Promotion in der Industrie

Sputnik24

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Hallo und guten Morgen,

ich studiere Chemie und arbeite derzeit an meiner Diplomarbeit. Abgabe ist spätestens der 30. September 2010. Danach ist eine Promotion angestrebt und ich spiele mit dem Gedanken, mich auf Promotionsstellen in der Industrie zu bewerben.

Nun gibt es sehr unterschiedliche Meinungen über Vor- und Nachteile gegenüber einer Promotion an der Uni. Daher wollt ich hier im Forum einfach mal nachfragen, ob jemand Erfahrung in dem Bereich gemacht hat und mir vielleicht helfen kann.

Als Vorteile werden meist genannt, dass man nach 3 Jahren fertig ist (wirklich?) und dass man Berufserfahrung bekommt.
Als Nachteil geht das Gerücht um, dass man wohl mehr mit Arbeiten beschäftigt ist als mit Forschen an seinem Promotionsthema. Allerdings konnte mir bisher keiner diese Gerücht bestätigen. Ich ging eigentlich immer davon aus, dass man in der Industrie für die Forschung bezahlt wird (im Gegensatz zur Uni, wo man für die Lehre bezahlt wird - sprich Betreuung von Studenten, etc.).

Vielen Dank schonmal für eure Hilfe.

Gruß,
Daniel
 
also meine erfahrungen sind folgerndermaßen (promoviere im maschinenbau): industrie geht, aber nur, wenn der arbeitgeber sich WIRKLICH zusammenreißt. in sehr sehr vielen fällen kriegen die leute eben doch noch einen haufen arbeit nebenher auf ihren schreibtisch, so dass es da zeitmäßig nicht immer sooo toll ausschaut.

lehre an der uni ist zumindest bei uns kein so großer faktor, in allererster linie beschäftige ich mich mit meinem forschungsprojekt. und erfahrung sammelt man da schon reichlich. sei es von theoretischer seite (in meinem fall FEM-anwendungen sowie programmierung) als auch prüfstandsbetreuung, wobei da ein guter schuss konstruktion und berechnung gratis dabei ist, da der prüfstand auch erstmal gebaut werden muss.

was ich als klaren vorteil der uni sehe: die arbeitszeiten sind zumindest bei uns recht flexibel - was zählt ist in erster linie das ergebniss. kurzfristig urlaub bekommen (wenn nichts an terminen ansteht und das projekt nicht drunter leidet)? kein problem. man muss mal zwei stunden her weg? kurz bescheid sagen (man holt die zeit natürlich nach).
 
Dass es an der Uni zeitlich flexibler und lockerer ist, seh ich aus so. Aber später im Berufsleben ist damit sowieso Schluss, also wird es Zeit sich daran zu gewöhnen ^^. Klar ist es ein Vorteil für die Uni bzw. Nachteil für die Industrie.
Bei meinem Chef hier an der Uni sieht es halt schlecht aus mit ner Promotionsstelle, auch wenn er mich gerne nehmen würde.
 
In welchem Umfang du an der Uni mit Lehre beschäftigt wirst hängt stark von der Abteilung ab, in der du unterkommst. Aber das kann man vorher vorsichtig abklären. Andererseits kann es dir auch passieren, selbst an der Uni für andere Arbeiten "missbraucht" zu werden (meist dann, wenn man von Lehrveranstaltungen oder Praktikumsbetreuung verschont bleibt). Aber das mit den enorm lockeren Arbeitszeiten kann ich bestätigen, direkt an der Uni ist es ein kommen und gehen wann man will, hauptsache hinterher stimmen die Ergebnisse. Kommt dann natürlich auch mal vor, dass ein, zwei Wochenenden draufgehn weil was kurzfristig fertig werden muss.
 
Sorry, wenn ich das mal so formuliere. Aber wer glaubt, dass Uni nur Lehre ist, hat das Prinzip Uni nicht verstanden. Das spricht dafür, dass du deine Promotion in der Wirtschaft machst. Ich würde meine Doktorandenstele nicht danach aussuchen, wo es einfacher ist, weil dir das soweiso vorher keiner sagen kann. Es sollte davon abhängen, ob du eine Karriere in der Hochschulbildung- und Forschung anstrbst oder in Betracht siehst. Wenn nicht, dürfte die Promotion bei einem Unternehmen wohl sinnvoller sein.
 
