Das Thema Ukraine hat sehr wohl etwas hier verloren. Die Ukraine ist kein NATO-Partner, andere osteuropäische Staaten hingegen sehr wohl. Wenn Putin sich nicht lumpen lässt, und mal eben die Ukraine mit Tod und Verwüstung überzieht (tja, und wie sonst soll man seine Aussagen und Handlungen deuten?), denkst du, der lässt dann die Finger von Litauen & Co? Spätestens hier greift unsere Bündnispflicht.
Es ist also von Vorteil, ihm bereits in der Ukraine einen Dämpfer zu verpassen. Einerseits hilfst du damit der Ukraine und gibst ihr eine FAIRE Chance, sich für einen Weg zu entscheiden. Andererseits kommt es dann nicht soweit, dass wir tatsächlich unseren NATO-Partnern beistehen müssen.
Abgesehen davon, dass "seine Handlungen und Äußerungen" gerne von diversen Medien wie auch einigen Politkern einseitig und verzerrt dargestellt werden (Stichwort: Staatlichkeit vs. staatlicher Status der (Ost-)Ukraine, Fehlübersetzungen durch Agenturen, die ihre Nachrichten ewig lang nicht korregieren; Barroso, der aus vertraulichen Gesprächen einen Teil rausreißt, um ein Trara lostreten zu können [und kein Schwein steht auf und fragt nach, wo denn der Sinn bei so einer Drohung sein soll ...], ständige Behauptung, Putin sei mental gestört [ebenfalls eine Fehlinterpretation angelsächsischer Medien bzgl. einer Aussage Merkels [soweit mir bekannt], etc.):
Außer irgendwelchen rechten Falken in Moskau (denen deine Forderungen nur in die Hände spielen), hat Russland wie auch die moderate Gruppe um Putin herum defintiv keinen Vorteil davon, sich an das Baltikum oder die Ostukraine heranzumachen. Und nicht nur, dass es dort nichts gibt, was die Russen nicht eh schon haben, nein, es würde einen Haufen an Problemen (wirtschaftlich, militärisch, geostrategisch) nach sich ziehen. Ergo lassen die das bleiben, sofern man sie nicht mit sturem und stellenweise an Realitätsverweigerung grenzendem Oberlehrer-Züchtigungs-Duktus in diese Ecke reintreibt. Insofern ist dieses Bedrohungsszenario selbst geschaffen und - was noch wichtiger ist - selbst wieder eindämmbar, indem man sich an einen Tisch setzt und auf diese ganze erbärmlich heuchlerische mediale Schaumschlägerei verzichtet.
Nur weil in vielen Medien Leute, die von Russland nur sehr oberflächlich Ahnung und noch viel weniger Interesse am Land selber haben (aber sich dennoch anmaßen, die wildesten Urteile zu fällen), irgendwas schreiben, heißt das nicht, dass dem auch so ist. Egal, ob das nun eine Tunnelblickbetrachtung der Ereignisse am Maidan, die Ausblendung der ganzen Vorgeschichte bzw. bestimmter Abläufe damals oder schlecht übersetzte Äußerungen angeht.
Insofern: ja, bei einem hypothetischen Angriff auf das Baltikum würde die Bündnispflicht greifen, sowohl die der NATO als auch die (schwächere) der EU. Nur: wer ist so selten blöd, dass er - der angeblich ja halb Osteuropa annektieren (hier ist der Begriff im Gegensatz zur Krim mE richtig verwendet) will - monatelang heurmtrödelt, sodass das größte Ass des Überraschungsmomentes verloren geht? Wer würde bei so einem Vorhaben die große Entlassungswelle in der Armee im Frühjahr abwarten (große Truppenteile wurden da durch neue Wehrpflichtige ausgewechselt)? Ich mein ja, sowas steht weder in FAZ, Bild, Zeit oder sonstwo, aber das ändert dennoch nichts an der Realität. Ich halte daher dies ständige Gerede von Bedrohungsszenario für hysterisch, selbstgerecht und entweder dumm oder heuchlerisch.
Und "Faire Chance": wer hat den auf Janukowitsch Druck ohne Ende ausgeübt, damit er das Abkommen mit der EU unterschreibt? Die westlichen Staaten haben da den Russen in Vehemenz um nichts nachgestanden. Eine echte "faire Chance" wäre es gewesen, wenn man sich einfach an des Abkommen mit Janukowitsch, Steinmeier und Lawrow gehalten hätte, anstatt irgendwelchen Coupisten die Anerkennung nachzuschmeißen. Dann hätte es Wahlen geben können, wo alle mitwählen, wo alle in der Ukraine mitentscheiden hätten können.
(Der Post ist nicht als Angriff auf dich gedacht, aber bei der Menge an Einseitigkeit bei der Situationsbetrachtung, die du da praktizierst halte ich es für notwendig, hier auch den Rest der Geschehnisse ebenso zu schildern.)