Wie kann man eigentlich über so ein triviales Thema so unendlich lange und unproduktiv im Kreis diskutieren?
Ich versuch mal das gesamte Thema zusammenzufassen und versuchen halbwegs objektiv meine Meinung zu erklären:
Computerspiele fanden ursprünglich bei (Achtung Stereotyp: pickligen) Nerds den meisten Anklang oder selbst noch früher bei Automaten in Spielhallen interessierten sich hauptsächlich Jungs dafür, die sich gegenseitig den Highscore streitig machten, typisch (stereotypisches) männliches Wettkampfverhalten. Dementsprechend war die essentielle Zielgruppe die der (jungen) Männer und so funktioniert nun eben der Markt, dass auch entsprechende Spiele produziert werden, da plump formuliert Gewalt und Sex die Mehrheit der Männer eher anlocken als abstoßen. Es MUSS sogar mit Stereotypen gearbeitet werden, den diese sind ganz einfach die größten gemeinsamen Nenner (wenn auch idealisiert) einer bestimmten heterogenen Gruppe und somit automatisch die besten Werbefaktoren, da diese die meisten Gemeinsamkeiten für eine heterogene Zielgruppe anbietet.
Das erste Spiel, dass bei vielen Frauen beliebt wurde, war Die Sims. Es wurde als Spiel ohne Ziel eigentlich als Flop erwartet, aber wurde mit gefühlten 100 Erweiterungen ein Riesenerfolg. Jetzt zu sagen, das Frauen sich auf einmal für Spiele interessieren, wenn die sich mit Familie, Haushalt und Karriere beschäftigen, klingt natürlich auch gleich wieder stereotyp und für manche auch sexistisch. Aber es zeigt zumindest, dass Frauen eine andere Vorstellung von Spielen haben und ganz einfach eine völlig andre Zielgruppe sind (ja, das ist auch wieder stereotypisierend). Aber da war die Welt noch in Ordnung. Den richtig großen Ansturm der Frauen erlebten wir in den vergangenen Jahren durch die Casualgames auf Smartphones und der zunehmenden Technologisierung des Alltags für beide Geschlechter. Damit interessierten sich viele Frauen nach und nach auch für aufwendigere, "richtige" Spiele und merkten dann auf einmal, "Moment, das ist ja alles nur für Männer". An diesem Punkt kollidierten dann viele Welten des Internets: Empörungsphänomene von unterschiedlichsten Gruppen, die mal mehr, mal weniger und manche auch überhaupt nichts mit den zwei großen Themen, Gaming und Feminismus, zu tun haben. Leider sind es immer die extremen Seiten, die am lautesten sind und den Diskurs bestimmen. Somit war die gesamte Streiterei bisher recht unproduktiv.
Sicher, einige Feministen würden es ganz sicher als Erfolg verbuchen, wenn in z.B Call of Duty die Hauptperson weiblich werden würde, im Filmfeuilleton wird ja sogar schon über eine "Jane Bond" diskutiert. Aber wer hätte da was gewonnen? Würden deshalb mehr Frauen CoD spielen oder in den neuen Bondfilm gehen? Viele werden es nicht sein, denn die Kerninhalte sind immer noch stereotypisch männlich. Dafür schrumpft die Zielgruppe der Männer, da sie sich weniger damit identifizieren. Ein Ausweg ist hier natürlich wieder die Sexualisierung, aber dann wäre ja wieder nichts gewonnen. Andere Frage: Warum guckt die Mehrheit der Frauen eigentlich lieber Til Schweigers Beziehungsfilme? Und die Mehrheit der Männern lieber irgendwelche Superhelden beim rumprügeln?
Dabei wäre es für Werbe- und Unterhaltungsindustrie ja viel optimaler, wenn es nur eine homogene Zielgruppe gäbe. Aber Fakt ist nunmal, dass der Großteil der Menschheit sich in zwei Geschlechter aufteilt, die sich nicht nur körperlich, sondern auch im Verhalten unterscheiden (wobei Körper und Verhalten auch nicht direkt voneinander zu tennen sind, der Hormonhaushalt einer Frau entspricht auch nicht dem eines Mannes). Das mag durch die Kultur, die Erziehung, das soziale Umfeld, die Bildung oder vieles mehr sein. Aber das entsprechende Medienverhalten ist somit nur direkte Konsequenz. Bei einem Symptom mit der Brechstange anzusetzen, erzeugt dann nur weiter Gräben und Konflikte ohne das Symptom als solches zu erkennen.
Somit haben wir zwei Möglichkeiten, entweder uns alle selbst zu kastrieren (also nicht im biologischen Sinne
) und versuchen es der gesamten (Geschlechter)Welt recht zu machen oder einen zivilisierten Respekt für die Zweigeschlechtigkeit zu schaffen.
Ersteres ging gerade in den USA ziemlich schief, Stichworte "safe spaces", "comfort zones" und die völlig übertriebene "policital correctness". Wenn wir einen Stacheldraht in den Köpfen der Menschen pflanzen, ist die Denkfreiheit am Ende.
Und das Letztgenannte hat die Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten mühsam erarbeitet und ist immernoch ein Prozess der fortgeführt werden muss. Man sollte nicht vergessen, der erste Kuss, die erste nackte Haut, der erste Sex in einem Massenmedium wurde immer von konservativer Seite kritisiert und gerade von Seiten der Frauenbewegung als selbstbestimmende Emanzipation gefeiert. Es muss eher das Bewusstsein geschaffen werden, dass Sex und somit auch ein angemessener Grad an Sexualisierung nichts böses und etwas vollkommen natürliches ist, vorausgesetzt es ist freiwillig natürlich, jeder soll so sein wie er möchte. Demzufolge is es eher eine Form vom Medienkompetenz in der Lage zu sein, die Abstraktion der realen Welt auf Stereotypen zu verstehen. Oder anschauliches Beispiel: der Großteil der Männer guckt Pornos, gleichzeitig sieht der Großteil der Männer aber trotzdem nicht die Frau als Sexualobjekt. Hier erfolgt die Abstraktion bereits intuitiv, da jeder Mann weiß, dass das nicht das wahre Leben ist.
Ist es somit förderlich der Industrie vorzuschreiben, nur noch geschlechtsneutral zu produzieren? Nein. Wäre es somit förderlich, mehr Content für Frauen zu produzieren? JA, denn die Zielgruppe wächst und es würde gewissermaßen auch unsere "Männerspiele" vor der "Feminisierung" schützen.
Der Prozess wird auch von Debatten wie dieser geformt. Die aktuell präsenten, lautstarken Feminististen müssen allerdings aufpassen, dass sie nicht daran Schuld sein werden, wenn dieser Prozess in den nächsten 20 Jahren auf der Stelle tritt, weil niemand Feminismus mehr ernst nimmt. Feminismus ist viel viel mehr als nur die Debatte um die Einordnung der Sexualisierung.
Hoppla, bissi lang geworden.
Tl;dr: Ohne Stereotype ist es schwer Gemeinsamkeiten für einen Markt zu finden. Der Großteil des ganzen Konflikts stammt von fehlendem Verständnis des Begriffs "Stereotyp". Im echten Leben gibt es nicht DIE Rolle der Frau und DIE Rolle des Mannes. Sex ist nixhts böses und jeder soll so sein wie er möchte und niemandem etwas aufzwingen.