mr.e schrieb:
man gucke sich auch mal die eidformeln bei der vereidigung des kanzlers etc. an, da ist auch ein christl. bezug drin.
man kann auch an staatl. universitäten theolgie studieren.
Doch!
Jeder Minister und Kanzler kann, so er es denn will, auch die Eidesformel "Sowahr mir Gott helfe" nach Belieben verzichten. Joschka Fischer war afaik einer der ersten, der das gemacht hat, als er seinerzeit als Umweltminister in Hessen vereidigt wurde.
Und jeder kann an staatlichen Unis Theologie studieren, d.h. ein katholisches Glaubensbekenntnis ist z.B. kein Zulassungskriterium für den Studiengang der katholischen Theologie.
Die Trennung von Staat und Religion ist in Deutschland schon weitgehend umgesetzt, und als bekennender Atheist habe ich persönlich überhaupt keine Probleme mit der relativen Sonderstellung, die den christlichen Kirchen per Konkordat und Staatsverträgen zugebilligt wird. Ich sehe das eher unter kulturellen und historischen als unter religiösen Aspekten.
Nichtsdestotrotz ist das ein Punkt, der für die Türkei spricht. In Deutschland können eine Nonne in ihrer Tracht und ein Mönch in seiner Kutte an einer staatlichen Uni Theologie studieren, in der Türkei kann das aber ein muslimischer Geistlicher afaik nicht. Es ist gar nicht so lange her, dass in der Türkei Studentinnen mit Kopftuch von den Universitäten geflogen sind, weil das als religiöses Zeichen gewertet wurde und damit in Konflikt mit der vollständigen Trennung von Staat und Religion in der Türkei gestanden hat.
Ich sehe die Türkei als laizistischen Staat, und gerade der Umstand, dass das im muslimischem Umfeld der Fall ist, verdient imho besondere Unterstützung.
Andererseits ist das allein für mich keine Eintrittskarte in die EU, da muss noch mehr kommen. Aber wie an anderer Stelle gesagt, es geht ja gar nicht darum, die Türkei morgen in die EU zu integrieren, sondern darum, unter Einhaltung eines genau definierten Fahrplans den Beitritt irgendwann in den nächsten Jahren in Aussicht zu stellen.
Warum nicht? Wenn sich die Türkei eindeutig zu Europa bekennt, dann soll sie auch ein Teil Europas sein. Wirtschaftlich ist das auch nicht schlimmer als z.B. Bulgarien und Rumänien, die demnächst mit im Boot sitzen werden, im Gegenteil. Politisch sehe ich da aber eine Riesenchance, die europäische Gemeinschaft nicht nur nach Osten, wie in den vergangenen Jahren geschehen, sondern auch ein Stückweit nach Kleinasien zu erweitern. Sei es als Wachstums- und Wertegemeinschaft im positiven Sinne, oder auch als Verteidigungsgemeinschaft gegen die islamischen Diktaturen im negativen Sinn.
Viele Grüße, Tiguar