Die ganze Welt blickt heute Abend (19 Uhr, MESZ) nach San Francisco, wo Apple aller Wahrscheinlichkeit nach das iPhone 5 vorstellen wird. Die Begeisterung ist aber längst dahin, sagt der renommierte Technik-Journalist Dan Lyons, der lange Zeit als "Fake Steve Jobs" einen (satirischen) Blick nach Cupertino warf.
In einem Gastbeitrag auf der Webseite der 'BBC' vertritt Lyons, der Technik-Redakteur beim renommierten US-Nachrichtenmagazin Newsweek ist und lange Zeit als "Fake Steve" auf dem Blog 'The Secret Diary of Steve Jobs' für Lacher gesorgt hat, eine durchaus provokante Meinung. Lyons beginnt etwa mit dem Satz: "Irgendwo das oben kann ich Steve schreien hören."
Er erklärt gleich zu Anfang seinen Hintergrund: 2006 habe er den zuvor erwähnten Blog gestartet, dieser sei auch lange Zeit gut gelaufen. Allerdings habe er sich entschlossen, ihn Anfang 2011 zu schließen, nachdem sich der Gesundheitszustand des Apple-CEOs sichtlich verschlechtert hat.
Dennoch frage er sich auch ein knappes Jahr nach dem Tod des Apple-Mitgründers immer wieder, was Steve Jobs heutzutage über Apple sagen würde. Lyons schreibt, dass es in jüngster Zeit so viele Leaks gegeben habe, dass jeder im Grunde weiß, wie das nächste iPhone wohl aussieht und was es kann. Würde Jobs noch leben, wäre er "stinksauer" über die vielen Leaks, meint Lyons.
Noch wichtiger sei, so Lyons, die Frage, was man von jenem Unternehmen erwartet, das von sich selbst behauptet, das innovativste der Welt zu sein. Die Nutzeroberfläche sehe praktisch genauso aus wie beim ersten iPhone von 2007. Hinzu komme, dass sich das Aussehen des iPhones in den Versionen 4 und 4S so gut wie gar nicht verändert hat und wohl auch beim iPhone 5 keine großen Veränderungen zu erwarten sind, sieht man vom größeren Bildschirm ab. Provokant fragt Lyons in Richtung Apple-Chefdesigner Jonathan Ive: "Was hast du (in den letzten zwei Jahren) eigentlich mit dem Rest deiner Zeit gemacht, Jony?"
Später verschärft Lyons seine Tonart: Apple sei "geizig" und investiere gerade einmal zwei Prozent seines Umsatzes in Forschung und Entwicklung, bei Google und Microsoft seien es dagegen rund 14 Prozent. Schlimmer noch: Trotz aller Prahlerei zum Thema Innovation habe sich Apple zum Nachahmer/Trittbrettfahrer entwickelt. Lyons schreibt: "Warum macht Apple das iPhone größer? Um mit Android mithalten zu können."
Auch das Thema iPad mini sei ein Beweis für seine Trittbrettfahrer-Aussage: Steve Jobs habe stets betont, dass 9,7 Zoll die perfekte Größe für ein Tablet und kleinere Bildschirme sinnlos seien. Dann habe aber das Android-Lager Erfolge mit Geräten wie dem Google Nexus 7 oder dem Amazon Kindle Fire gehabt und auf einmal soll Apple (angeblich für Oktober) ein iPad mini planen.
Auch Apple-Chef Tim Cook bekommt eine mit: Ein Unternehmen, das bis vor kurzem von einem echten Visionär geprägt worden ist, werde nun von Buchhalter-Typ geleitet. Die (finanziellen) Erfolge des Unternehmens seien unbestritten, meint Lyons. Das sei zwar für die Aktionäre gut, aber für die Kunden? "Wen kümmert's?" Lyons' Fazit: "Apple ist das geworden, was es niemals sein sollte: langweilig."