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Bassreflex:
Sicher die bekannteste und am häufigsten verwendete Gehäuseart. Warum das so ist erzähle ich später, erstmal das Funktionsprinzip.
Dabei sei anzumerken, dass auf der
Wikipedia zwar die
Luftrömungen im Bassreflexgehäuse beschrieben werden, nicht aber das eigentliche Geschehen.
Zur Verdeutlichung habe ich die
Grafik 3 angehängt.
Das Chassis wird also wieder in ein Gehäuse eingebaut, das diesmal aber nicht völlig geschlossen ist. Es wird ein Rohr (kann auch ein quadratischer Tunnel sein) eingebaut, dessen Dimensionen wichtig für die Abstimmung sind.
Denn was passiert?
In Grafik 3 rechts ist eine Feder dargestellt, an der links die Membran und rechts das Bassreflexrohr als Massen eingezeichnet sind. Und nichts weiter stellt die Konstruktion dar: ein Masse-Feder-Masse-System.
Aber welche Masse denn? Da ist doch nur Luft im Rohr?!
Eine Masse ist immer träge, sie stellt einer Kraft einen Widerstand entgegen. Und da haben wir auch schon die Erklärung, es ist nichts weiter als der Luftwiderstand, der als Masse herhalten muss. Der Luftwiderstand ist abhängig von der Innenfläche und dem Durchmesser des Rohres. Je größer die Innenfläche, um so größer der Widerstand, je größer der Durchmesser umso kleiner. Das heißt, wenn man den Durchmesser des Rohres erhöht, muss es länger werden, um durch mehr Fläche den nun geringeren Widerstand auszugleichen.
Die Kunst ist es jetzt, die Federhärte (das Luftvolumen) und das BR-Rohr so abzustimmen (auf die Tuningfrequenz, dass ist die Resonanzfrequenz des Rohrs), dass sich die Übertragungskurven der Membran und des BR-Rohr ergänzen. Dabei ist zu beachten, dass Membran und BR-Rohr eine Phasenverschiebung von 90° zueinander haben, das Rohr kommt also "zu spät".
Den Frequenzgang kann man in groben Zügen schon vorhersagen:
ein Masse-Feder-Mass-System kann man gedanklich aufsplitten in 2 in Reihe geschaltete Feder-Masse-Systeme. Wer meinen Post weiter oben zum Chassis und geschlossenen Gehäuse gelesen hat, der sollte jetzt wissen, dass die Schallleistung eines Feder-Masse-Systems unterhalb seiner Resonanzfrequenz mit 12dB/Oktave abfällt (System 2. Ordnung). Schaltet man nun ein zweites solches System dahinter, ergeben 12+12=24dB/Oktave, ein System 4. Ordnung.
Unterhalb der Tuningfrequenz fällt der Schalldruck also mit 24dB/Oktave ab.
Man erhält eine Gesamt-Phasenverschiebung von 360° zu dem restlichen Schall, also kommt der Bass zu spät.
Statt eines BR-Rohres kann man auch eine Passivmembran benutzen. Das ist ein Chassis ohne eigenen Antrieb, dass dann wirklich eine Masse darstellt. Das Prinzip und das Übertragungsverhalten ist das gleiche. Beim Rohr hat man aber mit unerwünschten Luftströmungen zu rechnen, die Geräusche verursachen. Um die zu verringern muss man den Rohrdurchmesser vergrößern, damit wieder das Rohr verlängern, und irgendwann ist das dann nicht mehr praktikabel. Diese Probleme hat man mit einer Passivmembran natürlich nicht.
Das waren die beiden einzig praxistauglichen Gehäusevarianten, es gibt noch Bandpässe, Hörner, Transmissionlines (TML) und was weiß ich nicht alles.
Die spielen aber nur eine untergeordnete Rolle, Bandpässe haben ein furchtbar schlechtes Impulsverhalten, Hörner sind kompliziert aufzubauen und sehr groß, TMLs sind groß und zu leise.
Also bleiben wir doch bei geschlossen oder Bassreflex, nun etwas zu Vor- und Nachteilen der beiden Varianten.
Bassreflex hat sich auf breiter Front durchgesetzt, weil sich damit aus relativ kleinen Gehäusen ein tiefer Bass bei höherem Schalldruck als bei geschlossener Bauweise erzielen lässt.
