Relict schrieb:
Mit Lust haben derartige Arbeitsbedingungen nun wirklich nichts zu tun. Eher mit Zwängen und Not. Dann geh doch als gutes Beispiel in einem solchen Job voran.
Das muss ich nicht. Weder lebe ich auf Kosten der Gemeinschaft noch habe ich mich (Fort-)Bildung verweigert. Wenn ein Mittfuenfziger keine Umschulung mehr machen will, geht das in Ordnung und kann ich das akzeptieren. Wenn ein Mittdreissiger hierauf keine Lust mehr verspuert und lieber weiter Fliesen legen moechte, ist das nicht in Ordnung und akzeptiere ich das nicht. Wir koennen kein Volk von Fliesenlegern sein - Sozialverhalten ist nicht nur Nehmen, sondern auch wertschaffender Teil der Gemeinschaft sein.
Relict schrieb:
Dann bliebe der Spargel eben in der Erde, solange es keine für alle Beteiligten akzeptablen Lösungen gibt.
Keine Loesung war, ist und wird je fuer alle Beteiligten wirklich akzeptabel sein - weil jedes Individuum akzeptabel anders definiert. Ergo wird jede Loesung immer auch Kompromiss sein, bei dem sich alle Parteien bewegen.
Ausserdem finde ich es bemerkenswert, dass ausgerechnet die selbsterklaerten Humanisten der Republik es immer wieder sind, die den Begriff "gerecht" in EURO aufwiegen wollen. Gerecht ist, wenn ich gebe und nehme. Also ein bGe (dass es in Form von Hartz IV objektiv laengst gibt) bekomme und eine Leistung erbringe. Fuer den zweiten Punkt gibt es links von der Mitte beklagenswert wenig Konsens.
Relict schrieb:
Dieser elenden Geiz-ist-Geil Mentalität würde ein Riegel vorgeschoben werden, der Teufelskreis durchbrochen, der Wert von Produkten und Arbeit wieder schätzen gelernt.
Naives Wunschdenken, dass am menschlichen Wesen zerplatzen wird wie schon so manche andere gesellschaftliche Seifenblase zuvor.
Relict schrieb:
Das Lohndumping und alles damit verbundene ist ja erst in den letzten Jahren so drastisch angestiegen.
Ja, als direkte Auswirkung groesser werdender Staatenbuende (EU-Osterweiterung) und der Globalisierung. Nichts davon wirst Du zurueckdrehen und kaum etwas verlangsamen koennen. Und auch davor gab es kein bGe, sondern ein ordoliberales System - fuer viele heute ein rotes Tuch, obwohl sie gar nicht wissen, was es ist. Liberal? Muss ja schlecht sein.
Relict schrieb:
Zunehmende Zahl an Aufstockern, geschürte Existenzängste vor dem radikalen tiefen Fall in Hartz-IV, absinkenden Mittelstand und Schlangen vor den Tafeln, zunehmend auch mit Rentnern. Woher soll denn bislang auch noch ernsthaft eine Perspektive kommen?
Was sind "Aufstocker"? Per Definition Personen, denen entweder auf Ihr abhaengig oder selbstaendig erwirtschaftetes Einkommen oder ihre sozialen Transferleistungen Aufschlaege beziehen.
Bei einem abhaengig Beschaeftigten (384.467 im ersten Halbjahr 2008) kann das z. B. dann der Fall sein, wenn er sich in einem Minijob-Verhaeltnis befindet oder eine Teilzeitanstellung hat. Besonders haeufig anzutreffen sind abhaengig beschaeftige Aufstocker in Ostdeutschland - also im Grenzgebiet zu Osteuropa, mit denen sich dieser Teil des Landes wirtschaftlich messen lassen muss, ob er will oder nicht. Chancen bietet hier allenfalls die Ansiedlung hochqualifizierter Jobs a la AMD - aber sicher kein bleib-zu-Hause-bGe. Ein Selbstaendiger waere wohl zuallererst selbst an seiner Misere schuld. Und Empfaenger von Sozialleistungen in diese Statistik einfliessen zu lassen, blaeht die Zahl zu Kosten der Objektivitaet auf. Das soll nichts beschoenigen, aber doch immerhin erklaeren.
