Tss, es gibt 4 Problemfelder in dem ganzen Bereich:
1. Beschaffung. Musste gerade locker 100 Stunden meiner Freizeit (=unbezahlte Überstunden) opfern, um eine EU-weite Ausschreibung im Umfang von 250.000 für 50 digitale Tafeln anleiern. Die Gelder kommen aus dem Digitalpakt, der mich auch locker 200 unbezahlte Überstunden gekostet hat. Die Ausschreibung wurde nach Abschluss und Zuschlag rechtlich angefochten von einem Unternehmen und jetzt ist alles locker ein Jahr in der Schwebe. Außerdem sagt das Beschaffungsamt, dass dieses Unternehmen, das eigentlich die Ausschreibungskriterien nicht erfüllt (bestimmte Zertifikate, Software, Geräteverwaltung) wohl trotzdem den Zuschlag bekommen wird am Ende. Wir bekommen also Geräte, die wir gar nicht wollen.
Den Scheiß mache ich nie wieder. 300 Stunden unbezahlte Überstunden, keine Unterstützung vom Schulträger (Bundesland) und der Witz ist, dass das jede Schule machen muss, anstatt den Aufwand zu bündeln. Wegen dieser Ereignisse bin ich dabei, mich nach beruflichen Alternativen umzusehen, sowas mache ich nie wieder mit.
2. Wenig pädagogische Konzepte für die sinnvolle Einbindung der technischen Geräte. Mit der Anschaffung von 200 Tablets und 50 Beamern/digitalen Tafeln ist die Sache nicht getan. Sie müssen im Unterricht auch sinnvoll eingesetzt werden. Klar, man kann, wenn alle im WLAN sind (was auch eingerichtet und administriert werden muss, ihr hört die unbezahlten Überstunden ticken), die Arbeitsergebnisse easy vorne screen mirrorn. Das ist jetzt aber noch kein digitales Konzept. Es gibt zwar tausend digitale Tools (Canva, simpleshow Videos, kahoot usw), aber erstens müssen dafür aufwendig Lizenzen organisiert und verwaltet werden (tick, tick, tick) und zweitens muss man sich in diese Tools einarbeiten, um zu erkennen, wo diese sinnvoll im Unterricht eingesetzt werden können. Es gibt zwar ein paar Schulungen dazu, aber die Beispielmaterial wäre durchaus sinnvoller. Da rührt sich leider nix.
3. Eng mit 2. verbunden: Schulung des Kollegiums. Wenn man Glück hat, ist das Kollegium einigermaßen aufgeschlossen und nicht per se technikfeindlich. Trifft letzteres ein, hat man eigentlich schon verloren und kann eigentlich gar nichts machen, weil alles torpediert wird (ist in der freien Wirtschaft aber genauso, bevor jemand hier auf die Lehrer schießt: Bosch/Siemens Hausgeräte arbeitet in der Technik-Test Abteilung wo sie 2000 Geräte rund um die Uhr laufen lassen mit Zettel und Stift und die Wäsche und das Geschirr wird von Hand ein- und ausgeräumt).
Ist das Kollegium aufgeschlossen, muss man trotzdem erstmal Fortbildungen organisieren. Wie bediene ich die digitale Tafel, was kann ich mit Canva machen, wie kann ich die Daten aus meiner Cloud/von meinem Stick dort schnell abrufen, wie können sich SuS schnell mit der Tafel verbinden, welche Zertifikate müssen sie herunterladen, um mit Android in WLAN zu kommen usw. Eine Schulung reicht da nicht, das wird nur verinnerlicht, wenn es routinemäßig angewendet wird. Leider ist der Alltag der Lehrkräfte schon so vollgepackt mit anderem Kram (Anträge, Konferenzen, Elternabende, Klassenfahrten, Schulversäumnisanzeigen, schulinternes Curriculum erstellen, Klassenrat, regulärer Unterricht - was mittlerweile der kleinste Teil ist - dieser wird differenziert in leistungsstark, normal, hilfsbedürftig und lernbehindert, natürlich möglichst viel selbstorganisiertes Lernen/aktivierend/Gruppenarbeiten/alltagsnah usw)
4. Die SuS selbst. Digital natives my ass. SuS sind bei der Bedienung von Technik im Durchschnitt schlechter als die mittelalte Kollegium. Es ist etwas anderes ob man vor 15-20 Jahren mit der Bedienung von Computern aufgewachsen ist (Win95-Win Vista) oder ob man erst vor 5 Jahren mit Technik in Berührung gekommen ist. Die Benutzerführung ist heute dermaßen einfach, dass die meisten SuS damit überfordert sind, wenn sie nicht das IG/TikTok whatever Symbol anklicken können. „Ich kann meinen Bildschirmhintergrund in Windows ändern? Wie?“ bis zu „ich schicke hier einfach mal die Keynotes-Datei an Lehrer XY, weil ich nicht weiß, wie man sie in PDF konvertiert“. Klar, es ist die Aufgabe der Lehrer, den SuS das beizubringen, aber die Liste an Lehrinhalten wird jedes Jahr länger, es wird aber nichts weggestrichen. Die anderweitigen Verpflichtungen steigen immer mehr.
Zusammenfassend: Hier schrieb jemand, dass der Föderalismus Schuld sei, weil das zusammenhängende Konzept fehlt. Ich glaube, das ist sehr nah an der Wahrheit. Jede Schule ist auf sich allein gestellt, was die technische Ausstattung angeht, dabei laufen tausende unbezahlte Überstunden an (oder es passiert einfach gar nichts), der Frust steigert sich extrem. Dann gibt es kaum pädagogische Konzepte, wie die Technik im Unterricht eingesetzt werden kann. Dabei geht es schon damit los, erstmal Lehrern die Bedienung zu verinnerlichen, damit diese es dann den gar nicht so technikstarken SuS beibringen können. Eine Art Techniklehrplan, ein Gesamtkonzept, ein gemeinsamer Nenner wäre hier wirklich ganz schön. Momentan hängt die Digitalisierung der Schule (und damit des Alltags) am Aufopferungswillen einiger noch nicht völlig desillusionierter Lehrkräfte fest. Das kann es irgendwie nicht sein, ist politisch aber gewollt.
100 Milliarden für die Bundeswehr werden easy rausgeballert, die 6Mrd aus dem Digitalpakt, die vor ein paar Jahren als Riesendurchbruch bei der Modernisierung des Schulsystems gefeiert wurden zeigen doch, wo die politischen Prioritäten liegen. Von den 6Mrd hat unserer Schule 350.000€ bekommen, was lächerlich gering ist. Trotzdem haben wir davon 230 Rechner, 230 Bildschirme, 50 digitale Tafeln (theoretisch) und 100 Tablets (mobile Klassenzimmer) beschafft. Dem zugrunde liegen aber mindestens 500 unbezahlte Überstunden von verschiedenen Kolleginnen und Kollegen.