Ich finde eine Bewertung dieses ganzen Themas wirklich schwierig und die Diskussionen, nicht nur hier, schwanken ja zwischen einer gewissen Unterkomplexität und blinder Gefolgsamkeit der Idole, gleichsam wie eine teilweise völlig absurde Vorverurteilung ohne nennenswerte Kentnisse der genauen Umstände.
Gleichwohl: Es ist für einen Fan sicherlich sehr schwierig mit anzusehen, wie sein Idol zu Fall gebracht wird. Und wir leben auch in einer Zeit, in der sehr schnell etwas zu Fall gebracht werden muss, sowohl Medial als auch durch soz. Netzwerke. Es gibt ja in solchen Diskussionen kaum mehr Grautöne. Im Vergleich zu Twitter, Instagram und Co ist die Diskussion hier ja tatsächlich auf einem gewissen Level. Da lohnt sich doch der Blick in die gute alte Welt der Foren.
Die Wahrheit wird, wie so oft, irgendwo in der Mitte liegen. Es ist schon mehr als unwahrscheinlich, dass an der ganzen Geschichte mit Castings, Auswahl der Mädels und ggf. auch der ein- oder anderen Lindemännischen Orgie, so gar nichts dran ist. Entscheidend ist ja der Vorwurf, von Machtmissbrauch, sex. Missbrauch und dem Einsatz von Drogen. Also ob es Tatbestände im strafrechtlichen Bereich gibt. Oder ob es eben eine etwas eigene Art von klassischem "Rockstar-Leben mit Groupies" ist. Das kann man abartig und ekelhaft finden, es ist aber grundsätzlich erstmal keine Straftat, sondern höchstens auf moralischer Ebene diskutabel.
Gleichzeitig lässt sich natürlich auch nicht ausschließen, dass es einige Trittbretfahrer gibt, die nun falsche Anschuldigungen erheben für ihre persönliche Hoffnung auf kurzen Ruhm. Und es gibt auch, wie immer in solchen Fällen, einen sehr starken Hang zur Vorverurteilung und medialen Hetzjagd. Instagram und Twitter sind zwar kein Gericht, es wird dort aber praktisch schon gerichtet und der Lautere entscheidet über die vermeintliche Wahrheit. Behauptungen werden als Tatsachen hingestellt, obwohl sie unbewiesen sind.
Damit sag ich nicht, dass man die Anschuldigungen nicht ernst nehmen soll und dass man grundsätzlich Unterstellt, dass Menschen die solche Vorfälle öffentlich machen immer nur Falschbehauptungen machen. Im Gegenteil, die Anschuldigungen wiegen schwer. Aber, und das ist eigentlich wie man sicherlich merkt mein Kernpunkt, es obliegt nicht uns als Beobachter die Aufgabe der Gerichte zu übernehmen. Weder im Falle der Schuld, noch der Unschuld. Und man darf, auch wenn man die Anschuldigen ernst nimmt, eine gewisse Skepsis an den Tag legen, was Chatverläufe und mediale Berichterstattung angeht. Weil skandalöse Schlagzeilen sich einfach besser klicken lassen und es in Deutschland, sicherlich auch anderswo, eh den Hang dazu gibt, viel Freude zu verspüren wenn große Gestalten tief fallen. Das ist jetzt keine allgemeine Medienschelte, ich denke jedoch, dass uns das allen bewusst ist und wir das auch im Hinterkopf behalten sollten.
Man muss nicht, aber man kann auch gewisse Parallelen ziehen zum Fall Julian Reichelt. Ich möchte hier jetzt weder Sympathie noch Antipathie äußern und auch überhaupt nicht bestreiten, dass es im Springer-Haus ein toxisches und machtmissbräuchliches Klima gab und gibt. Aber auch hier gibt es mittlerweile Zweifel an Chatnachrichten, die es angeblich gab bzw. daran, ob diese nun ein eindeutiger Beweis für machtmissbräuchliches Verhalten sind. Will nur sagen, oft sind Vorgänge im Inneren wesentlich komplexer als man es von außen vielleicht sieht. Und es nicht immer nur die eine Wahrheit gibt, sondern oft die Wahrheit auch irgendwo dazwischen liegt. Und oft ist es auch einfacher, seine persönliche Meinung seinem Symapthiewert zum Betroffenen anzupassen. Das war und ist bei Reichelt so und wird auch irgendwie bei Lindemann so sein, der ganz anders aber doch ein ebenfalls streitbarer Charakter ist.
@Stereosound
Am Ende ist es doch deine Entscheidung. Völlig richtig, wie DU damit umgehts. 😉