dogio1979 schrieb:
Sorry, wenn ich das mal so formuliere. Aber wer glaubt, dass Uni nur Lehre ist, hat das Prinzip Uni nicht verstanden. Das spricht dafür, dass du deine Promotion in der Wirtschaft machst. Ich würde meine Doktorandenstele nicht danach aussuchen, wo es einfacher ist, weil dir das soweiso vorher keiner sagen kann. Es sollte davon abhängen, ob du eine Karriere in der Hochschulbildung- und Forschung anstrbst oder in Betracht siehst. Wenn nicht, dürfte die Promotion bei einem Unternehmen wohl sinnvoller sein.
Es hat ja keiner gesagt, dass Uni nur Lehre ist.
Das Argument ist, dass man an der Uni im Prinzip für die Lehre, nicht für die Forschung bezahlt wird. Darum dauert eine Promotion an der Uni bei einer vollen Stelle länger als bei einer halben Stelle.
In der Industrie - so dachte zumindest bisher - wird man direkt für die Forschung bezahlt.

Eine akademische Karriere ist nicht angestrebt. Ich möchte meine Promotion auch nicht dort machen, wo es einfach ist, sondern wo es für mich sinnvoller ist. Ein interessantes Thema sollte es natürlich auch sein.
 
Du wirst für Forschung und Lehre bezahlt. Die Promotion stellt im Grunde den Teil der Forschung dar.
In der Industrie wirst du auch nicht die ganze zeit nur an der Promotion arbeiten können, sondern du wirst auch"normale" Arbeiten verrichten müssen, die vermutlich nicht viel mit deinem Thema zu tun haben. AN der Uni bist du grundsätzlich immer etwas freier, auch in deiner Zeiteinteilung. Machst du die Promotion mit einem Unternehmen zusammen, hast du zusätzlich noch einen hohen Koordinationsaufwand, weil sowohl dein Prof als auch dein Arbeitgeber Wünsche äußern. Auch an der Uni kann man seine Promotion in drei jahren schaffe, das ist kein Kriterium. Aber ich vertrete die Meinung, dass man dort seine Doktorarbeit schrieben sollte, wo man später hin will.
 
Soweit ich beurteilen kann, ist die Arbeitsbelastung hoch durch Arbeit und Lehre&Forschung.

Ich sehe das hier bei uns am Lehrstuhl
Letztendlich leidet dann eins der beiden oder beides darunter.

Wenn man das gemanaged bekommt ist es sicher attraktiv, ist aber halt schwer.
 
Salem24 schrieb:
Es hat ja keiner gesagt, dass Uni nur Lehre ist.
Das Argument ist, dass man an der Uni im Prinzip für die Lehre, nicht für die Forschung bezahlt wird. Darum dauert eine Promotion an der Uni bei einer vollen Stelle länger als bei einer halben Stelle.

Ja aber wofür du bezahlt wirst und was du dann effektiv machst sind zwei unterschiedliche Dinge. Zusätzlich ist deine Stelle (also da wo das Geld herkommt) nicht zwingend mit der Promotion verknüpft, oder anders ausgedrückt: Auch ohne Stelle kann man sich für eine Promotion bewerben. Und wieviel Zeit man da dann investiert ist einem selbst überlassen. Wenn man nur eine halbe Stelle bezahlt bekommt und dann auch nur halb so viel tut, dann muss man sich nicht wundern, wenn man länger braucht. Die meisten Leute hier haben nur halbe Stellen und werden trotzdem in drei Jahren fertig weil sie halt Vollzeit arbeiten und nicht nur paar Tage jede Woche.

Dass mit der Promotion an der Uni neben der Lehre auch noch Arbeit (oder Forschung, was aber auch "Arbeit" ist) verbunden ist, sollte auch klar sein (man muss ja schließlich über irgendwas schreiben). Je nach dem kann es aber auch passieren, dass man neben seiner eigentlichen Arbeit, die direkt der Promotion dient, auch noch zu anderen Arbeiten herangezogen wird, über die man dann später garnicht schreibt und die auch garnichts mit der Promotion zu tun haben. Dann hast halt ne Dreifachbelastung am Hals, indem du erstens deiner Lehrverpflichtung nachkommen sollt, dann deine eigene Arbeit/Forschung und zusätzlich noch weitere Arbeiten die einfach nur Zeit kosten und dir im Endeffekt nicht wirklich was bringen.
 
Also in der Industrie ist natürlich wesentlich mehr Eigeninitiative und Selbstständigkeit gefordert als an der Uni. Und da kann man auch mal Pech haben, dass der Betreuer im Betrieb keine akademische Leuchte ist. Ich hab mal eine Studienarbeit in der Industrie geschrieben. Und obwohl es ein recht namenhaftes Unternehmen war, war ich über das fachliche Niveau schon etwas "schockiert". Wenn du eine akademische Karriere anstrebst oder zumindest mal in der Forschung arbeiten und fachlich vorankommen möchtest, würde ich eher an der Uni promovieren. Wenn du aber die Promotion eher als Karrieresprungbrett siehst und eventuell auch bei genau dem Unternehmen mal arbeiten willst, kannst du auch dort promovieren.
 
