Es gibt Regelungen und Gegenmaßnahmen für die meisten erwähnten Probleme. Die Theorie klingt in meinen Ohren gut, alleine in der Praxis scheitert es an zu wenig Kontrollen und zu vielen Lücken, durch die der Arbeitgeber schlüpfen kann. Da wird getrickst bis zum Erbrechen. Küchenhilfen werden so oft wie erlaubt auf ein halbes Jahr befristet eingestellt und danach stellt man die exakt gleichen Leute wieder über eine "Service-Firma" ein. So ein Vorgehen müsste konsequent gemeldet und bestraft werden. Leiharbeit sollte nur noch in Branchen erlaubt sein, wo die benötigte Anzahl der Arbeiter wirklich stark schwankt und sie müsste auch stärker auf einen bestimmten Anteil der Gesamt-Belegschaft begrenzt sein. Auch hier, müsste man konsequenter die Trickserei bestrafen. Z.B. kauft man eine kleine Firma im Osten auf, beschäftigt die neuen Arbeiter dann bei denen und hat noch den zusätzlichen Vorteil den Ost-Tarif zahlen zu können. Die Betriebe sind teilweise zu solchen Vorgehensweisen gezwungen, da man sonst nicht mehr konkurrenzfähig ist. Wenn ein großer am Markt in einer Branche damit anfängt, müssen die anderen nachziehen. Daher muss da von staatlicher Seite ein Riegel vorgeschoben werden. Genauso bei den Umständen bei den Discountern und allgemein im Einzelhandel.
Durch diese Zerpflückung der Belegschaft in Leiharbeiter und befristet angestellte, lähmt man auch effektiv das Bestreben sich in Gewerkschaften zu organisieren, die das eigentlich immer geeignete Mittel darstellten, um zu verhindern zu jedem Lohn arbeiten zu müssen.
Der Grundkonflikt bei alle dem - und die Frage zur gewollten Krise - ist nämlich ob diese zurecht gewollt ist, durch unsere Politik und durch die Wirtschaftsbosse. Ob diese notwendig ist, um die Arbeitskräfte zu einem für die deutsche Wirtschaft verträglichen Niveau bezahlbar zu machen. Nach deren Empfinden. Ich schließe mich ja Nossis Verdacht an, dass dies alles bewusst geschieht, was man aber natürlich dem Volk möglichst verheimlichen muss, um nicht doch plötzlich Aufstände auszulösen.
Man könnte es sich ja einfach machen und einfach überall einen Mindestlohn festlegen. Die einzige Sache die dem entgegensteht, ist das bestehen Deutschlands, oder weitergedacht Europas, am Weltmarkt. Hinter alledem steht ja die langfristig befürchtete Schwächung unserer Weltmarktstellung, von Osten her. Beim Thema Währungsunion gibt man ja zu, dass dies der Grundgedanke ist, aus dem heraus der Euro eingeführt wurde und unbedingt erhalten werden muss.
Vielleicht ist unser Problem einfach, dass das Zusammenwachsen der Märkte und die Geschwindigkeit mit der sich die Dinge entwickeln, also auch die immer stärker werdende Konkurrenzsituation aller Teilnehmer des Weltmarktes, so an Komplexität gewonnen hat, dass selbst die klügsten Köpfe der Welt nicht mehr die Ursache und Wirkung verschiedener Elemente einschätzen können, und auch nicht mehr eine langfristige Planung auf die Reihe bekommen. Wir genießen die Vorteile der Globalisierung und werden nicht mehr Herr der Nachteile. Dass dies doch wieder gelingen könnte, wird durch gegenseitiges Misstrauen und Futterneid verhindert. Aber was nützt es jetzt zynisch zu werden, wie der Kollege im Demografiewandel-Thread und deshalb die halbe Menschheit ausrotten zu wollen? In meinen Augen sollte man sich darauf konzentrieren die Arbeit auf der ganzen Welt durch Technik und Bildung effektiver zu machen, damit der Wohlstand weltweit steigt und die Tragkraft der Erde möglichst hoch zu bekommen. Und dabei noch so ressourcen- und umweltschonend wie möglich vorgehen. Dann streitet man sich etwas weniger wegen der Umverteilung des Wohlstandes. Es wird nämlich umso unruhiger an den Grenzen von "Reich zu Arm", je größer das Gefälle wird. Den Reichen deshalb unendlich viel wegzunehmen, bringt in meinen Augen deutlich weniger, als die Armen reicher zu machen. Und dabei rede ich von Ländern und Kontinenten, nicht von Oberschicht und Unterschicht in den Industrienationen.
