Manegarm schrieb:
Leuten die sich Spiele illegal besorgen und kein schlechtes Gewissen haben, denen könnte man schon eine teilweise Zwischenunmenschlichkeit unterstellen. Dagegen lässt sich nicht viel machen, man kann nur betonen wie charakterlos das ist
Ein Spiel zu entwickeln ist extrem harte und lange Arbeit.
Ich denke, man muss sich von dem Gedanken frei machen, dass die Alternative zur illegalen Kopie immer oder auch nur in den meisten Fällen der legale Kauf wäre. Allein schon, weil Geld für die meisten Menschen eine begrenzte Ressource ist. Man kann sich, wenn man nicht zufällig ein Multimillionär ist, nicht alles kaufen, was man gerne hätte.
Viel realistischer ist doch wohl die Einschätzung, dass in den meisten Fällen die Alternative zur Kopie der
Verzicht ist. In diesem Beispiel hätte sich Punch Club ohne die bösen Raubkopierer also vielleicht 350.000 mal verkauft und daneben halt statt Millionen Kopien gar nichts.
Dann sieht die Sache doch gleich ganz anders aus.
Jetzt kann man in Verzicht natürlich auch etwas edles sehen. So in der Art von Mönchen und Einsiedlern, die durch Verzicht auf weltliche Güter spirituelle Erleuchtung erfahren usw. Aber auch das hilft den Spieleentwicklern nun wirklich nicht weiter. Tatsächlich ist es doch aus deren Sicht sogar erstrebenswerter, wenn diejenigen, die sich für ihr Spiel interessieren, es sich aber nicht leisten können/wollen, eine illegale Kopie spielen. Das kann der Popularität des Spiels nur gut tun. Und den Nachfolger kaufen einige Kopierer sich dann vielleicht, weil es ihnen so gut gefallen hat, und kopieren etwas anderes.
Tatsächlich bin ich fest davon überzeugt, dass die ganze Videospiel-Industrie niemals zu dem Multi-Milliarden-Markt geworden wäre, der sie heute ist, wenn nicht immer schon fleißig kopiert würde.
Wenn ich z.B. an meine eigene Jugend zurückdenke: Ich hätte mir von meinem knappen Taschengeld höchstens alle paar Monate ein neues Spiel für meinen C64/C128 leisten können. Hätte es daneben nicht die Möglichkeit gegeben, Spiele mit anderen C64-Besitzern zu "tauschen", (meine C64-Spielesammlung bestand zu gut 90% aus "Sicherheitskopien", genau wie bei allen anderen, die ich kannte) wäre das ganze Hobby Computer für mich
wesentlich uninteressanter geworden. Tatsächlich hätte ich ziemlich sicher schnell ganz das Interesse an dem Gerät verloren. Es wäre mangels Spielenachschub in der Ecke verstaubt. Mein knappes Geld hätte ich dann wohl eher für ein cooles BMX-Rad gespart, oder vielleicht einen Ghettoblaster.
So aber, habe ich fast jede Mark in mein Computerhobby investiert und mir fast nur Spiele und Zubehör dafür als Geschenke gewünscht. Ich gehörte, trotz fleißigem Kopieren, sicher zu den besten Kunden von Commodore und den dafür entwickelnden Studios.
Das gilt doch auch nicht nur für Spiele, sondern für die gesamte Software-Branche. Man denke nur an den
Wut-Brief von Bill Gates, in dem er sich darüber aufregt, dass die Altair-User sein Basic viel öfter kopieren als zu kaufen. Dass es ihm und anderen kommerzielle Software-Anbietern dadurch unmöglich würde, zu überleben usw. Der wohl erste, öffentliche Aufschrei gegen das Unwesen der Raubkopierer.
Ein paar Jahre später war Microsoft ein Megakonzern in einer raketenmäßig aufsteigenden Branche und Bill Gates einer der reichsten Männer der Welt. Und das garantiert nicht, weil die Leute (vielleicht durch den Brief aufgerüttelt) räumütig aufgehört haben zu kopieren. Im Gegenteil! Das große Kopieren ging mit dem Siegeszug der Computer, raus aus den elitären Bastler-Clubs und rein in alle Kinder-, Jugendzimmer und natürlich Büros, erst richtig los. Und Microsofts Produkte gehörten immer zu den am meisten kopierten.
Ein etwas weiser gewordener Bill Gates sagte dann später auch sinngemäß: "Wenn die Leute schon kopieren, dann bitte unsere Software."
So wie ich es sehe, sollten sich diejenigen Software-Entwickler und Industrie-Lobbyisten, die immer so laut über die bösen Raubkopierer schimpfen, besser nochmal gründlich überlegen ob sich sich wirklich ein ganz anderes Biotop wünschen würden, als das, in dem ihre Branche jahrzehntelang so viel Erfolg hatte. Ob sie wirklich diesen Ast absägen wollen, auf dem sie sitzen, in der Hoffnung, dass sie dann auf einem dickeren und komfortableren landen. Dass plötzlich zusätzliche Milliarden (woher auch immer sie kommen mögen) in ihre Kassen sprudeln, nur weil nicht mehr kopiert wird.
Illegale Kopien gab es schon immer und sie haben so wie ich es sehe nicht geschadet, sondern zum Erfolg von Homecomputern, PCs und deren Software, inklusive Spielen, maßgeblich beigetragen.
In einer Welt, wo statt pragmatisch zu
kopieren, aus moralischen Gründen (oder durch brutale Abschreckung oder perfekte Kopierschutzsysteme)
verzichtet würde, würde ich diese Erfolgsstory definitiv nicht als gegeben ansehen. Dann hätten wir höchstwahrscheinlich immer noch eine Welt, in der nur Platz für ein paar Dutzend IBM-Großrechner ist, an die normale Personen niemals Hand anlegen dürfen. Und die Normalsterblichen würden, statt am Computer zu zocken, mit BMX-Rädern rumkurven und sich coole Mixtapes auf ihren Ghettoblastern anhören. Wäre vielleicht auch nicht verkehrt.
Nur als Softwareentwickler würde ich es wie gesagt nicht unbedingt anstreben.