Für die Optimus-Unterstützung nutzt Nvidia nämlich Teile der Prime-Infrastuktur in Linux-Kernel und X-Server, mit deren Hilfe Open-Source-Grafiktreiber seit einigen Monaten experimentelle Unterstützung für Hybridgrafiktechniken bieten. Prime wurde maßgeblich von dem bei Red Hat beschäftigten Dave Airlie vorangetrieben; dabei hat er eng mit Entwicklern von Intel, Texas Instruments und anderen Firmen zusammengearbeitet, die unter anderem Code oder Feedback zu den Treiberschnittstellen beigesteuert haben.
Nvidia-Mitarbeiter haben sich nur wenig eingebracht, bis sie feststellten, dass einige der Prime-Funktionen nur für GPL-kompatiblen Code nutzbar sind. Daraufhin forderten sie zuerst, diese Einschränkung zu entfernen; damit lösten sie eine Debatte bei den Kernel-Entwicklern aus und fanden auch Unterstützer für eine Öffnung der Schnittstellen.Die Gegner einer solchen Öffnung setzten sich allerdings durch, daher bauten Nvidia-Mitarbeiter mit dem Segen von Airlie eine Hintertür in den Linux-Kernel 3.9 ein, um dennoch Teile von Prime verwenden zu können. Genau diese Funktionen nutzt Nvidia jetzt in der Beta seines neuen Treibers, der auch auf die von Airlie geschaffenen Hybridgrafik-Funktionen in neuen X-Servern zurückgreift.
Rechtlich ist gegen das Vorgehen von Nvidia nichts einzuwenden, solange man mal die seit Jahren immer wieder diskutierte Problematik außen vor lässt, ob das Kernel-Modul von Nvidias Grafiktreiber mit der Lizenz des Linux-Kernels harmoniert oder nicht. Allerdings profitiert Nvidia durch das Vorgehen abermals von der harten Arbeit der Entwickler von Linux-Kernel und X-Server, ohne sich selbst signifikant in die Schaffung einer Infrastruktur einzubringen, die Linux zur Unterstützung der Grafikhardware von heute und morgen benötigt.
Nvidia kommt mit diesem egoistischen Verhalten durch, weil Anwender das bejubeln und Hersteller von Linux-PCs zu wenig auf quelloffene Treiber drängen. AMD und Intel hingegen denken weiter und bringen sich aktiv in die Open-Source-Entwicklung ein; dabei schaffen sie gelegentlich Verbesserungen, von denen auch die Hardware des jeweils anderen profitiert.