
Zum Film Lucy ... das wäre ein noch viel größeres Fass ... ich verstehe diesen Film eher als eine Anspielung auf den menschlichen Glauben daran, dass der Mensch letztlich alles kann, wenn er die richtigen Drogen bekommt. Ganz im Sinne einer aufgeputschten Leistungsgesellschaft, die das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit schon lange verloren hat.
Auch Lucy ist zu all dem nur fähig, WEIL sie eine Droge nimmt, die ihr wirkliches Potenzial "freischaltet" ... der Film lässt allerdings eine Frage offen ... IST das am Ende überhaupt noch Lucy - oder doch eher die Droge?