Für Leute, die sich bisher noch nicht näher mit dem Thema beschäftigt haben, mag das verständlicherweise auf den ersten Blick teuer wirken. Objektiv betrachtet, ist es aber tatsächlich ein gutes Angebot.
Ich habe mich vor kurzem selbst dran gewagt, meinen neuen Fernseher mit Hilfe eines Datacolor Spyder5 Colorimeters und der Software HCFR (semi-)professionell zu kalibrieren. Und was ich dabei festgestellt habe, ist vor allem eines: Eine ordentliche Kalibrierung ist deutlich zeitaufwändiger und komplizierter, als ich anfangs vermutet hatte!
Ich als Laie, habe gute 10 Stunden gebraucht, bis ich das hingekommen habe. Davon waren erstmal ca. 3 Stunden, um mich ins Thema einzulesen und die dahinter liegende Theorie zu verstehen. Und Verständnis der Theorie ist in dem Fall auch wirklich notwendig! Die Einstellungen für Farbraum, Gammakorrektur, Weißabgleich und Kontrast beeinflussen sich wechselseitig. Wenn man von diesen Zusammenhängen keine Ahnung hat und nur nach dem Prinzip trial-and-error versucht, die Werte hinzubiegen, kommt man nicht weit, bzw. dauert alles noch viele viele länger als es sowieso schon dauert. Die übrigen 7 Stunden habe ich für die eigentliche Kalibrierung gebraucht. Sicherlich ging dabei trotz der bereits erwähnten, vorherigen Beschäftigung mit Theorie noch immer ein großer Teil der Zeit für Ausprobieren drauf. Jetzt, wo ich das schon einmal komplett gemacht habe und weiß, worauf ich achten muss, schätze ich, dass ich es in ca. 2 bis 3 Stunden schaffen würde, wenn ich es nochmal machen müsste.
1 bis 2 Stunden ist dabei aber denk ich wirklich das Minimum, was ein Profi, der das täglich macht und entsprechend geübt ist, brauchen sollte. Zumindest, wenn er es ordentlich machen möchte. Allein der 20-stufige Weißabgleich, den mein Samsung-TV glücklicherweise hat, kann locker eine ganze Stunde in Anspruch nehmen. Man muss sich dazu nur vor Augen führen: Es gibt allein für diesen Weißabgleich 20 verschiedene Testbilder, die man alle einzeln durchgehen sollte. Bedeutet also jeweils am Blu-Ray-Player das passendes Testbild auswählen, anschließend am PC die vom Colorimeter gemessenen Werte prüfen und dann, falls nötig, mit der Fernbedienung im TV-Menü die dazugehörigen RGB-Werte anpassen. Dass man dabei für jedes der 20 Testbilder im Durchschnitt jeweils ca. 3 Minuten braucht, bis man alle Schritte erledigt hat, ist durchaus realistisch. Kann man sich also leicht ausrechnen: 20 * 3 Min = 60 Min. Damit ist schon eine komplette Stunde Arbeitszeit weg, nur für den Weißabgleich. Dazu noch weitere Einstellungen für Farbraum, Gamma und Kontrast, was auch jeweils einiges an Zeit verschlingt... und schon sind die 2 Stunden voll.
Da steckt eben deutlich mehr dahinter, als nur mal eben ungefähr Helligkeit und Kontrast einzustellen. Daher ist es auch kein Wunder, dass sich Fachhändler diesen Arbeitsaufwand bislang in der Regel mit mindestens 200 € bezahlen lassen. 99 € ist da im Vergleich zur Konkurrenz echt günstig.
Matutin schrieb:
Sollte das nicht Auslieferungszustand sein?
merlin123 schrieb:
aber wer garantiert mir das die Geräte nicht im Auslieferungszustand "perfekt" eingestellt sind?
Schön wärs, wenn das im Auslieferungszustand schon passen würde. Leider ist in aller Regel das Gegenteil der Fall. Die meisten neuen Fernseher sind im Auslieferungszustand (absichtlich!) extrem schlecht eingestellt. Der Grund dafür ist ganz einfach: In der Regel sind die Geräte dafür optimiert im Laden auf der Ausstellungsfläche auf den ersten Blick möglichst gut auszusehen. Die wenigsten Kunden machen sich die Mühe, Testberichte zu lesen und objektive Vergleiche der Bildqualität durchzuführen. Selbst wenn das Gerät letztlich online bestellt wird, werden die meisten Kunden zuerst in einen Mediamarkt oder einen anderen Laden gehen, um sich real vor Ort einen Eindruck zu verschaffen, welches Gerät ihnen am besten gefällt.
Dabei ist es leider so, dass korrekt eingestellte Geräte im ersten Moment eher blass, dunkel und unauffällig daher kommen. Stellt man hingegen Kontrast, Farben und vor allem Helligkeit auf Maximum, "leuchtet" das Geräte im wahrsten Sinne des Wortes heraus. Das zieht die Aufmerksamkeit der Kunden auf sich und führt dazu, dass ein falsch eingestellter Fernseher tendenziell eher gekauft wird als ein gleichwertiges, korrekt eingestelltes Gerät, was direkt daneben steht. Sehr problematisch ist dabei vor allem auch die in Elektronikmärken übliche, sehr helle Neon-Beleuchtung. Ein Gerät, was im Laden wegen seiner kräftigen Farben und extrem hohen Helligkeit einen guten ersten Eindruck macht, kann später zu Hause im Wohnzimmer mit schwacher Beleuchtung oder vielleicht sogar ganz ohne Licht den exakt gegenteiligen Effekt haben. Dann blendet es und strengt die Augen sehr stark an.
