Relaxo32 schrieb:
Was die Aussage "Warum immer bei Gaming?" angeht: auch bei Film, Buch und anderen Bereichen, die heute unter Kunst laufen, gibt es diese Diskussionen immer wieder, selbst bei reinen Fantasie-Gebilden wie Game of Thrones. Ich kann dazu selber eine kleine Anekdote bringen: als vor Jahren Game of Thrones begann, und einigen junge Studenten gewahr wurde, dass sich George R.R. Martin u.a. von den Rosenkriegen inspirieren lassen hat, kamen einige dieser Erst-Semestler auf die fixe Idee einer unserer Geschichte des Mittelalters Dozierenden diese Werke wegen ihrer "historischen Wichtigkeit" zu empfehlen.
Und eine weitere, da besagte Dozierende sich sehr oft mit so etwas rumschlagen musste: vor knapp 15 Jahren kam im deutschen Fernsehen die Romanverfilmung "Die Päpstin". Seitdem musste sich besagte Professorin immer wieder Fragen über eine vermeintliche Päpstin anhören, weil Studenten jeder Couleur das Ganze für vollkommen bare Münze genommen haben.
Der Skandal ist doch, dass man mit so einer Wahrnehmung offensichtlich das Abitur erlangen kann.
Picard87 schrieb:
Ich nicht. Ich bin selbst Geschichtslehrer und wenn es um Piraterie, Römer oder den 2. Weltkrieg geht, fallen bei Schülern (auch Erwachsenen!) in schöner Regelmäßigkeit Sätze a la "stimmt, so war das doch auch in Fluch der Karibik/ Gladiator/ Inglorious Bastards.
Kein Witz!
Wenn Schüler und Kinder nicht in der Lage sind zwischen Fiktion und Formaten mit dem Anspruch von historischer Authentizität zu differenzieren sollte genau dies die Aufgabe des Bildungssystems sein.
Ich verstehe nicht warum hier Felix Zimmermann genannt wird, sein verlinkter Artikel hat - soweit ich das sehe - nichts mit der inhaltlichen Auseinandersetzung von golem.de und der Sklaverei zu tun, sonder beschäftigt sich mit Vergangenheitsatmosphären und stellt die Frage inwieweit diese einen Einfluss auf die Gesellschaft und Wahrnehmung von Geschichte haben. Jedoch sehe ich da keine moralische Kritik an der Darstellung von Themen wie Sklaverei in Spielen. Soweit ich es überflogen habe geht es ja eher darum, eine Theorie zu entwickeln um die Wahrnehmung zu untersuchen, nicht diese zu bewerten.
Die Kritik die golem.de und Herr Prof. Zimmerer üben ist nicht haltbar. Computerspiele sind Unterhaltungsmedien und müssen auch mit diesem Anspruch betrachtet werden. Man kann an Computerspiele eben nicht den Anspruch von umfassender historischer Wahrheit stellen. Ich halte es für mehr als fragwürdig in Zeiten von Wikipedia zu behaupten, weil Sklaverei im Spiel nicht vorkommt gehen die Spieler davon aus, dass es diese nicht gegeben hat. Als ob es die einzige Möglichkeit wäre sich mit einer gesamten Epoche zu beschäftigen und quasi Anno 1800 die frohe Botschaft des 19. Jahrhundert wäre, die ansonst nicht in Frage gestellt wird. Desinteresse an Geschichte - auf gesellschaftlicher Ebene - kann man keinem Computerspiel zum Vorwurf machen. Natürlich kann es sein, dass jemand keine Ahnung von Sklaverei und deren Geschichte hat - wer hat das eigentlich schon umfassend in unserer Gesellschaft? Aber so bald ich doch auch nur irgendwie historisches Interesse habe, werde ich spätestens bei der Auseinandersetzung mit der größten Weltmacht und ihrer Geschichte auf das Thema Sklaverei stoßen. So wie es auch jeder in den USA in der Schule lernen wird und diese historische Entwicklung dazu geführt hat, dass erst in den 1960er Jahren der breiten Masse von Afroamerikanern deshalb das Wahlrecht eingeräumt wurde.
Ich weiß auch nicht wie man Sklaverei thematisieren sollte in Anno. Ich habe als junger Mensch in 1602 auch Baumwollplantagen gebaut und mir ist aufgefallen, dass die Arbeiterin der Plantage eine Schwarze gewesen ist und ich wusste, dass es Sklavenarbeit gab. Mein Freundeskreis wusste es auch, wir haben das damals untereinander auch durchaus mit schwarzem Humor thematisiert, als jemand z.B. eine ganze Plantageninsel gebaut hat und wir diejenige Person dann als Sklavenhalter verunglimpft haben.
Nur wie möchte ich das Thema denn darstellen? Soll ich meine Baumwollplantagen aufbauen und dann noch Aufseher mit Peitschen dazu haben, um dann als junger Mensch oder Spieler der Herr der Sklaven sein? Und in diesem Wissen in der „Simulation“ dazu angehalten werden Sklaven zu halten? Ich weiß nicht welchen Ansatz man wählen sollte um Importwaren einzuführen und das Thema gleichzeitig dazustellen. Gerade weil eine eigene Story nie die Stärke der Reihe gewesen ist, soweit ich sie gespielt habe.
Und natürlich beruht ein Großteil des Wohlstandes der Briten und der US-Südstaaten dieser Zeit auf Sklavenarbeit. Nur macht man es sich auch recht einfach so zu tun, als ob die Europäer die Sklaverei erfunden hätten. Sie haben Sklaven gekauft, die von afrikanischen Stämmen und arabischen Sklavenhändlern angeboten wurden. Das hat in der Folge natürlich zu einer Ausweitung der Versklavung durch afrikanische Sklavenjäger und Arabern geführt.
Sollte es eine eigene Schiffsklasse geben, das Sklavenschiff? Und dies dann zu dem arabischen Händler fahren, um das Schiff dann mit Menschen vollzustapeln und dann von diesen nur noch 25% dieser Sklaven auf meiner Insel ankommen zu lassen? Bräuchte es dann noch verschiedene afrikanische Stämme, die sich gegenseitig überfallen und versklaven auf einer eigenen Inselform?
Ich meine das wäre doch mehr als bescheuert.