TVK Tarifverhandlungen - eine Farce

CommanderROR

Lieutenant
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Hallo allerseits,

ich muss jetzt doch mal meinen Unmut kundtun was die aktuelle situation bezüglich der Verhandlungen zwischen DOV (Deutsche Orchester Vereinigung) und DBV (Deutscher Bühnenverein) angeht.
Leider gibt es in den Mainstream-Medien kaum Informationen zu diesen zähen Verhandlungen, alles worauf man sich berufen kann sind gelegentliche Info-Häppchen auf der DOV Website (die leider miserabel gestaltet ist )und ab und an Gegendarstellungen auf der DBV Seite.

Dem Trauerspiel zu folgen ist also schonmal garnicht so leicht, macht man sich die Mühe und tut es doch so bereut man meist sehr schnell.

Man muss sich fragen was die Verhandlungsparteien eigentlich tun, denn seit Jahren gibt es keinen Fortschritt, immer wieder kommen Meldungen nach dem Motto \"Einigung erzielt, nur noch Details müssen ausgearbeitet werden\" und wenige Tage später dann wieder Katastrophenmeldungen ala \"Verhandlung gescheitert, DBV kündigt TVK komplett\".
Diese ganze Situation ist absolut lächerlich und für alle beteilitgen nur von Nachteil.

Der TVK ist eigentlich ein Segen für alle Parteien, denn dank dieses kompakten Regelwerkes ist der Organisationsaufwand minimal, Streiks und ernsthafte Tarifkonflikte sind seit Jahrzehten unbekannte gewesen, so sollte es in der Kulturbrachen auch sein.

Leider sind die Vertreter des DBV aber wohl nicht so sehr an einem gut funktionierenden System interessiert sondern wollen die Kulturbranche wohl der freien Wirtschaft angleichen.

Ich frage mich wirklich auf welcher Basis der DBV denn steht und wo es denn hingehen soll mit den Theatern und Orchestern!
Glaubt jemand ernsthaft dass etwas gutes dabei herauskommt wenn man die Kultur noch weiter kaputtspart?
Die Beträge um die es bei dem ganzen Streit geht sind minimal, und der DBV bzw. seine Mitglieder würden daran nicht eingehen, was passieren soll ist letzendlich wohl in Richtung \"Hobbymusikerorchester\" gedacht, zumindest kann ich mir nichts anderes vorstellen.
Vielleicht soll Musik zum Ehrenamt werden, Orchestermusiker sollen Werkverträge bekommen wie die armen Sänger und wenn man sie nicht mehr braucht dann muss man sie auch nicht bezahlen. Das wird das Niveau ganz sicher heben...aber Qualität ist ja nur teuer, die braucht man nicht!

Leider ist die Musikergewerkschaft aber auch nicht gerade geschickt im Umgang mit der Situation, viel zu oft verstrickt man sich in Widersprüche, lässt gute Gelegenheiten fahren und fällt mit unkoordinierten Aktionen nur unangenehm auf.

Leicht hat es die DOV dabei aber auch nicht, denn im Gegensatz zu den großen Gewerkschaften fehlt der DOV jegliches Druckmittel.
Orchesterstreiks nützen leider nicht viel, denn die verärgern nur das Publikum, und das ist das schlimmste was passieren kann!
Wer seinen Feierabend bei einer schönen Oper oder einem interessanten Konzert verbringen möchte, eventuell weit fährt und dann vor verschlossenen Türen steht wird sicher nicht begeistert sein und die wenigsten machen sich die Mühe zu recherchieren worum es bei dieser Sache geht. Der Langzeitschaden für die Publikumszahlen ist bei ausgeweiteten Streikaktionen kaum absehbar.
Leider kursieren bei vielen "nichteingeweihten" auch seltsame Vorstellungen über Musikergehälter, entweder inspiriert von diversen Pop und Volksmusikmillionären, berühmten Solisten oder von den Gehältern der Spitzenorchester die ja eher die Ausnahme sind und dann deutlich oberhalb der TVK üblichen Gehälter angesiedelt sind.
Diese Fehleinschätzung wird vom DBV durch gezielte Fehlinformationen noch geschürt.
Ein Tuttist in einem B-Orchester verdient ziemlich genau so viel wie ein Buchhalter bei einer durchscnittlichen Firma.
Der Unterschied ist allerdings dann der Buchhalter nach der Haupt- oder Realschule eine Ausbildung macht und dann mit 16-18 Jahren im Job sitzt ohne weitere Ausgaben oder Aufwendungen zu haben während der Orchestermsuiker nach dem Abitur ca. 10 Semester Studiert, Instrument und Zubehör (Verschleißteile...)Noten usw. anschaffen muss und wenn er mit frühestens Mitte 20 dann eventuell bei einem Probespiel eine Stelle bekommt und noch das Probejahr besteht dann die ersten Jahresgehälter mal zum Tilgen der gesammelten Kosten einplanen kann...hierzu könnte man noch vieles sagen...

Nicht zu streiken ist aber leider auch keine Lösung, denn sonst bekommt der DBV was er will, Musiker zum Billiglohn, pfeif auf die Qualität.

Aber worum geht es bei den Streiks eigentlich? Es geht ja garnicht darum dass ein Orchestermusiker nicht seiner Ausbildung nach angemessen bezahlt wird, nein, es geht um die Tatsache dass dem Orchestermusiker das bisschen was er bekommt noch weggenommen werden soll.
Lohnsteigerungen sollen nicht mehr automatisch mit denen des TVöD steigen sondern gesondert ausgehandelt werden, ein cleverer Zug des DBV, denn während der öffentliche Dienst eine starke Gewerkschaft hat und mit ordentlich Druck die Lohnerhöhungen einfordern kann sitzt die DOV ohne echte Machtmittel da und würde wahrscheinlich nie einen vernünftigen Tarifabschluss hinbekommen...wie denn auch ohne "wirschaftlichen Schaden" der streiks...
Mehr Arbeit fürs gleiche Geld, schlechtere Verträge, usw...das gleiche Lied wie immer.
Dann steht noch die Ost-West Anpassung aus...