So, ich habe einen Prof meines Vertrauens, der selbst in der Industrie tätig war, mal nach dem Thema gefragt und folgende Antwort erhalten:

kann es kurz machen: Ich halte davon gar nichts ! Habe schlechte Erfahrung gemacht: Abbruch Promotion, Scheitern des Projektes. Deshalb lehne ich es kategorisch ab. Auch fehlt mir der Doktorand hier für die Institutsaufgaben.

Jetzt bin ich total verunsichert... :(
 
Salem24s Professor schrieb:
kann es kurz machen: Ich halte davon gar nichts ! Habe schlechte Erfahrung gemacht: Abbruch Promotion, Scheitern des Projektes. Deshalb lehne ich es kategorisch ab. Auch fehlt mir der Doktorand hier für die Institutsaufgaben.
Vielleicht will der Prof. ja Dich an seinem Lehrstuhl und das begründet einen Teil seiner Kritik?
 
Also ich würde den Tenor Deines Profs tendentiell unterstützen - ich promoviere gerade in der Industrie, bin jetzt seit 2 1/2 Jahren dabei und habe effektiv in Summe vielleicht 4 oder 5 Monate dieser Zeit an meiner Dissertation arbeiten können; der Rest war dissertationsfremde Projektarbeit (hauptsächlich Software-Entwicklung, Dokumentation und Präsentationstermine mit potentiellen Kunden). Da das Modell meines Arbeitgebers vorsieht, dass ich nach 3 Jahren fertig sein soll, wird das jetzt eine ziemliche Zitterpartie, ob ich nochmal eine Vertragsverlängerung bekomme (ohne die ist meine Promotion faktisch gescheitert).

Was Dir vor allem fehlen wird bei einer Industriepromotion ist der Austausch mit anderen Wissenschaftlern, die im gleichen Bereich arbeiten und der Zugriff auf Deinen Prof., der ja normalerweise auch gleichzeitig Dein Doktorvater ist. Das ist etwas, was man, wenn man wie ich der erste Akademiker in der Familie ist, leicht unterschätzt.

Wenn Du die Möglichkeit hast, am Lehrstuhl bei Deinem Prof. zu arbeiten, würde ich das machen - auch dort wirst Du viel dissertationsfremde Arbeit leisten, aber ich halte das Umfeld für insgesamt geeigneter für eine Promotion. Das Einzige, worauf Du dabei achten solltest ist, dass Du eine volle Stelle bekommst (oder mindestens mal 80%) und Deine Finanzierung auf 4 oder 5 Jahre gesichert ist.

Gruß,
s.
 
Danke für die Antworten. Werde von einer Bewerbung in der Industrie jetzt absehen. Werde mich stattdessen beim DLR und MPI bewerben. An der Uni sieht halt schlecht aus, da der Prof., der meine Diplomarbeit betreut, keine Stelle für mich hat.
 
Wenn Du's ans MPI schaffst, wäre das sicher keine schlechte Sache - vielleicht schreibt Dein Prof Dir ja auch ein Empfehlungsschreiben. Auf jeden Fall viel Erfolg bei der Bewerbung und beim Promovieren.

s.
 
Mein Prof. würd mich wohl gern behalten. Ihn nach einer Empfehlung zu fragen, wäre denk ich unpassend.
 
Ohne Stelle hilft das nur nicht wirklich, oder?
 
Nun Mittel und Wege gibt's immer, aber mit denen bin ich nicht einverstanden.
 
Salem24 schrieb:
Mein Prof. würd mich wohl gern behalten. Ihn nach einer Empfehlung zu fragen, wäre denk ich unpassend.

Gerade dann solltest Du Ihn fragen; wenn er Dich behalten will, meint er es gut mit Dir und wird Dir sicherlich auch was Anständiges schreiben.
Bin selbst gerade an meiner Diplomarbeit in der Biochemie am werkeln, und mein Diplomvater, der mich ebenfalls gerne behalten würde (und sogar auch das Geld dafür hätte) hat mir dennoch sehr nette Referenzen für meine Bewerbung für mein britisches PhD-Programm geschrieben.
Wie stehst Du denn zu einer Promotion außerhalb Deutschlands?
 
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