Um noch ein wenig an die Diskussion um die Genese des Geldes anzuknüpfen, also an den Fragen wie/wo Geld entsteht, warum es systemisch notwendig ist usw.
Da lohnt sich, welche Überraschung, ein Blick auf Marxens Kapital.
Da stellt er das theoretische Problem, dass Geld ohne Ware nicht erklärt werden kann und dass Ware ohne Geld nicht erklärt werden kann. Beide bedingen einander und eine auf Warenproduktion geeichte Gesellschaft kann nicht funktionieren ohne Geld als das Mittel, worauf sich alle Warenbesitzer mit ihren Waren, um sie austauschen zu können, beziehen. Allerdings ergäbe wiederum Geld auch keinen Sinn, wenn es nicht Warenproduktion gäbe.
Aber wie entsteht dann dieses Geld? Es ist ja nun in der historischen Entwicklung nicht so gewesen, dass sich da Menschen tatsächlich zusammengesetzt haben und herausgefunden haben, dass sie ihre Waren ohne eine andere Ware, auf die sie sich allesamt beziehen können, nicht austauschen können und daraus geschlussfolgert haben dass sie sowas wie Geld brauchen. Ein solches Szenario ist insofern widersinnig als diese Menschen ja sich auf diese Sache (Geld) hätten einigen müssen, die aber ohne die andere Sache (Waren) gar nicht denkbar ist und vice versa. Das bedeutet, dass es nicht vorher das eine gab und dann kam das andere, sondern dass beides sich zeitgleich entwickelt hat. Aber wie?
Marx schreibt;
"In ihrer Verlegenheit [wie sie jetzt Waren austauschen können] denken unsre Warenbesitzer wie Faust. Im Anfang war die Tat. Sie haben daher schon gehandelt, bevor sie gedacht haben. Die Gesetze der Warennatur betätigten sich im Naturinstinkt der Warenbesitzer. Sie können ihre Waren nur als Werte und darum nur als Waren aufeinander beziehn, indem sie dieselben gegensätzlich auf irgendeine andre Ware als allgemeines Äquivalent beziehn. Das ergab die Analyse der Ware. Aber nur die gesellschaftliche Tat kann eine bestimmte Ware zum allgemeinen Äquivalent machen. [...] Allgemeines Äquivalent zu sein wird durch den gesellschaftlichen Prozeß zur spezifisch gesellschaftlichen Funktion der ausgeschlossenen Ware. So wird sie - Geld." (MEW 23, 101, Hervorhebungen von mir)
Marx sagt also, dass Geld gerade durch das Handeln der Warenbesitzer entsteht. Aber die historische Pointe ist, dass es nicht ihre Ratio ist, die sie zum Geld führt, sie "handeln vielmehr bevor sie gedacht haben" den Gesetzen der Warennatur gemäß. Hier sieht man, was Marx von klassischen Ökonomen sowie von aktuellen unterscheidet: Er erklärt Ökonomisches nicht aus dem Individuum als einem homo oeconomicus heraus, sondern erklärt das Handeln des Individuums aus der Struktur der Ökonomie heraus. Diese Analysen ergeben, was die Individuen als Warenbesitzer (aber auch nur als solche!) tun und lassen. Sie müssen ihre Waren auf ein allgemeines Äquivalent beziehen. Indem sie das auch wirklich tun, machen sie, ob sie wollen oder nicht, diese eine spezielle Ware (damals Gold, Getreide etc) zur Ware in Geldform.
Dem Geld als einem fertigen Resultat sieht man dann aber allerdings nicht mehr an, dass es lediglich Resultat des durch die Warenlogik bedingten Handelns der Warenbesitzer ist. Im Gegenteil: Es sieht nach Außen so aus als wenn das Geld als Voraussetzung ihres Handelns ihnen gegenübertritt. Man verfällt dann dem Schein zu denken, dass die Menschen Waren nur auf Geld beziehen, weil das Geld schon da ist. Das ist aber eben falsch. Geld entsteht notwendig durch das Entstehen der Waren produzierenden Gesellschaften und gerade die Logik der Ware macht Geld notwendig.
Somit sind auch alle Theorien mehr als schief, die versuchen am Geld irgendein besonderes Übel zu sehen.
Und im Übrigen sei angemerkt, dass die aktuell in den Universitäten gelehrte Wirtschaftswissenschaften nicht einmal den Hauch einer Ahnung haben wie sie Geld erklären können (nicht was die Geldfunktionen sind, sondern was die systemische Bedeutung der Geldform ist). Das kommt aber schlicht daher, weil sie sich diese Formfragen überhaupt nicht mehr stellen, sondern schon immer das erfundene Konzept eines homo oeconomicus als Ausgangspunkt ihrer Theorien haben. Der aber ist gerade Produkt der ökonomischen Struktur selbst, die einer gesonderten Erklärung und Analyse bedarf.