Prinzipiell lässt sich festhalten: bei gleicher Gehäusegröße ist Bassreflex einem geschlossenen Bass in Punkto untere Grenzfrequenz o. höherem Wirkungsgrad überlegen. Bei gleicher Grenzfrequenz spielt BR lauter, bei gleichem Wirkungsgrad tiefer.
Da könnte man jetzt sagen, prima, alles erledigt, wir nehmen Bassreflex, ist besser als geschlossen.
Aber wie das so mit pauschalen Urteilen ist, hat auch dieses seine Haken.
Einer ist die höhere Phasenverschiebung von 360° bei BR gegenüber 180° bei geschlossen. Daraus folgert direkt ein besseres Impulsverhalten der letzteren Variante, der Bass klingt "sauberer".
Weiter arbeitet bei BR das Chassis unterhalb der Tuningfrequenz praktisch Free-Air, seine Membranauslenkung wird also nur durch dessen eigene Aufhängung gebremst. Bei extrem tiefen Tönen und hohen Lautstärken kann das schnell zur Zerstörung des Chassis führen, soll so etwas wiedergegeben werden ist ein Subsonic-Filter nötig - ein weiteres in Reihe geschaltetes System, meist 2. Ordnung, also 360°+180°=540° Phasenverschiebung, noch schlechteres Impulsverhalten. Zusätzlich noch die erhöhten Verzerrungen (Klirr, Intermodulation) durch die große Auslenkung.
Das im geschlossenen Gehäuse eingebaute Chassis wird dagegen noch von dem eingeschlossenen Luftvolumen gebremst, es ist also mechanisch höher belastbar.
Dann gibt es bei BR noch das Phänomen der Arbeitspunktverschiebung. Die Schwingung der Membran hat seinen Nullpunkt nicht mehr im Nullpunkt der Aufhängung, sondern etwas davor. Die Folge ist eine veränderte Abstimmung und ein erhöhter Klirrfaktor. Warum das passiert kann ich nicht sagen, das Problem ist auch noch nicht lange bekannt.
So, was nun? Entweder auf Tiefbass verzichten oder schlechtes Impulsverhalten und geringere mechanische Belastbarkeit?
Im Zweifel würde ich (Achtung! Persönliche Meinung!) immer sagen: auf Tiefbass verzichten, den braucht kaum einer, ein geschlossenes Gehäuse mit einer unteren Grenzfrequenz von 50Hz reicht meist vollkommen aus.
Es gibt aber noch einen Trick, um ein wenig Tiefbass herauszukitzeln, leider mit der Verringerung der mech. Belastbarkeit:
man kann ein geschlossenes Gehäuse elektronisch entzerren, d. h. man hebt den Frequenzgang im Verstärker unterhalb der Resonanzfrequenz an, und zwar mit einem Filter, der im Bass genau reziprok zu der Übertragungsfunktion des Lautsprechers verläuft, also praktisch ein Equalizer. Bei Bassreflex ist das nicht möglich.
Das schöne daran ist, dass sich nichts am Impulsverhalten ändert, das geht aus der Systemtheorie hervor. Nur muss das Chassis nun unterhalb seiner Resonanzfrequenz natürlich noch größere Hübe ausführen.
Bei Bassreflex gibt es auch einen Trick, noch mehr Tiefbass aus einem relativ kleinen Gehäuse zu holen: man stimmt das Rohr viel zu tief ab, so ergibt sich ein Stufenfrequenzgang (hier schiebe ich vielleicht mal ne Grafik nach, wenn ich ein passendes Chassis gefunden habe). Nun schaltet man einen Tiefpass davor, der sehr tief ansetzt und die obere Stufe "abschneidet". So hat man plötzlich eine sehr tiefe untere Grenzfrequenz, aber auch einen niedrigen Wirkungsgrad, außerdem eignet sich der Trick nur für Subwoofer. Irgendwo ist halt immer ein Haken dran.
Grafik 4 zeigt den Frequenzgang im geschlossenen Gehäuse, Grafik 5 den im BR.
Das sollte erstmal langen. Was man nicht alles schreibt, wenn man nichts zu tun hat
Gruß
Morgoth