Justuz schrieb:
@Unnu
Ein leiharbeiter für das werk in dem ich arbeite kostet das werk 33 euro die stunde +zuschläge wenn dieser nachtschicht usw macht. Diese leiharbeiter beziehen wir von einer ziemlich großen und bekannten leiharbeiterfirma. Das sind dann keine super fachkräfte, sondern produktionshelfer, staplerfahrer usw. Davon kommen dann meistens um die 11 euro brutto bei den leiharbeitern an.
Für mich ist das immer ein komisches gefühl, da für die 33 euro die stunde würde ich gerne heute da und morgen da arbeiten, oder eine firma sagt, hier ich zahl dir 33 euro die stunde und dafür gibste jetzt zwei monate gas und danach will ich dich nie wieder hier sehen. Hätte ich keine probleme mit. nennen wirs einfach kurz arbeitsverträge auf selbstständiger basis. Dann könnte man sich den weg über eine leiharbeiter firma sparen. Die leiharbeiter kommen bei uns auch nur zum einsatz wenn gerade eine hohe auftragslage herscht, wir haben eine stamm belegschaft und der rest wird durch leiharbeiter ausgeglichen. Da muss sich kein leiharbeiter hoffnungen machen das er übernohmmen wird, die werden paar monate ausgebeutet und dann können die wieder gehen.
Das ist jetzt kein Angriff auf Dich (meine ich ehrlich). Leider hast du den gesamten Komplex Leiharbeit und wie er im gesamtgesellschaftlichen Kontext eingewoben ist nicht verstanden. Es liegen wahrscheinlich mehrere grundsätzliche Fehleinschätzungen vor.
Das Interessante ist, Du gehst mit den Zielen die hinter der Etablierung von Leiharbeit stehen weitestgehend d'accord, um es mal in der Fachsprache gewisser Leute zu sagen. Kleiner Insiderwitz: Damit könntest Du fast nächster SPD-Bundeskanzler werden, die Stelle ist vakant
.
Sehr gerne würde Dein Unternehmen (und wenn nicht Deins, um deinen Korpsgeist nicht zu wecken, dann viele andere Unternehmen) dich ohne Kündigungsschutz kurzfristig einstellen und kurzfristig wieder entlassen, vielleicht solltest Du aber mal darüber nachdenken, wovon Du Dir z.B. was zu fressen kaufen möchtest, in der Zeit, in der "Dein" Unternehmen Dich nicht braucht. Es sollte klar sein, dass dies die reinste Form des Kapitalismus ist, welche dem Unternehmer die maximale Flexibilät (Freiheit) gibt, während dem Angestellten/Arbeiter die maximale Lebensunsicherheit verschafft wird (Unfreiheit).
Es sollte Dir auch klar sein, dass
niemand vorhat (auf das Beispiel bezogen) Dir 33 Euro/Std. zu bezahlen, auch nicht, wenn Du mit den zuvor genannten maximalen Nachteilen einverstanden wärst (eigentlich genau dann
erst recht nicht). Der Grund: Zum einen Kostenminimierung des Unternehmers, zum anderen Machtlosigkeit des Arbeitnehmers (schöne Formulierung von Dir "ich will dich hier nie wieder sehen"
). Und wenn Du dir alles gefallen lässt, solltest Du wissen wie man mit Dir in Sachen Gehalt umspringen wird. Du siehst ja, dass die Leiharbeiter die 11 Euro Wohl oder Übel akzeptieren. Wenn Sie das nicht würden, kommt halt der Nächste. Und 11 Euro gibt's nur weil eine (viel zu niedrige) untere Grenze eingezogen wurde, bei der man sich jetzt "gezwungen" sieht sich leicht darüber zu bewegen, wenn es sich nicht um eine absolute Hilfsarbeitertätigkeit handelt. Deswegen auch sofortiger, heftiger Widerstand, sobald der Mindestlohn angehoben werden soll.
Aus diesem Grund ist der Sektor der Leih- und Zeitarbeit eigentlich von jeher limitiert (Fristen zur Übernahme, Anteil der Belegschaft). Aufgeweicht von der SPD unter Schröder, einer SPD deren politischer Gesamtauftrag eigentlich genau darin bestanden hätte, dies zu verhindern.
Sehr dankbar aufgenommen von Union/FDP. Kombiniert mit dem angedrohten Absturz in Hartz IV, das perfekte Instrument für billige Arbeitskräfte und damit Produktivitäts- und Gewinnmaximierung, bei stark erhöhtem Druck bedingungslos zu kooperieren. Der Beweis, dass Dir niemand mehr als z.B. die 11 Euro aus Deinem Szenario zahlen möchte ist, das von den selben Gruppen behauptet wird, dass die Hartz IV-Sätze zu hoch seien. Es sollte klar sein, dass das nicht heißt, die Mindestlöhne sollen signifikant angehoben werden, sondern vielmehr (sozusagen "Best-Case"-Szenario) die Hartz IV-Sätze absenken und damit festschreiben, das es vollkommen in Ordnung ist auf dem (dann ehemaligen) Hartz IV-Niveau arbeiten zu gehen. Vollzeit natürlich, Überstunden wie immer wünschenswert, ohne Bezahlung, das wäre glatt ein Sonderlob und feuchter Händedruck bei der Verabschiedung wert, wirst vielleicht sogar weiterempfohlen wegen der guten Ausbeutbarkeit. Und kommt mir ja keiner mit "Aufstiegsmöglichkeiten". Als ob die Millionen Niedrig-, Leih- und Zeitarbeiter in D oder anderswo jemals "Häuptlinge" werden. Das ist eher wie der Esel mit der Karotte vor der Nase, wenn überhaupt.
Um es noch mal final zusammen zu fassen: Leih-/Zeitarbeit ist ein Aspekt einer
Ersatzstrategie um die "perfekte Welt" der "Unternehmer" zumindest in Teilen zu verwirklichen. Teile der "perfekten Welt" hast Du im Kern dargestellt, abzüglich des Gehalts, dass Dir gezahlt werden soll. Die untere Grenze zu der "man" sich eigentlich beim Gehalt orientieren möchte ist Essen, Wohnung und ein Taschengeld.
Ein Folgeaspekt ist natürlich, dass Du möglichst lange arbeiten sollst, um das genannte "selbst zu finanzieren". Das Renteneintrittsalter sollte also möglichst hoch sein. Sollte nämlich zwischen Deinem Renteneintritt und Tod eine zu lange Zeitspanne liegen, heißt das fast automatisch, dass der Staat Dich finanzieren muss (Altersarmut).
Kleiner Spoiler: Es ist meiner Meinung nach als sehr wahrscheinlich anzusehen, dass der erwähnte Zwang zur "bedingungslosen Kooperation" der tiefere
Grund für das Aufkommen einer rechtspopulistischen Partei (AfD) ist. Finanz- und Flüchtlingskrise sind nur
Auslöser (a.k.a. äußerer Anlass) und
Beschleuniger für ihre weitere Entwicklung. Die "perfekte Welt" ist also alles andere als perfekt sondern produziert ziemlich häßliche Kinder. Danke dafür an die Verantwortlichen