Atze-Peng schrieb:
1. Wenn du wirklich dafür sorgen willst das möglichst viele Kinder eine gute Schulausbildung bekommen und auch motiviert sind diese zu erreichen, dann sind gesunde und intakte Familien wichtigste Punkt.
Und es gibt eine ganze Menge Statistiken aus aller Herren Länder, die zeigen, dass das Merkmal "intakte Familie" mit dem sozio-ökonomischen Status der Familie korrelliert.
Da reicht im Grunde für Deutschland ein Blick in die Daten des "Mikrozensus".
Eine Korrelation sagt noch nicht viel über Wirkungszusammenhänge ... aber sie gibt Hinweise, dass es da welche geben könnte. Und vor allem wirft sie eben die Frage auf, "warum stellen wir das immer wieder fest?".
Die intakte Familie ist von der wirtschaftlichen Situation keinesfalls unabhängig, und wenn diese mit der Ethnie oder (wie bei uns) mit der Staatsangehörigkeit korrelliert, dann kann man eben auch mal nach struktureller Diskriminierung fragen.
Ich sprach in einem anderen Post von der "habituellen Absicherung von Privilegien" ... dafür muss es keine gesetzliche Verankerung oder bürokratische Vorgaben geben (das wäre der institutionelle Teil), es reicht, wenn Sachbearbeiter bei Angehörigen einzelner Minderheiten etwas genauer hinsehen ... nichtmal in böser Absicht, sondern einfach weil sie es für wichtig halten ... eventuell weil diese Leute z.b. besonders oft Leistungen in Anspruch nehmen wollen (jetzt mal in Bezug auf Deutschland) und man sich einfach nicht vorstellen kann, dass es irgendwie sein könnte, dass man in einem Land mit so starker Ökonomie, nur wenig Arbeitslosen und einem brummenden Arbeitsmarkt überhaupt irgendeine Leistung brauchen könnte.
Wer einige dieser Verhaltensweisen sehen will, der kann ja mal in den BGE-Thread hineinschauen ... da wimmelts davon.
Wieder die Einschränkung auf Rassismus ... an der wahrgenommenen Normalität angedockte Verhaltensweisen sind natürlich nur dann rassistisch, wenn man es mit Angehörigen einer anderen "Rasse" zu tun hat ... also z.B. mit Schwarzen. Dann ist das Alltagsrassismus ... ansonsten einfach strukturelle Diskriminierung ... und schon diese Unterscheidung war im Grunde rassistisch auch wenn sie nur der Beschreibung dient.
Das hängt alles an der wahrgenommenen Normalität eines in einer Situation mit Macht ausgestatteten Menschen.
Die institutionelle Form ist in weiten teilen der westlichen Welt lange zurückgedrängt worden (aber sie kämpft sich leider auch dort im Gefolge von Populisten wieder nach oben).
Victor Orban hat die institutionelle Diskriminierung der Sinthi und Roma verschärft ... und wurde von vielen Ungarn dafür bejubelt.
Für viele von uns ist institutionalisierte Diskriminierung nicht mehr Alltag ... aber - und daher brachte ich den Vergleich mit Indien wo die Kastenordnung seit fast 70 Jahren nicht mehr gesetzlich verankert ist, aber sich in den Köpfen und damit auch in der Gesellschaft hartnäckig behauptet hat - sie hat noch Auswirkungen.
Die Rassentrennung in der USA ist ebenfalls seit langer Zeit nicht mehr gesetzlich verankert ... aber sie sitzt noch in sehr vielen Köpfen ganz tief drin ... und DAS erzeugt oder begünstigt strrukturellen Rassismus ... auch in "relativ" harmlosen (oder für normal gehaltenen) Alltagsrassismen ALLER an diesem Spiel beteiligten.
Weiße sitzen durch ihre demografische Überrepräsentation nur leider viel öfter am oberen Ende des Machtgefälles und haben damit die Möglichkeit, durch Entscheidungen eine Situation zu verbessern ... naja .. oder sie zu verschlimmern.
Das ist eigentlich der härtere Teil antirassisctischer Arbeit ... aus den Gesetzen bekommt man das relativ leicht heraus (auch wenn der Weg dorthin oft blutig ist) ... aber in den Köpfen ist es deswegen nicht gleich genauso verschwunden ... das dauert länger, und man wird immer wieder Rückschläge erleben, weil sich Menschen nunmal ungern verändern und ihre (auch in Interaktion mit rassistischen Gesetzen entstandenen) Vorstellungen von Normalität an Folgegenerationen weitergeben.
Dadurch wirken diese Gesetze einige Generationen nach, weil sich die Normalität der Bürger eben nicht gleich ändert, nur weil man ein paar Worte oder Sätze aus den Gesetzbüchern streicht oder sie hneinschreibt.
Nach der Aufhebung der Rassentrennung in einigen US-Bundesstaaten gab es dort sicherlich auch Schwarze, die in einen Laden OHNE separaten Eingang für Schwarze nicht reingegangen sind, weil sie eben dachten, dass sie in solchen Läden nicht erwünscht seien ... denn das war bis dahin die Normalität dieser Menschen.
