Ich habe mit als langjähriger Elternvertreter mit dem Thema "Digitalisierung" in der Schule ausgiebig beschäftigt. Ich war natürlich auch während der insgesamt ~9 Monate Fernschule auch für Feedback und Organisation mitverantwortlich. Bitcom hat wenig bis gar keine Erfahrung in Schulen und die gestellten Frage hören sich erst einmal logisch an als jemand "Nicht-vom-Fach" haben aber wenig Relevanz für den Schulalltag.
Das Gymnasium der Kinder war bereits bevor in einem Projekt "TabletBW", welches in der 8. Klasse Tablets als Leihgabe der Schule hatte und dann gezielt im Unterricht eingesetzt werden sollte. Dazu gab es eine wissenschaftliche Begleitung und Studie, die die Ergebnisse feststellen sollte. Diese liegt leider noch nicht vor. Im Rahmen diese Projekts hatte die Schule auch voll auf Microsoft und Androidtablets gesetzt, dh hier gibt es Erfahrung auch im Kollegium vor Corona. Der Schulträger ist auch eine finanziell starke Stadt, dh die Stadt überweist das doppelte, was laut Kultusministerium der Schule je Schüler zuweisen muss. Dazu kommt, dass die Schule in den letzten Jahren renoviert wurde und auch vor Corona Netzwerkinfrastruktur kräftig ausgebaut hatte. Dazu kommen noch knapp 300 Schullaptops, die aktuelle Hardware sind und für den Unterricht neben den Computerräumen benutzt werden können.
Das Feedback der LehrerInnen und SchülerInnen (hier gab es einige Konferenzen dazu) war, dass es sehr auf das Fach und die Lehrperson ankommt, ob der Einsatz einen digitalen Geräts etwas bringt. Hier kann eine Mehrwert entstehen, muss aber nicht. Und ja, Androidtablets sind nicht zu gebrauchen. Hier wurde recht schnell auf Laptops zurückgegriffen. Durch den hohen Stand an Digitalisierung vor Corona war Fernschule technisch kein Problem und nach einigen Wochen "Einarbeiten" lief das reibungslos. SchülerInnen ohne eigene Hardware konnten sich kostenlos die Geräte von der Schule ausleihen, bei Elternhäusern ohne stabiles Internet konnte diese auch in der Schule in einzelnen Räume sein.
Und hier sieht man schon das erste Problem: das Internet muss zu Hause gehen um Hausaufgaben, Projekte und Stundenplan zu machen bzw zu haben. Das ist nicht überall gegeben - das kann einfach lokale schlechte Leitungen sein als auch der Geldbeutel. Das eigene Gerät als Unterrichtsmittel darf es nach Gesetzeslage in Baden-Württemberg eigentlich nicht geben.
Hier gibt es Lernmittelfreiheit, dh hier wird alles Material für den Unterricht aus Gleichstellungsgründen und Vergleichbarkeit der Leistungen vom Land gestellt. Bücher und Arbeitshefte werden durch den Träger bezahlt. Bei 3-5 Jahren Nutzungsdauer je Buch, jährlich voll geschriebenen Arbeitsheften und knapp 1000 Schülern kommt da schon fast ein sechsstelliger Betrag raus. Schulbücher sind immer noch wichtige Lernmittel und können nicht einfach ersetzt werden.
Schön wäre, dass mein Sohn die 20kg Bücher in der Schule lassen könnte und dafür zu Hause nur digital seine Aufgaben dort raus lösen muss - aber nein - deutsche Schulbuchverlage sind eine große Abzocke und digital unorganisiert. Von deutschen Verlagen bekommt man auch keine reinen digitalen Bücher und wenn doch, verfällt die Lizenz meist nach einem Jahr und man muss zum gleichen Preis wie ein Buch nachkaufen. Oder das Lehrbuch kann 5 Jahre verwendet werden und die digitale Kopie ist nach 2 Jahren weg, weil deren Lizenzserver gestorben ist. Ich kann mich nicht mehr an den Verlag erinnern, aber das war echt nervig. Hier kann man als liquide Eltern teilweise nicht mal dagegen ankämpfen, wenn man das Geld ausgeben will.
BringYourOwnDevice (BYOD) ist aus dem gleichen Grund schwierig. Solvente Eltern vorausgesetzt, muss man trotzdem ein MDM auf privaten Geräten installieren aus rechtlichen Gründen. Wie auch hier schon erwähnt von anderen Forenmitglieder muss aus Datenschutzgründen zB die Kamera und das Mikrofon ausgeschaltet werden, Datenverbindungen unterbrochen usw.
Das heißt, alles muss vom Träger bezahlt werden. iPads, Software, Bücher, Ersatz, Wartung und Servicetechniker belaufen sich leicht auf das dreifache pro Jahr nur um auf den gleichen Stand wie mit Buch und Stift zu kommen. Einmalig sind das alle keine großen Posten und werden vom DigitalPakt gut aufgefangen - die laufenden Kosten bringen insolvente oder knappe Kassen der Träger um. Solange die Finanzierung der Schulen in Deutschland so weiter geht, wie es jetzt ist, wird man hier eine enorme Schräglage bei der Gleichheit der SchülerInnen und deren Bildung haben - eher verschärfen als verbessern.
Geräte gehen leicht kaputt (das sind halt Kinder, die werfen die Schultasche schon mal 5m zum Spaß) und müssen schneller ersetzt werden, als das iPad auf der heimatlichen Couch. Dazu dann noch die Stifte für das Gerät, die Ladegeräte in der Schule (weil dann kommt die Klasse ohne geladene Geräte zur Schule - 30 min Stundenausfall
) und vom gelegentlichen Liegenlassen oder Diebstahl. Ich würde vom Kompletttausch alle drei Jahre ausgehen.
Vom haptischen Gefühl und Lernerfolg, was insbesondere für U12 wichtig ist, will ich nicht erst anfangen. Die LehrerInnen haben als Feedback nach der Fernschule gegeben, dass idR erst mit SchülerInnen ab Klasse 8 wirklich digitales Lernen möglich war.
Digitalisierung an der Schule geht halt deutlich weiter als WLAN. Das ist im Notfall schnell gebaut.