SE. schrieb:
Da du offensichtlich schon mal Einblick hattest kannst du vielleicht nachvollziehen warum ich von Fließbandarbeit schrieb
Sehr gut ... meine Zeit in der Altenpflege liegt zwar schon fast 20 Jahre zurück, aber genau das war auch mein Eindruck.
Morgendtliche Pflegeroutine: "Waschen, Abtrocknen, Falten (Ankleiden) ab in den Schrank (Esszimmer)" ... bitte in unter 15 Minuten pro Bewohner (Pflegestufen- oder bedarfsunabhängig).
Wir hatten 30 Bewohner, und die Standardbelegschaft bestand aus zwei Examinierten einem Zivi und einer Küchenkraft in TZ, die sich nicht an der Pflege beteilgen durfte. In den Schulferien gab es dann noch Schülerinnen als Aushilfe (es waren tatsächlich ausschließlich Mädchen) ... und keine von denen war zweimal da - Kein Wunder, denn nach der Erfahrung werden die sich das mit dem Pflegeberuf wohl noch mal ganz gründlich überlegt haben).
2/3 der Bewohner waren ans Bett gefesselt (dauerhaft) und der Rest saß im Rollstuhl, war stark dement unverbesserlich Tablettensüchtig oder hatte andere pflegeintensive Leiden (künstlicher Darmausgang z.B.) ... das war die Station für "Intensivpflege" in dem Heim.
Ich habs mit anfang 20 gleich richtig besorgt gekriegt ... für knapp 23 DM am Tag (all inkl.) ... und natürlich hatte ich nach knapp 6 Wochen fast das gleiche Pensum zu leisten, wie die normalen Pfleger (bis auf einige Tätigkeiten, die nur examinierte machen dürfen ... oder die man nicht auf den Zivi abwälzen konnte). Leitfaden für den Zivildienst (MUSSTE eigentlich in jeder Einrichtung vorhanden sein, wo Zivildienst geleistet werden konnte) gab es in dem Heim wohl auch mal, aber irgendwie hatte das Ding seit Jahren niemand mehr gesehen.
Eigentlich war das kriminell, was in dem Heim damals ablief (1996/97).
Idon schrieb:
Nicht von dir! Von anderen hier in der Diskussion hatte ich den Eindruck, dass sie diesen Standpunkt vertreten möchten.
Mich stört eigentlich nur eines. Natürlich sind alle Berufe wertvoll und sollten anständig bezahlt werden ... ich wünsche mir nur eine etwas besser mathematisch nachvollziehbare Gehaltsstruktur insgesamt ... mit welchen objektiven Punkten kann man bitte ein um 50% höheres Gehalt mit einer um 3 Jahre längeren Ausbildung rechtfertigen? Wenn Verantwortungsübernahme das Rechtfertigt und so viel Geld bringt, dann sollte man eventuell nur auf eines lernen ... freiberuflicher Verantwortungsübernehmer ... für ein paar Millionen im Jahr halte ich gerne meinen Kopf für alles und jeden hin ... vor allem, weil man die Verantwortung in vielen Bereichen ja nur tragen, aber nicht wirklich übernehmen muss ... im schlimmsten Fall wird man mit einer dicken Abfindung entllassen.
Ich trage nebenbei in meinem Job auch die Verantwortung dafür, dass unsere lieben Mitbürger nicht direkt neben dem LPG-Tank oder den Zapfsäulen rauchen (und für alles andere, was Kunden irgendwie negativ auffallen könnte) ... In der Spätschicht bin ich in der Tanke alleine ... und das bedeutet, ICH werde bei einem Überfall bedroht oder eventuell angegriffen und ICH muss dafür sorgen, dass die Besoffenen und sonstige Arschlöcher die friedlichen Kunden nicht anmachen. Der Obachef kennt das zwar auch alles, aber der steht halt seit jahren nicht mehr im Laden ... trägt also im Grunde nur die fnanzielle Verantwortung (ich hoffe jetzt mal, dass das nicht die einzig anerkennensfähige Verantwortung ist).
Und dennoch gibts dafür halt nur knapp über Mindestlohn.
So ist es nunmal, also werde ich den Job auch weiter machen, bis sich was besseres bietet. Ansonsten bliebe mir nur das Jobcenter ... und das ist für mich Pest und Cholera zusammen.
Ausserdem habe ich meine Kollegen mittlerweile echt lieb gewonnen ... alles ziemlich gute Leute ... wahrscheinlich weil alle die gleichen Konditionen haben.
In der Pflege ist es natürlich die Pflegekraft, die sich schuldig fühlt, wenn ein Patient ihr wegrutscht und dann hinfällt ... und das bedeutet auch, dass NUR die Pflegekraft die Verantwortung dafür trägt, dass genau das nicht passiert ... dafür hat man die Ausbildung ... aber manchmal geht halt auch einfach mal was schief ... z.B. weil Patienten eben auch ihren eigenen Kopf haben und eventuell ungeduldig sind.