Heute ist das nicht mehr so, glaube ich ... aber Rassismus gibt es noch immer ... er äussert sich nur eben nicht mehr auf so offensichtliche Weise, wie mit getrennten Waserspendern für Schwarze und Weiße.
Gleichtzeitig wird es sicherlich dort auch Weisse gegeben haben, die sich scheuten, an einem Wasserspender zu trinken, den gerade ein Schwarzer benutzt hatte. Nicht aus Hass gegen Schwarze, sondern weil er es einfach "irgendwie eklig" fand ... und DAS ist Alltagsrassimsu in einer relativ extremen Form.
Die meisten modernen Alltagsrassismen sind viel gemeiner, weil subtiler ... und Ausbrüche wie der Tod George Floyds sind trotz allem nicht wirklich häufig ... auch wenn sie noch immer zu oft passieren.
Natürlich ist auch die Überkompensation rassistischer Strukturen rassistisch ... wenn also jemand einen kleinen Ladendiebstahl aus Angst vor Rassismusvorwürfen oder aus Mitleid mit dem schwarzen Täter nicht zur Anzege bringt, dann ist auch das Rassismus ... positiver Rassismus zwar, aber nichts desto trotz
die Herleitung einer"anderen" Behandlung aus dem Konstrukt "Rasse".
Und
das ist zumindest für mich integraler Bestandteil der Definition von Rassismus.
Aber im Grunde ist die Debatte mit Rassimus lange nicht beendet ... das gleiche gilt auch für alle anderen Differenzlinien, entlang derer diskriminiert werden kann ... wenn das geht (im Bezugsmilieu als normal anerkannt werden kann), dann wird es auch getan.
Ziemlich unabhängig von Gesetzen, solange die nicht gerade im StGB stehen (das hat direkte Konsequenzen, die Mensch normalerweise vermeiden will).
Die Gewalt im Umfeld der Proteste schadet BLM:
Natürlich nützt es kaum einer Bewegung, wenn sie medial primär mit Gewalt in Verbindung gebracht wird. Das beeindruckt höchstens ein paar gewaltverliebte Spinner. Bei den meisten anderen verstellt es nur den Blick aufs Wesentliche und erreicht u.U. sogar die Konsolidierung von Vorurteilen.
Das sieht man in der Rezeptionsgeschichte zu G20 in Hamburg sehr sehr gut. denn die bedeutendste Folge dürfte wohl sein, dass ATTAC mittlerweile die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde.
Übermäßige Belegung der Gefängnisse mit Angehörigen einer bestimmten Ethnie:
Von der Belegung von Gefängnissen auf eine besondere Neigung zur Kriminalität in einer Ethnie zu schließen, ist ganz schön krude.
Mal ein Stück institutionelle Diskriminierung aus Deutschland. Volljährige deutsche Staatsbürger geniessen (bis auf gerichtliche Anordnung) volle Freiheit im bezug auf ihren Aufenthaltsort (Aufenthaltsbestimmungsrecht) ... ein Asybewerber oder Einwanderer kann sich durch Verreisen schon strafbar machen (unerlaubtes Entfernen von Meldeort), denn der bewirbt sich gerade erst um dieses Recht, welches Deutsche oft nichtmal als solches wahrnehmen, bis es ihnen mal durch ein Gericht entzogen wird.
Eine "illegale Einreise" ist für Deutsche selbstverständlich unmöglich ... und DAS ist ein Teil der Normalität in Deutschland, die von einigen Deutschen aber eben nicht gesehen wird. Das ist ganz offiziell nicht rassistisch oder diskriminierend, sondern normal ... aber es hängt eben an einer Diskriminierung ... denn dieses Wort lässt sich am ehesten mit "Unterscheidung" übersetzen. Wer diskriminiert, der macht in seiner Behandlung Anderer Unterschiede, welche an verschiedenen Eigenschaften aufgehängt sind.
Dieser Gedanke fällt sogar mir schwer, aber "Bürgerrechte" an eine Staatsbürgerschaft zu knüpfen, ist im Grunde diskriminierend ... aber eben auf der ganzen Welt normal. Daher fiokussieren auch Gegenbewegungen zu Diskriminierungspraktiken oft eher die Menschen- als die Bürgerrechte ... denn die sind eben nicht an eine Staatsbürgerschaft bindbar, sondern werden von den meisten Staaten einfach allen Menschen zugesichert und in vielen sogar allen Menschen gewährt.
Bei Martin Luther King ging es noch darum, dass bei der Gewährung von Bürgerrechten Unterschiede zwischen Schwarzen und Weissen gemacht werden MUSSTEN obwohl beides US-Staatsbürger waren ... deswegen wurde das ja damals auch als "civil rights" Bewegung betrachtet.
Da ging es darum, ein uraltes Versprechen endlich auch für Schwarze einzulösen ... "liberty and justice for ALL".