Summerbreeze schrieb:
Enschuldigung, aber das ist doch Krank.
Ein System Entwickeln um seiner selbst willen? Nur damit Informatik-Studenten und sonstige Entwickler etwas zu tun haben?
Ist doch Egal, ob das einer benutzen kann. Juckt mich nicht. Ich hab etwas zu tun und wenn ich und meinesgleichen damit klar kommen, das reicht mir.
So stellt sich mir deine Aussage dar. Finde ich ziemlich Arrogant.
Nein, da hast du etwas grundlegend falsch verstanden. Richtig ist, daß viele Entwickler die für die Plattform Unix entwickeln das in erster Linie für sich selbst und ihre Bedürfnisse tun. Passend dazu vielleicht ein Zitat von Ken Thompson, einem der Erfinder von Unix:
"Unix was built for me. I didn't build it as an operating system for other people, I built it to do games, and to do my stuff."
Das Problem das viele Menschen mit Linux (und der meisten anderen Unix-Abkömmlinge) haben ist, daß es, plakativ ausgedrückt, von erfahrenen Anwendern für erfahrene Anwender entwickelt wurde. Einfach weil die Entwickler ihr eigenes Verständnis von Computern als Maßgabe nahmen. MS Windows auf der anderen Seite wurde von einem Unternehmen explizit für den Massenmarkt entwickelt.
Ich sehe es ja an mir selbst. Meine erste Berührung mit Computern fand bei einem Bekannten statt der von seinen Eltern einen C64 bekommen hatte. Daran spielten wir stundenlang. Als nächstes kam dann Jahre später ein alter IBM AT mit MS DOS 3.3 (das waren die Maschinen mit eingebautem ROM-Basic) und noch etwas später mein erster Computer mit GUI, ein Amiga 2000. Das sollte dann auch für lange Zeit mein Hauptsystem sein. In der Schule kam dann noch im Computerkurs Windows 3.0 und 3.11 for Workgroups. Noch später kamen weitere Windows-Versionen einschließlich Windows NT 4.0 dazu. Schließlich kam ich dann mit Linux in Form von Debian Potato in Berührung und seitdem hat mich Linux nicht mehr los gelassen.
Das Problem ist, wenn man eine so lange Zeit verbracht hat die verschiedensten Systeme zu bedienen, dann gewöhnt man sich wahrscheinlich eine bestimmte Art an mit Computern umzugehen. Man könnte es auch eine bestimmte Art des Denkens nennen. Ich stelle jedenfalls immer wieder fest, daß ich wenn ich "normalen Anwendern" etwas erklären soll erst einmal selbst umdenken muß. Dinge und Verhaltensweisen die für mich vollkommen selbstverständlich sind, sind für diese Anwender eben alles andere als das.
Summerbreeze schrieb:
Es ist aber schon so, das man auf Linux (Egal welche Oberfläche) für totale Banalitäten, je nach Desktop, verhältnismäßig oft ans Terminal muss. Wenn man es irgendwann gewohnt ist, ist es nicht so schlimm aber oft leider eigentlich unnötig.
Genau da kommt das zum Tragen was ich eben versucht habe zu beschreiben. Für Menschen wie mich ist das Terminal einfach eine Erweiterung der Benutzeroberfläche. Ich benutze es weil viele Dinge damit einfach sehr viel effizienter gehen. Natürlich könnte ich mein System auch mit einem GUI-Programm aktuell halten, aber mir fällt einfach kein Grund dafür ein es so zu machen. Sehr viel schneller habe ich in einem Terminal (das im Dock ohnehin nur einen Click entfernt ist) ein "apt update" gefolgt von einem "apt full-upgrade" eingetippt. Ja, ich muß mir vorher noch root-Rechte geben und vor der endgültigen Bestätigung nachsehen was das System denn so alles anstellen will, aber ich sehe einfach keinen Grund ein GUI-Programm zu nehmen wenn ich genauso schnell ein paar Befehle eingeben kann. Auch andere Dinge wie z.B. das schnelle editieren kleiner Konfigdateien gehen im Terminal vielfach schneller oder wenigstens genauso schnell.
Der Nebeneffekt ist, daß ich Dinge einfach viel bewußter mache. Wenn ich im Terminal als root unterwegs bin weiß ich einfach, daß ich mir genau darüber im klaren sein muß was ich da gerade tue. D.h., ich muß vorher überlegen ob der nächste Befehl, den ich ja direkt vor mir sehe, irgendwelche unerwünschten Effekte haben kann. Bei einem GUI drückt man einfach nur auf einen Knopf. Wollen sie wirklich all ihre Daten zum Teufel jagen? Jo, passt scho...
Es handelt sich hier einfach um zwei vollkommen verschiedene Bedienphilosophien. Sehr viele Menschen die von Windows kommen erwarten, daß Linux genau so funktioniert wie Windows. Und wenn sie dann feststellen, daß das nicht der Fall ist werfen sie Linux Benutzerunfreundlichkeit vor. Es ist letztendlich wie mit dem erlernen einer fremden Sprache. Natürlich kann ich mich darüber beschweren, daß die Sprache die ich gerade lernen will oder soll unnötig schwierig ist. Nur werde ich mit keiner Beschwerde erreichen, daß die Sprache plötzlich anders funktioniert nur weil ich das gerne hätte.
Das Problem der fehlenden Scrollfunktion der mittleren Maustaste ist auch wieder so ein Unterschied zwischen Windows und Linux. Zum einen ist diese Funktion unter Linux abhängig von der jeweiligen Anwendung, zum anderen erfüllt die mittlere Maustaste (zumindest unter Debian) meist eine völlig andere Funktion. Mit der linken Maustaste kann man per Maus markierte Texte in die Zwischenablage kopieren um sie mit der mittleren Maustaste einzufügen. Das ist unter anderem bei der Nutzung des Terminals sehr nützlich wenn man eine Befehlszeile die man im Internet gefunden hat einfach nur per Maus ins Terminal kopieren muß. Vielleicht noch kurz anpassen und wenn alles in Ordnung ist die Befehlszeile ausführen lassen. Zum Scrollen nimmt man Mausrad, Page Up/Down oder die Cursortasten.
Zum Schluß noch ein altbekanntes Zitat. Man sollte es nicht zu ernst nehmen, aber es steckt mehr als ein Körnchen Wahrheit darin:
"Unix is user-friendly — it's just choosy about who its friends are."