Smartin schrieb:
Abgesehen davon ist es unverantwortlich, Kinder in die Welt zu setzen, wenn man sich nicht mal selbst versorgen kann.
Ganz klar die Sicht eines Wohlstandskindes ... ich sehe das genauso (aber das war nicht der Grund, weswegen ich keine Kinder in die Welt gesetzt habe).
Befeuert wird diese Sicht durch die Bequemlichkeiten unseres Sozialstaates ... vor allen durch ein Rentensystem.
Wie sah die Altersvordsorge deiner Urgroßeltern aus (oder noch weiter zurück)?
Zumindest in meiner Sippe waren 7 oder 8 Geschwister keine Seltenheit ... und bis zum 1. Weltkrieg hat sich daran auch nicht wirklich was geändert ... die weihmarer Republik hat die existierenden sozialen Sicherungssysteme stark ausgebaut und neue geschaffen ... und nur deswegen ist es in Deutschland um 1970 normal gewesen, nur 1 oder 2 Kinder in der Familie zu haben.
Viele in meiner Generation (Jahrgang 1973) hatten maximal 2 Geschwister (meist waren es weniger, viele waren Einzelkinder ... Einzelkinder bedeuten negatives Bevölkerungswachstum). Die Gründe dafür liegen im sogenannten "Pillenknick" aber auch darin, dass sich die deutsche Familienplanung um die Alten keine Sorgen mehr machen musste ... die waren durch die staatlichen Systeme "ausreichend" (subjektiv - daher die Anführungsstriche) versorgt.
In Afrika hast du noch eher die Situation, die es hier seit nunmehr 100 Jahren nicht mehr wirklich gibt ... die Situation wird von einzelnen Ethnologen beschrieben (z.B. von Bourdieu) und der Kinderreichtum dient neben der Altersversorgung (viele Arbeitskräfte in der Familie) eben auch der Netzwerkarbeit (siehe dazu G. S. Rubin: "trading in women"), und damit einem weiteren Sicherungsnetz, welches auch für Deutsche vor knapp 150 Jahren noch relativ normal war (inkl. verabredete Ehen).
Es ist noch garnicht so lange her, da hatten auch die Deutschen noch ein starkes Bevölkerungswachstum ... aus recht ähnlichen Gründen, wie das heute in Afrika der Fall ist.
In Asien sieht man eher die Bevölkerungsexplosion durch Industrialisierung und forcierte Verstädterung ... auch das gabs in Europa ab 1850 überall (man schaue sich allein mal die Bevölkerungszahlen von Berlin, Hamburg, München oder Essen zwischen 1800 und 1900 an).
Genau das passiert momentan in weiten Teilen Asiens ... es ist Teil dessen, was man allgemein als "Entwicklung" bezeichnet ... China (und andere) nehmen den gleichen Weg aus der "Unterentwicklung", den auch Europa nahm.
Ist das nötig? Wahrscheinlich nicht ... aber es hat in Europa recht erfolgreich funktioniert ... der Raubbau, der momentan in China passiert (und China zu einem global Player gemacht hat) ist ein Kulturimport aus Europa.
Und tatsächlich war Europa um einiges krasser ... die Folgen sind nur deswegen nicht so heftig, weil die Europäer eben nichtmal 20% der Weltbevölkerung stellen. in Asien leben über 50% ... natürlich ist das schlimmer, wenn die nun exakt den gleichen Weg zum Wohlstand beschreiten, den wir vorgelebt haben.
Und Trotzdem: Daraus den Asiaten und Afrikanern einen Vorwurf zu basteln, ist ein bisschen wie "Wasser predigen und Wein saufen". Die orientieren sich am angeblich weltbesten System ... und das zerstört nunmal mittelfristig die Umwelt.
Ich bin mit der Meinung vielleicht etwas alleine .. aber so "gut" kann das System doch dann eigentlich garnicht sein, denn von einem "guten" System müssten doch auch alle profitieren können, ohne dabei die eigene Lebensgrundlage im wahrsten Sinne "weg zu futtern".
Kapitalismus ist ein tolles System ... für ca. 1 Mrd. Menschen .... und das auch nur, solange die restlichen 6 - 8 Mrd. beim "in die Röhre gucken" irgendwie zufrieden gehalten werden können.
Dass dieses System problematisch wird, sobald es mehr als 1/3 der Weltbevölkerung erfolgreich praktiziert, zeigt wie schlecht es auf einer globalen Ebene doch eigentlich funktioniert - nämlich garnicht ... oder zumindest nicht lange.