Hiho,
Hans-Uwe schrieb:
... Warum sollte man nicht auf das Angebot eingehen, die Schiffe in den Hafen zu bringen und dort von den Israelis kontrollieren zu lassen? Wenn man nur Helfer und Hilfsgüter hat, was hat man bei so einer Kontrolle zu befürchten? ...
Isreal hat seine Aktion angedroht und wahrgemacht. Wenigstens jemand der in der heutigen Welt noch zu seinem Wort steht.
Sicherlich hat Israel das Angebot unterbreitet, die Hilfsgüter in Aschdod zu löschen und in den Gazastreifen weiterzuleiten. Wie untersetzt und ernstzunehmen ein solches Angebot ist, darf allerdings bezweifelt werden: es gilt mittlerweile als gesichert, dass Israel den Gazastreifen komplett abriegelt und nur die allernotwendigstens Lieferungen hindurchlässt. Wäre die Versorgungslage im Gazastreifen unproblematisch, dann hätte auch garkein Bedarf für eine wie auch immer geartete "Hilfslieferung" bestanden. Nach allem was derzeit (in den Medien) bekannt ist, wären die gelöschten Waren in Aschdod angelandet wurden und wären dort liegengeblieben.
Davon abgesehen halte ich es für unrechtmäßig und einen Bruch des Völkerrechtes, dass ein Staat in
internationalen Gewässern unter Bruch des Seerechtes Schiffe eines souveränen Staates gewaltsam entert. Die Souveränität stand nicht in Frage, sofern die Schiffe ordnungsgemäß beflaggt gewesen sind - die Besatzung hatte selbstverständlich das Recht auf Selbstverteidigung gegen einen unrechtmäßigen Angriff. Das Israel dann gleich auf lethale Mittel zurückgreift, mag uns schockieren, passt aber zur allgemeinen Sicherheitspolitik dieses Landes. Menschenleben sind irrelevant, sofern es sich nicht um eigene Staatsbürger handelt. Rechte anderer (auch verbündeter) Staaten sind irrelevant, wenn sie den vermeindlich gerechtfertigten Eigeninteressen entgegenstehen - erinnern wir uns an die gefälschten Pässe eines israelischen Exekutionskommandos zu Beginn des Jahres. So sehr ich Israel auch ein Recht auf Selbstverteidigung anerkenne, so sehr verurteile ich die Art und Weise, wie sie dieses Recht unter Bruch sämtlichen Völkerrechtes durchsetzen. Sie verspielen damit den einzig wirksamen Schutz, den dieses kleine Land hat: den Moralischen Rückhalt und die Unterstützung durch den Westen.
Zuletzt sollte man noch bedenken, dass diese "Hilfsflotte" neben dem Transport von Hilfsgütern auch politische Ziele hatte. Das kann man nur bei großer Naivität übersehen. Es war der Versuch, eine völkerrechtlich mehrfach verurteilte und rechtswidrige 'Belagerung' eines Gebietes und einer Bevölkerung zu brechen. Nach dem was man weiß kann man sich nur schwer des Eindrucks verwehren, dass Israel die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens dafür "bestraft", dass sie die Hamas gewählt haben. Hunger ist eine Waffe. Freilich wird man auch fragen müssen, welche Maßnahmen Israels zu dessen Verteidigung legitim sind - das Verteidigungsrecht kann man nicht in Frage stellen. Aber genausowenig kann man drüber weggehen, den Status der palästinensischen Gebiete endlich zu normieren: Ist es Teil des israelischen Staatsgebietes, dann sind dessen Bewohner auch israelische Staatsbürger und ein Staat bekämpft massiv seine eigenen Staatsbürger. Das Gebiet zu beanspruchen, die Bevölkerung aber verteiben zu wollen geht nahe ran an den Begriff der ethnischen Säuberung. Handelt es sich aber bei den palästinensischen Gebieten um ein mehr oder minder souveränes Staatsgebilde, dann besetzt Israel das seit Jahrzehnten widerrechtlich und bricht das anzuwendende Kriegsvölkerrecht. Denn dann wär beispielsweise der Siedlungsbau untersagt, die Maßnahmen gegen die Bevölkerung unterliegen strengen Regeln und solche massiven Vergeltungsmaßnahmen wie Israel sie betreibt, wären untersagt. Die Weltgemeinschaft - allen voran der große Bruder USA - muss sich endlich zu einem klaren Standpunkt durchringen, wie die Lage in der Levante sein soll. Denn Israel hat nur eine Chance zu überleben, wenn es Frieden mit seinen Nachbarn schließt - einen Krieg kann dieses 'Ländchen' von der Größe Mecklenburg-Vorpommerns nicht auf Dauer gewinnen. Frieden ist aber nur mit Versöhnung möglich.
Das ganze wirklich bewerten kann man allerdings erst, wenn eine unabhängige Untersuchung stattgefunden hat. Ob es die allerdings geben kann, wenn die "beschwerte Partei" jetzt die Schiffe in den Händen hat und die Beweissicherung durchführen muss, ist fraglich. Denn sie können jetzt niemals 100% glaubwürdig beweisen, dass sich Bannware an Bord der Schiffe befunden hat. Jede solche Aussage würde damit enden, dass man Israel Manipulation der Beweise vorwirft.
Düstere Aussichten sind das. Israels Ansehen außerhalb der USA ist auf einem Tiefpunkt, der wichtigste regionale Verbündete Türkei setzt sich ab und Europa steht nurnoch auf Israels Seite, weil es eine geschichtlich begründete moralische Verantwortung empfindet. Sollte Israel nun noch den Iran-Konflik zur Eskalation bringen, dann befürchte ich einen brennenden nahen- und mittleren Osten. Das würde der derzeit fragilen Weltwirtschaft den Todesstoß versetzen, wenn das Öl versiegt und obendrein die Gefahr eines Nuklearwaffeneinsatzes besteht.
- Harold