Nun wäre das alle eigentlich gar kein allzu großes Problem, wenn man einfach nur die Helligkeitseinstellung verändern würde. Leider ist es aber so, dass es noch einen Trick gibt, das Bild wesentlich heller aussehen zu lassen als es eigentlich ist: Blaues Licht wirkt subjektiv deutlich heller als gelb-rötliches Licht. Diesen Effekt machen sich die Hersteller zunutze und manipulieren die Farben bewusst so, dass das Bild einen deutlichen Blaustich hat. Damit sieht das Bild im Laden nochmals deutlich heller aus (obwohl es das objektiv gar nicht ist).
Verrückter Nebeneffekt davon: Wenn man sein Bild korrekt kalibriert hat, denkt man im ersten Moment, es hätte einen sehr starken Gelbstich. Man gewöhnt sich aber sehr schnell daran. Schaut man ein paar Tage später wieder auf einen anderen, nicht kalibrierten Fernseher, bemerkt man dort wiederum einen Blaustich. Tatsache ist nämlich, dass die vermeintliche persönliche Vorliebe für eine eher wärmer oder eher kühler abgestimmtes Bild in Wahrheit nichts anderes ist als pure Gewohnheit. Das soll natürlich niemanden davon abhalten, das Bild den eigenen Wünschen anzupassen. Aber ich würde jedem empfehlen, dem kalibrieren Bild eine Chance zu geben. Die Wahrscheinlichkeit, dass man sich ein Woche später wundert, wie man zuvor den Blaustich gut finden konnte, ist sehr hoch.
merlin123 schrieb:
Im Artikel steht das die Geräte auf "Referenzwerte" eingestellt worden sind? Welche sind diese und sollten diese nicht schon optimal sein?
Ansonsten könnte ich ja nach der Produktion am TV Sachen manipulieren, um dann sogar zu gerecht fertigen das der TV nicht "richtig" eingestellt ist. Irgendwie liest sich das wie manipuliert....
Für HDTV wird üblicherweise die Norm "
Rec. 709" verwendet.
Wenn du deinen Fernseher so kalibrierst, dass er dieser Norm entspricht, bedeutet das schlicht und einfach, dass dein Bild exakt so aussieht, wie der Filmproduzent es gewollt hat.
Das bedeutet wohlgemerkt nicht, dass Filme keinen Farbstich haben können! Es gibt sehr viele Filme, die ganz bewusst Farbfilter einsetzen um eine bestimmte Stimmung zu erzeugen.
Und ja, wenn dein Fernseher nicht korrekt kalibriert ist, bedeutet das effektiv, dass die Darstellung vom Hersteller des TVs bzw. von demjenigen, der ihn falsch eingestellt hat, "manipuliert" wurde. Das Bild entspricht dann nicht mehr genau dem, was der Regisseur des Filmes im Sinne hatte. Das ist häufig egal. Wenn aber Filme (stellenweise) ganz bewusst mit einer ganz bestimmten Lichtstimmung versehen wurden und bei dir sieht das völlig anders / eventuell sogar gegenteilig aus, ist das trotzdem alles andere als ideal.
Xnfi01 schrieb:
Kann man diese "Kalibrierung" nicht selber durchführen? Benötigt man hier zwingend dieses "Fachpersonal" ?
Natürlich kannst man das selbst durchführen. Zwingend benötigt werden dafür nur ein Colorimeter (einmalige Hardware-Anschaffungskosten je nach Modell ca. 150 bis 300 €), die passende Software (Profis verwenden dafür das kostenpflichtige Programm "Calman", für den Heimgebraucht tut es auch die open source Lösung HCFR ) und einige Stunden Zeit.
Wenn man Spaß an technischen Spielerein und Basteln hat und außerdem auch einiges an Zeit und Geduld übrig hat, ist es definitiv machbar. Aber man sollte den Aufwand nicht unterschätzen. Ist nichts, was man einfach so mal eben nebenbei macht. Bis man sich da als Laie, der das zuvor noch nie gemacht hat, erst mal eingelesen hat und ein Verständnis dafür bekommt, wie die verschiedenen Einstellungen miteinander zusammenhängen, kann durchaus schon mal schnell ein ganzes Wochenende an Freizeit draufgehen.
Precide schrieb:
Und gute Testbilder gibts auch nicht umsonst.
Doch, die
gibt es zum Glück.
Sind absolut brauchbar. Wüsste nicht, was ich drüber hinaus noch bräuchte.
Rotti1975 schrieb:
Kurze Frage. Wenn ich die Werte meines Modells von einem kalibrierten Tv im Netz nehme, sind da bei jeden TV so große Unterschiede, dass jeder TV einzeln kalibriert werden muss?
Ja, muss einzeln kalibriert werden.
Einschränkend würde ich dazu aber dennoch sagen, dass die Verwendung von solchen Werten aus dem Netz vermutlich noch immer "besser" ist als die Werkseinstellung. Was aber auch keine Kunst ist. Denn die Werkseinstellungen sind teils wirklich grottenschlecht.