Die RBMK Reaktoren alter Bauweise wurden damals in der ehemaligen Sowjetunion nur deswegen gebaut, weil dieser Reaktortyp eine sehr hohe Ausbeute an Waffenfähigen Plutonium hat.
Jein - Für die Gewinnung von waffenfähigem Plutonium gab es dedizierte Reaktoren, die allerdings technisch verwandt waren. Die Leistungsreaktoreren wurden nicht genutzt, um waffenfähiges Plutonium durch das Online-Refueling zu gewinnen. Hier wurde der mögliche Abbrand voll genutzt. Dennoch setzte man natürlich auf "Synergie-Effekte". Gleichzeitig ließ sich die Leistung durch Hinzufügen gleichartige Komponenten vglw. einfach steigern.
Die RBMK Reaktoren alter Bauweise wurden damals in der ehemaligen Sowjetunion nur deswegen gebaut,
Es gab weitere Gründe, einige hatte ich angerissen. Auch ist der MKER als direkter Nachfolger zusätzlich unter anderen Prämissen von NIKIET projektiert worden.
Die 200MW Reaktorleistung war in Tschernobyl deswegen so gefährlich, weil sich der Reaktor in einer Xenonvergiftung befand
Die Xenon-Vergifung war eine Komponente, es kamen in dem Leistungsbereich aber andere Problematiken hinzu. Die niedrige ORM (repräsentiert die Reaktivitätswirsamkeit der aktuellen Steuerstabkonfiguration im Kern und war zusammen mit der Steuerstabauslegung ein entscheidendes Problem) war teilweise ihr geschuldet. In der damaligen Situation hätte allerdings auch eine etwas höhere ORM die katastrophalen Entwicklungen nicht verhindert. Die Betriebsmannschaft war über das Verhalten bei niedriger ORM ohnehin nicht informiert.
Der damalige Anlagenzustand war darüber hinaus gekennzeichnet durch eine ungünstige Leistungsdichteverteilung und einer geringen Unterkühlung bei Kerneintritt (niedrige Leistung, hoher KM-Durchsatz; allerdings nicht verboten und im Ergebnis auch nicht unfallauslösend). Besonders negativ war die aktuelle Kernkonfiguration. Im Zuge des steigenden Abbrandes waren (bis auf einen) alle fixen Absorber entfernt. Die meisten Brennelemente stammten noch aus der Erstbeladung von 1983. Der Void-Effekt lag in erlaubten Betriebszuständen so bei hohen +5 beta. Der Leistungskoeffizient war laut meinen Unterlagen der IAEA bereits im oberen Leistungsbereich positiv (+0,6 * 10^-4 beta/MW) und wurde in Bereichen unter 50% noch größer. Insgesamt also eine mehr als instabile Situation, bevor überhaupt die Vorbereitungen zum Test begonnen hatten (die Regularien schrieben einen negativen Leistungskoeffizienten vor).
Daher darf man den Test wirklich nur als Katalysator sehen: Es wäre zwangsläufig in einer anderen Anlage aus dem Regelbetrieb heraus zu einer entsprechenden Havarie gekommen. Die Nachrüstungen der post Tschernobyl Ära waren sehr notwendig - um so schlimmer, dass sie zu großen Teilen bereits lange entwickelt waren und wichtige Informationen an die Bedienmannschaften nicht weitergegeben wurden.
und der Versuch spätestens hier hätte abgebrochen werden müssen.
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass es für Besatzung von Block 4 keinerlei Hinweise gab, dass man sich in einer kritischen Situation befand, auch nach dem Abtrennen des Turbosatzes und dem Auslaufen von 4 Hauptkühlmittelpumpen (weitere 4 wurden separat gespeist). Die steigende Reaktivität wurde durch den automatischen Leistungsregler (umfasst Stabgruppen ohne Graphitverdränger) hinreichend kompensiert. Erst mit dem Drücken der Notabschaltung (Bestandteil des Versuchsprogramms) folgte dann die Katastrophe.
Sowohl ein etwas höherer Leistungsbereich als auch eine erhöhte ORM (die damals weder zeitnah noch im vorherrschenden Betriebsregime überhaupt exakt erfasst werden konnte) hätten die Havarie nicht wirksam verhindert (bezgl. ORM siehe u.a. die Analysen der GRS). Gut zusammengefasst von Djatlov selbst:
"The accident happened on 26 April because of the combined effect of the emergency protection, with its faulty rod design, and the positive fast power coefficient of reactivity. In other situations, each of these factors on its own could have led to an accident. (...) the RBMK reactor was most hazardous at power levels up to 40%, depending on coolant flow rate, because of the large positve fast power coefficient. (...). Before the accident, this was not mentioned in any document about the reactor."
Gruß
Denis