Darum dreht sich aber die ganze Diskussion, walter. Auch schon vor dem Vorfall mit Tim K. galten die Spiele als mögliche Verursacher. Zurecht haben sich die Massen an Menschen beschwert, weil sie eine Ecke gedrängt werden, aus der man schwer wieder herauskommt.
Stellen wir uns einfach mal vor, dass nachweisbar ist, wieviele Menschen durch Passivrauchen getötet werden. Entsteht dann eine Diskussion über ein vollständiges Verbot von Rauchen an öffentlichen Plätzen, dann werden an dieser Stelle auch all jene Raucher verunglimpft, die ganz bewusst alleine oder im Freien rauchen um ihre Mitmenschen zu schützen.
Es gibt einen Haufen Menschen, die möchten, dass ein Spiel so realistisch ist wie möglich. Man lobt teure Titel wie Far Cry wegen ihrer Grafik oder bewundert die Bewegungsfreiheit in Oblivion und Fallout 3. Eine realistische Physiksimulation sorgt für Oha-Effekte und möglichst glaubwürdige Gesichtszüge (erstmal Half Life 2) wird ausdrücklich gelobt. Wir loben uns hier für unsere eigene Genialität, die Wirklichkeit in jeder Facette nachzubauen. Daher auch das große Interesse an Kriegsspielen mit echtem Vorbild.
Wie kannst du da nicht glauben, dass einige den schmalen Grad zwischen Wirklichkeit und Spiel nicht mehr unterscheiden können? Es ist doch gerade das Ziel von Entwickler und Spieler, diese Unterscheidung aufzubrechen, um den Spielgenuss noch besser zu machen. Bildschirme wackeln, Liebesdramen werden erzählt und erst diese Grafik (die langsam interessanter aussieht als die Wirklichkeit)...
Ich bin sicher, ein Haufen Spieler möchte glauben, dass die Wirklichkeit ein Spiel wäre und das Spiel die Wirklichkeit. Das würde viele Dinge einfacher machen, erklärt aber natürlich nicht so einen Vorfall. Unser Mitgefühl für andere Menschen und dann der Selbsterhaltungstrieb sorgen schon dafür, dass so gut wie niemand da auf krumme Ideen kommt.
Aber es gibt eben diese Leute, wo alles zusammenpasst: Die ausgeprägte Misantropie, die hoffnungslose Zukunft, eine akute Gewaltbereitschaft, ein Geltungsbedürfnis (Medien) und natürlich der Zugang zu den Waffen. All das und in dieser Reihenfolge. Ich sehe da ein Computerspiel höchstens als Werkzeug an, um die Tat vorher simulieren und auswerten zu können. Schließlich gehen diese Menschen auch mit der Zeit.
Es würde mich doch sehr überraschen, wenn wir beim nächsten Amoklauf einen jungen Mann vor uns haben, der weder illegale Egoshooter noch Pornographie auf seinem Rechner hat. Schließlich sind das in aller Regel Einzelgänger, die keinen Respekt vor den Gesetzen haben. Aber vielleicht wird derjenige auch daran denken und seine Maschine so präparieren, dass die Psychologen ganz verwirrt sind.
Denn eines darf man nicht vergessen: Diese Amokläufe sind längst eine professionelle Show geworden. Die Medien bringen minutiös die neuesten Infos, die Politiker sehen als günstige Profilierungsform und all jene, dessen Interessen bedroht werden könnten (Lobbyisten, Spieler, Eltern, etc) werden aktiv und versuchen sich in die darauf folgende Diskussion einzuklinken.
Der nächste Hauptdarsteller sitzt bestimmt schon in den Startlöchern, lernt aus den Fehlern von Robert, Bastian und Tim und wird versuchen, sich irgendwo auf dieser
Liste einzuordnen.