Das ist jetzt etwas weit hergeholt/ausgeholt, aber alles anderen, als das Problem an der Wurzel zu packen, führt nur dazu das wir uns im Kreis drehen, kleine Tröpfchen auf die kochenden Felsen zu spritzen und uns gegenseitig zerfleischen. Und die Neid-Problematik und der Kampf um die Umverteilung des Kapitals wird immer weitergehen, egal in welchem System, da der Mensch einfach nicht gerne sieht, dass der Nachbar mehr hat als man selbst. Nicht, wenn er sich mehr dafür anstrengt, aber schon gar nicht, wenn er gleich viel leistet, aber mehr hat wegen besserer Voraussetzungen.
Um nochmal ein Beispiel zu bemühen: Der reiche Nachbar hat 3 Kühe, ich nur eine. Jetzt können wir versuchen uns gegenseitig die Kühe zu wegzunehmen, bis ich am Ende nur noch von seiner Milch und seinem Käse lebe und dafür den ganzen Tag für ihn schufte, oder ich ihm eine Kuh mit Gewalt abgenommen habe und er sich damit anfreunden muss. Ohne Gewalt geht mit meine Kuh an ihn, denn Kapital hat ja bekanntlich eine gewisse Gravitation. Mit Gewalt (Rebellion, Kommunismus und einiges anderen, könnten die Gewalt darstellen, mit der ich dem Reichen die Kuh nehme), bin ich darauf angewiesen dem Nachbarn körperlich überlegen zu sein. Es kommt zu unnötigen Beschädigungen der Personen.
Ich fände es gut, wenn der Nachbar mir mitteilen würde wie er zu den 3 Kühen gekommen ist und mir mich in Viehzucht unterrichtet. Er leiht mir eine Kuh, damit ich das Züchten anfangen kann.
Dass das Musterbeispiel Afrika nicht so einfach zu Europa 2.0 wird, ist mir klar. Aber keiner hat gesagt, dass es einen einfachen Weg gibt. Aber wie gesagt, unterschiedliche Kapitalverteilung führt immer zu Ärger wenn das Gefälle zu groß wird. Und wir haben mit der Globalisierung, Demografiewandel in einigen reichen Ländern und anderen Dingen, einfach Faktoren, die die Umverteilung von Kapital von unten nach oben beschleunigen und fördern.
Also nachdem ich von euch Lösungsvorschläge verlangt habe und schon gemutmaßt wurde, wer hier wessen geistes Kind ist und welche Ideolgie und Zielsetzung hinter unseren Meinungen vorborgen liegt: Dann muss ich wohl antworten, dass ich der Überzeugung bin, dass das "Böse", was die Kapitalismus-Gegner beseitigen wollen, eigentlich keine Schwäche des Kapitalismus ist, sondern einfach ausdruck menschlicher Schwächen ist. Neid, Rücksichtslosigkeit und Kurzsichtigkeit. Ich behaupte, dass diese Probleme in anderen Staats- und Wirtschaftsformen langfristig gleich stark zum Ausdruck kämen. Einem Gleichgewicht kämen wir am nähsten, wenn wir den Ärmsten der Welt, auf das Niveau der deutschen Unterschicht von vor 10-15 Jahren bekämen. Ob dies durch technischen Fortschritt und weltweite Bildungsförderung zu erreichen sein könnte, egal wie fern diese Zukunft liegen mag, weiß ich nicht. Ich hoffe aber, dass man sich diesem Zustand so weit wie möglich annähern kann.
Das und nur das würde zu weniger Bengalos in deutschen Fußballstadien führen.