Das Schueren von Existenzaengsten wird vor allem am linken Rand betrieben, um Waehler an die Urnen zu treiben. Zum Beispiel von einem Herrn Lafontaine, der sich auch schon mal ueber Fremdarbeiter (Parallelen zu NPD-Rhetorik sind gewiss nur zufaellig) in Rage redet und vermutlich deshalb auch zu beschaeftigt war, seine Aufgaben bei der KfW (ja, genau - das ist die Staatsbank, die ein paar Peanuts an Lehman Brothers ueberwiesen hat) mit der gebotenen Sorgfalt auszuueben. Weshalb er zum Jahresende auch ausscheidet - nicht das erste Mal, das er sich aus der Verantwortung stiehlt, um es sich in der Redekanzel der Opposition gemuetlich zu machen.
Der "Bundesverband der Tafeln" rechnet fuer 2008 mit etwa einer Million Beduerftigen, die ihre Zuwendungen annehmen. Zahlen von neutraler Stelle sind mir nicht bekannt; der Anteil derer, die annehmen ohne beduerftig zu sein, auch nicht. Insoweit nehme ich die Existenz dieser Einrichtung und ihre Inanspruchnahme zur Kenntnis, masse mir aber nicht an, hieraus Diagnosen ueber den Zustand der Gesellschaft herzuleiten.
Relict schrieb:
Absenkung von Förder- und Bildungsangeboten durch die Arbeitsämter und Argen, Willkür-Bürokratie und Verwaltung von Arbeitslosen, oft ohne Sinn und Verstand.
Die staatliche Unterstuetzung zur Qualifikation ist im Gegenteil so breit gefaechert wie nie zuvor; fuer "Willkuer-Buerokratie" und "Verwaltung ohne Sinn und Verstand" haette ich gerne Belege, die ein System belegen und keine individuellen Fehlleistungen. Ansonsten: Polemik.
Relict schrieb:
Mit geschönten Statistiken senkt man keine reale Arbeitslosigkeit, mit drastischen Druckkulissen und Kürzungen keine Armut.
Welche Statistik wird wie geschoent?
Und "Armut" ist ein relativer Begriff, der alleine aus Pietaet etwas sparsamer dosiert werden sollte. In Deutschland gilt als arm, wer ueber weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens verfuegen kann. Steigt das Durchschnittseinkommen (und das tut es kontinuierlich), kann das paradoxerweise dazu fuehren, dass jemand, der das letztes Jahr noch nicht tat, in diesem Jahr trotz gestiegener Kaufkraft ploetzlich als arm gilt. Viele Arme in Deutschland haben angemessenen Wohnraum, einen Fernseher, einen Gebrauchtwagen und ein Mobiltelefon. In manchen Gegenden der Erde entspricht das dem Lebensniveau eines Ministerpraesidenten.
Relict schrieb:
Der Staat will doch offensichtlich sowieso nichts mehr dazu unterstützend beisteuern, immer mehr Verantwortung und Pflichten werden auf den Bürger abgewälzt, kaum Gegenleistung. Die Kommunen nutzen nicht mal mehr die schon raren vom Bund dafür bereitgestellten Mittel vollständig aus. Hauptsache weg und keine Kosten, alles andere ist irrelevant, das Individuum erst recht. Dann kann man sich dieses nicht minder kostenintensive und absurde Verwaltungs-System und Spielchen auch sparen, alle bekämen wieder etwas von ihrer Lebensqualität und freien Selbstbestimmung zurück.
Mal abgesehen davon, dass wir wohl nicht im selben Deutschland leben: wir bekaemen noch mehr. Ein paar Zehn- oder Hunderttausende nicht mehr benoetigte Verwaltungsangestellte etwa, die kuenftig Transferleistungen beziehen wuerden.
Relict schrieb:
Ich sagte schon mal wer einen besseren Vorschlag beizusteuern hat, nurzu, keine Scheu.
Wie waere es damit: Wir belassen es so, wie es ist?
Das Hirngespinst vom bGe bedient den verlaesslichsten aller Waehlerinstinkte: Neid. Auf den Reichtum einer Handvoll Leute, der abseits aller Realitaet zum Problem erklaert wird um die Massen hinter sich zu einen und einen Systemwechsel voranzutreiben. Wurde, auch in Deutschland, so schon mehrfach praktiziert. Mit mal mehr, mal weniger verheerenden Folgen.