Jetzt werden sich einige fragen warum denn Gelhaltserhöhungen überhaupt sein müssen, warum die Ost-West Anpassung sein muss...wer so denkt, dem empfehle ich sehr mal die Preise für übliche Waren über die letzten Jahre zu vergleichen, da wird man schnell feststellen dass die ca. 5% mehr Lohn aus der aktuellen Tarifrunde nicht weit reichen.
Und was den Ost-West Ausgleich angeht...naja, einfach mal in Ost und West die gleichen Produkte einkaufen und Mietspiegel verlgleichen, der Ost-West Anteil ist bei den Ausgaben längst vollzogen, nur bei den Einnahmen (Löhne und Gehälter nicht).


Lange Rede kurzer Sinn...

Es wird momentan versucht Kultur (die übrigens ca. 0,8% des Gesamtbudgets in D ausmacht, und das sind nicht nur die Orchester, das ist alles!) irgendwie zu behandeln wie ein Wirtschaftsunternehmen was nicht funktionieren kann, denn es wird nichts erwirtschaftet, zumindest nicht im herkömmlichen Sinn.
die üblichen Mechanismen der freien wirtschaft sind für Theater und Orchester nicht geeignet, wenn weiter versucht wird hier Dinge in einen Topf zu werfen die nicht bei der gleichen Temperatur zu kochen sind dann wird das schlimme folgen haben, und die treffen letzendlich nicht nur die Orchester...deshalb sollte sowohl DOV als auch DBV sich gut überlegen was sie tun und ob dieser sinnlose Streit der seit Jahren fruchtlos dahinvegetiert nicht einfach mal eingespart werden sollte.

Sorry für den langen und konfusen Text... ;)
 
CommanderROR schrieb:
Es wird momentan versucht Kultur (die übrigens ca. 0,8% des Gesamtbudgets in D ausmacht, und das sind nicht nur die Orchester, das ist alles!) irgendwie zu behandeln wie ein Wirtschaftsunternehmen was nicht funktionieren kann, denn es wird nichts erwirtschaftet, zumindest nicht im herkömmlichen Sinn.
die üblichen Mechanismen der freien wirtschaft sind für Theater und Orchester nicht geeignet, wenn weiter versucht wird hier Dinge in einen Topf zu werfen die nicht bei der gleichen Temperatur zu kochen sind dann wird das schlimme folgen haben, und die treffen letzendlich nicht nur die Orchester...

Entschuldige bitte aber das sehe ich gänzlich anders.

Die Kulturbranche ist genauso eine Dienstleistungsbranche wie jede andere auch. Musiker erbringen eine Dienstleistung und werden entsprechend bezahlt oder fließt hier überhaupt kein Geld?

Wo bitte ist dort der herausragende Unterschied zu anderen? Auch andere Berufsgruppen müssen ihre Ausbildung selbst finanzieren.
 
Das ist schon richtig, darum geht es hier ja auch nicht. Die hohen Ausbildungskosten und co sind noch nicht mal ein Teil der Argumentation...

Was stört ist, dass ein Orchester keine "Wirtschaftsmacht" ist, es wird nichts erwirtschaftet. Natürlich ist es eine Dienstleistung, aber keine selbsttragende.
Theater sind Zuschussbetriebe, daran kann man leider nicht viel machen, das ist sehr traurig, aber leider eine Tatsache. Selbst wenn alle Vorstellungen immer ausverkauft wären könnten damit nicht annähernd alle Kosten gedeckt werden. Die Gehälter der Musiker vielleicht, aber da kommen noch viel größere Posten für Inszenierungen, die Bühnenaufbauten, Techniker, und co dazu.

Das Geld des Publikums fließt ja auch nicht direkt an die Künstler, das geht an die Stadt bzw. an die Landeskasse. Musiker haben auch keinen Einfluss auf die Programmgestaltung, können auch was die Inszenierungen angeht nicht mitreden, haben kein Mitspracherecht bei der Auswahl der Sänger usw.

Zu fordern dass die Orchester bluten um Geld zu sparen aber andereseits den Orchestermitgliedern keinerlei Möglichkeit der Mitarbeit und Mitentscheidung zu gewähren ist auch sehr fragwürdig.

Auch das ist hier allerdings nicht die Frage.

Es geht lediglich darum, dass die Orchester für ihre "Inflationsanpassung" und sonstige Vertragsfragen in Zukunft alleine dastehen sollen.
Das ist aber ein ganz großes Problem, denn im Gegensatz zu Unternehmen können die Orchester keinen nennenswerten Druck auf die Gegenseite ausüben. Von daher wäre der Arbeitgeberseite quasi ein "Freischein" ausgestellt mit den Verträgen zu machen was sie wollen.
Und das tragische daran ist, dass das System so wie es jetzt ist seit Jahrzehnten funktioniert hat und dafür gesorgt hat dass Orchestermusiker zwar nicht gut, aber berechenbar und zuverlässig verdient haben (Orchesterschließungen mal außen vor gelassen, und davon gab es ja leider auch sehr sehr viele!) und es keine Notwendigkeit für Streiks und anderen Unsinn gegeben hat, und sich alle darauf konzentrieren konnten das zu tun wofür sie bezahlt werden.

Genau darum geht es, und um nichts anderes. Alle weiteren Informationen im Text oben sind nur Beiwerk um ein bisschen zu erklären wie die Situation ist.
 
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