@Postman Ich bin Deiner Meinung.
Wir haben da leider ein großes Problem in Deutschland bzw. eigentlich in vielen westlichen Industrienationen. Für die "Führungsebene" (kommt auch nicht mehr von "führen", sondern wird abgleitet von "herrschen") zählen die kurzfristigen "Erfolge" der nächsten 5 Jahre (unseren jährlichen $Bonus$ gib uns heute und vergib uns unsere Unfähigkeit, denn bis das jemand merkt, sind wir schon woanders
) viel mehr als ein langfristiger Erfolg des Unternehmens. Gerät das Unternehmen in Schieflage werden extrem teure Berater von McKinsey & Co einbestellt und kommen in 95% der Fälle zu dem Ergebnis, dass wahlweise Personal abgebaut oder in Billiglohnländer umgeschichtet werden muss. Natürlich sagt der Unternehmensberater nicht, dass die Managementebene das eigentliche Problem ist, weil sie evtl. zu groß / zu teuer / zu unfähig ist, denn wer beißt schon die Hand, die ihn füttert. Ich frage mich, wie kurzsichtig die hochgebildeten und intelligenten Manager eigentlich sind. Wenn alle Firmen ihre Leibeigenen erfolgreich in Billiglohnländer transferiert haben und hier in Deutschland entweder die Job-bedingte Landflucht oder die Massenarbeitslosigkeit grassiert, wer kauft denn dann noch die Produkte, die die Firmen der Manager herstellen? Unsere Autoindustrie weiß doch ganz genau, dass es nicht die S-Klassen, 7er BMWs, A8, Passat / Touareg etc. sind, die die großen Margen erzielen und zum Erfolg der Marke beitragen, sondern der Golf, die 3er BMWs, A/B/C-Klassen etc. Was wenn sich die auf einmal keiner mehr leisten kann und es keine Mitarbeiter mehr gibt, deren Arbeitsplätze die Chefs ins Ausland transferieren können? Wie senkt man dann die Kosten? Wird dann das untere Management nach Indien abgeschoben? Als wäre diese ganze Gier nach immer mehr nicht schon schlimm genug, kommen dann auch noch die Aktionäre ins Spiel. Für die zählt nur der Gewinn und der muss immer steigen, schon Stagnation wird abgestraft, egal wie schwierig die Marktsituation gerade ist. Klar, beim Börsengang profitiert ein Unternehmen kurzfristig vom Geldregen, der gegen Eigenständigkeit eingetauscht wird, aber wenn das Unternehmen nach Jahren nicht mehr wie gewünscht performt, sind es meist Aktionäre oder Hedgefonds, die die Aktien bereits aus 2. oder 3. Hand gekauft haben und damit nichts mehr für das Unternehmen getan haben, die letztlich über das Schicksal 1000er Angestellter bestimmen.
Mir tun die beinahe-Kollegen von T-Systems leid, die jetzt für die Fehler ihrer Chefs büßen dürfen. Ich selbst arbeite in der IT bei einem der vielen Tochterunternehmen eines ehemalig großen deutschen Stahlkonzerns, der momentan quasi führerlos durch die Gegend taumelt (aber hey, auch wenn der Chef den Hut nimmt, kann er sich ja über eine Abfindung von ein paar Millionen freuen
). Vor ein paar Jahren gab es da mal ein Projekt, die IT der weit über 100 Tochterunternehmen zu bündeln und gleichzeitig teilweise an T-Systems abzutreten. Warum sollte man bei so einem Mammutprojekt auch Konsolidierung und Outsourcing nacheinander machen!? IT ist für Manager ja immer ganz einfach, hat ja jeder einen Rechner zu Hause und wenn ich mir einen bei Saturn kaufe, funktioniert der ja auch. So schwer kann das also alles ja nicht sein. Zu meinem Glück ist das gescheitert (wurde Anfang des Jahres dann auch öffentlich in der Presse beerdigt), überrascht war hier aber niemand darüber
. Ausgestanden ist die Sache bei uns natürlich noch lange nicht, allerhöchstens verschoben.
Ob wohl mal ein Berater auf den Gedanken kommt, dass die 500 Mio jährlichen Personalkosten, die die Konzernzentrale in Essen verschlingt, die als einziger Unternehmensteil keinerlei produktive Wertschöpfung betreibt, vielleicht zu viel sind? Das bleibt wohl eine frommer Wunsch...
Zum Glück ist der IT-Markt im Moment alles andere als gesättigt. Daher hoffe ich, dass ein Großteil der Mitarbeiter schnell eine neue Stelle findet.
Vielleicht kann mir die Frage mal jemand beantworten: Wird man eigentlich zum unsozialen Egomanen, sobald man Chef wird oder ist das ein Einstellungskriterium? Ich meine 80k (sogar bis zu 100k, bei einer 35 Stunden Woche, nachzulesen in den ERA-Entgelttabellen 2018) sind bei uns auch als IT-Angestellter ohne Führungsposition problemlos möglich. Was ich mich dann immer selbst frage ist: würden mich 40k mehr im Jahr so verändern, dass ich meine Prinzipien und Werte komplett über Board werfe? Ich will es nicht hoffen, und wenn doch, dann gibt es hoffentlich einen, der mir gehörig die Meinung geigt.