Nagy1991 schrieb:
Letzte Woche Samstag war ich gerade von China (beruflich) zurückgeflogen. Muss ich leider sagen:
Deine Kenntnisse beruhen sich vollkommen auf Klischees oder veraltete Informationen.
Chinas Außenhandel mit den Ländern des Südens (z.B. Handelsvolumen in 2021: mit ASEAN Staaten in Höhe von ca. 100 Milliarden Dollar, mit Südamerika ca. 40 Milliarden Dollar, mit Afrika ca. 17 Milliarden Dollar) inzwischen so groß wie jener mit Europa und den USA zusammen (mit USA und Europa zusammen ca. 140 Milliarden Dollar in 2021).
Man sollte dabei allerdings nicht vergessen: In Europa und den USA leben zusammen (je nach dem, wie weit man "Europa" fasst) maximal ca. 900 Millionen Menschen. Die Bevölkerung im asiatischen Raum ist um ein Vielfaches größer, die in Afrika ebenfalls ein gutes Stück. Die Pro-Kopf-Rechnung sieht daher ganz schnell deutlich anders aus. Und gerade bei Verbrauchsgütern ist diese Betrachtung nicht gerade irrelevant.
Nagy1991 schrieb:
Während also viele deutsche Konzerne vom Chinageschäft stark abhängig sind, ist Deutschland für die Volksrepublik nur ein Handelspartner unter vielen. China ist zudem nicht ansatzweise so exportabhängig, wie so viele (z.B. Sie) immer sehr gerne daran glauben wollen.
Beim Import ist Deutschland in einzelnen Bereichen stark von China abhängig, das ist richtig. In Sachen Export, für uns auch ziemlich wichtig, sieht das aber nicht ganz so dramatisch aus, wie es gerne dargestellt wird. Tatsächlich sind die vergleichsweise winzigen Niederlande für unseren Außenhandel ein wichtigerer Partner.
Nagy1991 schrieb:
20% sind eine ganze Menge. Zwischen 25 und 30% fußen beispielsweise auf der Bauwirtschaft, die über alle Maßen künstlich aufgebläht wurde und sich in der Krise befindet. Da können Wachstumstreiber in anderen Bereichen nicht schaden.
Nagy1991 schrieb:
Und diese Exporte gehen auch nicht alle in die USA und Europa (ca. 40 % der gesamten Exporte gehen in die USA und Europa, soweit ich kenne). Also selbst wenn sämtliche Exporte in die USA und Europa plötzlich wegfallen würden, wären das circa 8 Prozent des chinesischen BIP. Also verkraftbar.
Für ein Schwellenland wäre es mehr als dramatisch, 1-2 Jahre Wirtschaftswachstum komplett zu verlieren. Immerhin schafft es China ja jetzt schon nicht mehr, "schnell genug" zu wachsen. Die Hälfte der chinesischen Bevölkerung lebt nach wie vor in Armut.
Nagy1991 schrieb:
Auch deine Informationen sind sehr veraltet:
Studie zeigt: China in 37 von 44 Schlüsseltechnologien führend
Die USA liegen laut einer neuen Untersuchung bei Hochleistungs- und Quantenrechnern, Chips, Impfstoff, Kleinsatelliten, Raketen und Spracherkennung vorn.
Die USA und China gelten seit Langem als die größten Rivalen bei der Entwicklung künstlicher Intelligenz (KI). Laut dem soeben veröffentlichten
Critical Technology Tracker des Australian Strategy Policy Institute (ASPI) gehört dieser Bereich bereits zu den 37 von 44 Schlüsseltechnologien, in denen China führend ist:
https://www.heise.de/hintergrund/St...-Schluesseltechnologien-fuehrend-7539584.html
Es ist unbestritten, dass Chinas rasende Entwicklung und die enormen Mengen an Staatsgeld, das in die "Made in China 2025"-Initiativen gepumpt wurde und wird zu einer Blüte chinesischer Technologiebereiche geführt haben. Andere Staaten haben entsprechende Ziele längst nicht so zielgerichtet verfolgt, so viel muss man zugestehen.
Nagy1991 schrieb:
Wie gesagt: Letzte Woche Samstag war ich gerade von China (beruflich) zurückgeflogen. Muss ich leider noch einmal überholen:
Ja, es ist tatsächlich erstaunlich, welche Klischees noch immer betr. China bestehen und außer Acht gelassen wird. Modernität und Technologie dort derart fortgeschritten sind, dass man sich bei Rückreise nach Deutschland hier wie in einem Schwellenland oder gar Entwicklungsland fühlt. Da reicht schon die Ankunft in Flughafen!
Es ist typisch für weit entwickelte Schwellenländer, sich in urbanen Zentren und in Sachen Infrastruktur in und um diese Zentren herum am Limit des technisch Machbaren zu bewegen. Alles, was der geneigte Besucher dort sieht, ist schließlich auch nicht sehr alt, nach globalen Maßstäben quasi gerade erst gebaut worden. Und wenn man sich im Kontrast dann Digitalisierung und die Infrastrukturinstandhaltung der letzten 20 Jahre in Deutschland anschaut, glaube ich dir gerne, dass solche Eindrücke entstehen.
Trotzdem bedeutet das nicht, dass es nicht auch andere Seiten gibt. Wie bereits gesagt, die Hälfte der chinesischen Bevölkerung lebt nach wie vor in Armut. Die ruralen Gebiete des Landes sehen nicht so arg viel anders aus als vor 100 oder 200 Jahren. Und der kaufkraftbereinigte durchschnittliche Reichtum der Chinesen liegt nach wie vor auf einem relativ niedrigen Niveau. In Deutschland ist das Pro-Kopf-BIP bspw. zwischen drei und vier Mal so hoch, in Japan ebenfalls, in den USA sogar fast sieben Mal so hoch. Der Wohlstand der westlichen Welt liegt für die große Mehrheit der Chinesen in großer Ferne, was auch logisch ist: Ein so großes Staatsvolk würde für ein ähnliches Wohlstandsniveau eine ungleich größere Wirtschaftsleistung brauchen.
Die ist längst nicht erreicht - und wird es voraussichtlich auch nicht mehr.
Nagy1991 schrieb:
Die gehirnlose Arroganz gegenüber China zerstört den letzten Vorsprung von den Westen gegenüber China, und zwar ganz schnell.
Es gibt einen Unterschied zwischen "hirnloser Arroganz" und einem ganzheitlichen Blick auf das "Problem China". Im Großen und Ganzen blicken internationale Akteure zunehmend realistisch auf den Roten Drachen.