@mo schrieb:
Unterschiedlich:
Zustimmung Aussage „Wir leben nur scheinbar in einer Demokratie, tatsächlich haben die Bürger nichts zu sagen“ zu.
West 27% / Ost 54%
Zustimmung „Sozialismus ist eine gute Idee, die nur schlecht umgesetzt wurde“ 18/43
Aussage „Wir brauchen einen starken Politiker an der Spitze, keine endlosen Debatten und Kompromisse“
49/60
Aussage „Mit der Demokratie können wir die Probleme lösen, die wir in der Bundesrepublik haben“ 55/27
Deutschland sollte sich darum bemühen, die Kontakte zu Russland wieder aufzubauen und zu stärken. 25/53
Zustimmung „Glauben Sie, die Demokratie, die wir in der Bundesrepublik haben, ist die beste Staatsform, oder gibt es eine andere Staatsform, die besser ist?“.
Heute 74% im Westen und 38% im Osten. Vor 33 Jahren waren das 80/31
Ich lass das jetzt (erst) mal unkommentiert.
Aus meiner Sicht wird sich zu wenig damit beschäftigt WARUM es diese Unterschiede gibt und sich zu viel darüber aufgeregt, dass es sie gibt.
Ich halte solche Ergebnisse für ein (weiteres) Sichtbarwerden tiefgehender gesellschaftlicher Probleme mit komplexen(!) Ursachen.
Einfache Erklärungen in der Art von "das sind Nachwirkungen der SED-Diktatur", "man hat den Ostdeutschen die Demokratie einfach (noch) nicht gut genug erklärt" oder der Großteil der Ostdeutschen wäre schlicht den Versprechungen extremer Parteien, die einfache Lösungen für komplexe Probleme versprechen, "auf den Leihm gegangen", lehne ich ab. Es wird Personen geben, auf dies dies zutrifft, für mich trifft dies jedoch nur auf eine kleine Minderheit zu. Derartige Erklärungen sind im gleichen Sinne "einfach", wie eben jene versprochenen einfachen Lösungen für komplexe Probleme.
Meine Theorie dazu ist, dass diese bestehenden gesellschaftlichen Probleme zu einer massiven gesellschaftlichen Spaltung geführt haben, die sich in solchen Ergebnissen und der aktuellen politischen Situation widerspiegelt. Extremsituationen, wie beispielsweise die (vereinfacht genannt) "Corona-Zeit", haben diese Probleme weiter befeuert.
Die Ursachen dafür liegen für mich in der Zeit der Deutschen Wiedervereinigung, und zwar ganz konkret in ihrem Ablauf. Unsinnige Behauptungen, wie jene, dass die Ostdeutschen die Wiedervereinigung gar nicht gewollt hätte, wurden zum Glück widerlegt:
https://www.bundesstiftung-aufarbei...-ddr-als-projektionsflaeche/wiedervereinigung
(Interessant hätte ich allerdings gefunden, wie die darin genannten Umfrageergebnisse ausgesehen hätten, wenn man diese Umfagen in gleicher Weise und zum gleichen Zeitpunkt damals unter Westdeutschen durchgeführt hätte. Ich weiß nicht, ob es vielleicht auch in der früheren BRD die Behauptung gab, die Wiedervereinigung wäre den Westdeutschen aufgezwungen worden.)
Jedoch sehe ich meine Theorie durch eben jene "Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur" im Ansatz bestätigt:
https://www.bundesstiftung-aufarbei...ythen-die-ddr-als-projektionsflaeche/treuhand (konkret im gesamten 3. Absatz)
Auszug:
Nur zusammengenommen – Krise der Planwirtschaft, Schock der Währungsunion, forcierte Massenprivatisierungen (Ergänzung von mir: Massenarbeitslosigkeit und daraus erwachsend: eine ungewisse wirtschaftliche und soziale Zukunft) – erklärt sich das sich nach 1990 dann im Osten entfaltende wirtschaftliche Umbruchs- und Krisenszenario, das das vereinte Deutschland bis heute umtreibt.
Ich glaube, dass zu wenigen klar ist, wie eng verbunden berufliche Tätigkeit, gesellschaftliches Leben (abseits der Parteidoktrin) und privates Umfeld tatsächlich waren, und wie tiefgreifend deshalb auch die Auswirkungen dieses strukturellen Wandels in dieser Zeit waren. Das ging weit über "Unternehmen wurde geschlossen", "ich wurde arbeitslos" und "ich muss mich beruflich neu orientieren" hinaus.
Aus meiner Sicht wird man diese gesellschaftlichen Probleme, und ich sehe sie als gesamtgesellschaftliche Probleme, nicht als ostdeutsche Probleme, und die durch sie hervorgerufene Spaltung nicht ohne eine
- kritische,
- in breiter Öffentlichkeit(!) und
- gesamtgesellschaftlich
durchgeführte Aufarbeitung eben jener Zeit (zusammengesetzt aus Wiedervereinigung, ihres Ablaufs und Zeit der massiven gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen -> bis etwa Ende der 90er Jahre) los.
Diese Probleme werden auch nicht von einfach selbst verschwinden, bspw. dadurch, dass irgendwann alle Generartionen, welche die Zeit der DDR und die der Wiedervereinigung miterlebt haben, ausgestorben sind. Ich sehe eher die Gefahr, dass diese sich weiter verstärken werden und dass diese gesamtgesellschaftliche Spaltung weiter zunehmen wird.