Grundsätzlich finde ich es erstmal gut, wenn man Musik in besser aufgelösten Formaten zur Verfügung stellt. Allerdings wird das in der Praxis nur sehr sehr selten was bringen. Ab 192KBit/s, spätestens ab 256KBit/s sind die bisherigen verlustbehafteten Formate bereits so gut, dass die allermeisten Menschen im Blindtest keinen Unterschied mehr hören können. Klar mag beim einen oder anderen die Hörschwelle bei gewissen Maskierungseffekten etwas höher oder niedriger liegen. Die Anatomie von Kopf und Gehörgang, usw. ist bei jedem etwas unterschiedlich. Aber eigentlich ist das nicht mehr relevant, vor allem wenn man auf sauber codierte 320Kbit/s geht. Bei hohen Datenraten unterscheiden sich die Codecs auch nicht mehr groß.
Ausnahmen gibt es dann, wenn das bereits komprimierte Material technisch weiter bearbeitet wird. Sei es zur Klangveränderung oder eine erneute Datenreduktion. Dann treten beim unkomprimierten Material evtl. Frequenzanteile aus der hörpsychologischen Maskierung, die im datenreduzierten Material nicht mehr vorhanden wären. Das ergibt dann einen Unterschied.
Was 16 vs 24 Bit angeht, da kommt es auf die Musik an. 16 Bit reichen immer dann nicht aus, wenn man leise Passagen hat, die beim Kunden aber laut angehört werden. Das kann schonmal etliche Bit kosten, mit denen die leise Passage dann für sich alleine betrachtet effektiv aufgelöst ist. In der Praxis kommt das schon mal vor, insbesondere bei Klassik. In den meisten Stilen der Popmusik eher seltener. Macht mMn durchaus Sinn, wenn man öfters Musik mit leisen Passagen konsumiert.
Den Vergleich mit Vinyl will ich eigentlich gar nicht anfangen. Das Medium ist aus technischer Sicht in allen Punkten deutlich schlechter. Was aber dazu führt, dass man das Mastering nicht so sehr auf die Spitze treiben kann. Und das führt letztlich dazu, dass einige Aufnahmen auf Vinyl wiederum besser klingen. Würde man dieses Mastering allerdings auf CD bringen, wäre es nochmals besser. Wenn man mal davon absieht, dass Dinge wie Knistern, Gleichlaufschwankungen, Verzerrungen und reduzierter Frequenzgang durchaus ihren Charme haben können. Gibt ja immerhin auf Produktionsebene zig Plugins die solche Effekte versuchen zu emulieren. Gerade Verzerrungen will man eigentlich bis zu einem gewissen(!) Grad immer erzeugen, weil sie für die meisten Hörer gut klingen. Zuviel des guten nervt dann aber, oder ist wiederum Stilmittel. Liegt alles im Auge des Betrachters bzw Ohr des Hörers.
Genauso ist es bei der Dynamikkompression und Limitierung (=stärkere, härtere Kompression, die Übergänge zwischen diesen Begriffen sind fließend). Die will man bis zu einem gewissen Grad auch immer haben. Bei live eingespielter Musik: Je gleichmäßiger die Musiker spielen umso weniger Kompression ist nötig um Lautstärkeunterschiede auszugleichen. Aber das ist nur eine Seite der Kompression. Ich kann damit je nach Einstellung der Regelzeiten Signale aggressiver/punchiger/kürzer/trockener/direkter klingen lassen oder eben weicher/länger/undefinierter/halliger. Oder auch mit frequenzselektiver Kompression störende Anteile an manchen Stellen abschwächen oder wichtige Anteile an zu schwachen Stellen deutlicher machen. Kurz: Kompression ist ein produktionstechnisches und letztlich auch künstlerisches Stilmittel. Vor allem im Mixing, aber auch im Mastering. Es gibt Musikstile, da will man eine ordentliche Kompression oder Limitierung haben. Ein Elektro/House/EDM/Dance Master drückt nicht richtig, wenn man keine starke Kompression bzw Limitierung auf dem Master fährt. Man denkt, komplett ohne Limitierung hat der Track sogar weniger Dynamik. Der Trick ist nur, dass man dies schon bei der Produktion mit 'einplant'. Und dass man es beim Mastering nicht übertreibt. Je nach Musikstil und Qualität der Produktion kann ich bis -8 oder teilweise gar -5 LUFS mastern ohne dass es kacke klingt. Logischerweise nicht an jeder Stelle des Tracks. Je besser die Produktion gemischt und musikalisch arrangiert ist, umso lauter läßt sich der Track meistens mastern.
In anderen Musikrichtungen will man es evtl. nicht so drückend und nicht so laut. Wie gesagt, das ist alles Stil und geschmacksabhängig. Trotzdem gilt auch hier: Gutes Mastering sorgt dafür, dass der Track wie aus einem Guss wirkt. Aber nur wenn zuvor der Mixdown bereits gut war. Oft ist das aber nicht der Fall und dann muss man beim Mastern halt noch retten, was zu retten ist. Gibt aber auch genügend Tracks die trotz schlechter Produktion erfolgreich sind und die im Hörer was auslösen.
Heute werden etliche Tracks auch so gemischt/gemastert, dass sie auf Smartphones möglichst gut und/oder laut klingen. Das führt dann dazu, dass man den Tiefbass eher niedrig pegelt und dafür den Schwerpunkt im Bereich 100-250Hz setzt, weil das irgendwo die tiefsten Frequenzen sind, die so ein Phone noch wiedergeben kann. Klingt dann natürlich auf guten Lautsprechern oder Kopfhörern nicht optimal, da fährt man dann einen (faulen) Kompromiss. Weil sowas letztlich eine Marketing-Entscheidung ist, quatschen die Labels auch mit rein. Alles nicht so einfach, selbst wenn man selber wollte.
Wie auch immer, schön dass theoretisch die Option besteht, dass beim Kunden bessere Qualität ankommen kann. Auch wenn es in der Praxis meistens irrelevant sein dürfte, weil das Material schonmal gar nicht in der Qualität produziert wurde. Oder weil der Kunde zuhause ein paar Brüllwürfel im kahlen, akustisch mies klingenden Raum betreibt. Aufregen werden sich nur die Klimawandelanbeter, die durch die höheren Datenraten einen höheren Energieverbrauch des Streamings befürchten. Kann man ja mit ein wenig CO2-Ablass als Preisaufschlag wieder gut machen. Das muss einem das Ganze ja wert sein, oder?