-oSi- schrieb:
Vernunft ist, wie Moral auch, eine Sache des Standpunktes, der Erziehung und ein Teil der Gesellschaftsordnung eines jeden Einzelnen.
Wo hast du denn solcherlei Erkenntnis eingeflüstert bekommen? Du wirfst da so viele Kategorien durcheinander, da weiß man gar nicht, wo man anfangen soll. Belassen wir es doch einfach bei einem Vorbeistreifen: Diese nicht besonders originelle, dafür aber umso verbreitetere Theorie, daß Moral so divers sei, wie es Menschen gibt, scheint mir m.E. eine Paktiererei des Positivismus mit dem "Gemeinen Menschenverstand". Das sagt viel über das Denken in einer Zeit aus, aber nichts über sein Wahrheitsgehalt. Vernunft wäre die Grundlage, auf der allein sich moralisch Handeln(!) ließe. Das man auch amoralisch handeln(!) kann, und verschiedene Leute das verschieden sehen, daraus leitest du ab, daß das irgendwie Standpunktsache sei. Es geht aber um den Begründungszusammenhang. So schmerzlich diese Erkenntnis auch sein mag, ohne letzten Grund, keine Moral, denn Moral muss universal sein, sonst hat sie keine Geltung und dieser letzten Grund kann man nur in einem System (i.S. einer Systemphilosophie) vermitteln, das diesen Grund kennt und der ist dann (und nach den von Freud benannten drei Kränkungen vielleicht die vierte einer möchtegern-aufgeklärten Gesellschaft: ) Gott. Das ist die eigentlich Paradoxie der Moral (zumindest für Nicht-Katholiken wie mich)
Aber mal aus binnen-positivistischer Perspektive argumentiert: Wie erklärst du dir, das zwar einige Leute 'amoralisch' Handeln (moralische Vorstellungen können psychisch überformt werden, geschenkt), aber die Gesellschaft sich einig darüber ist, daß das falsch sei. Und das sich zwischen Gesellschaften ohne die jew. Kenntnis der anderen immer die gleichen 'Werte' herausgebildet haben? Das ist nicht mein Argument, sondern das von dem "Philosophen" Schmidt-Salomon, der nun wirklich der Metaphysik unverdächtig ist. Ich glaube, diese gedankliche Verirrung geht auf Dawkins zurück...
Ganzir schrieb:
Universal ist aber etwas anderes als absolut und blos weil sich die Anhänger der kritischen Theorie aka habermas'sches Geschwofel zu irgendwas ausgelassen haben, deswegen muss es noch lange nicht richtig sein.
Das ist ja mal eine unglaublich inhaltliche Kritik. Anscheinend wurde da ein Nerv getroffen. Kleiner Tip: Nicht zu Unrecht gibt es ein großartiges Buch, das da "Unkritische Theorie" heißt, in dem Habermas dieser bezichtigt wird. Der Witz ist ja gerade, daß dieser sich der positiven Vernunft anbiederte und eigentlich dir näher ist, als du ihn mir bzw. der Kritischen Theorie unterschieben willst. Denn was ist die Theorie des Kommunikativen Handelns anderes, als der Versuch, bei vielen 'Vernunften' oder 'Moralen' (da verbiegt sich schon die Sprache; mal 'drüber nachdenken, warum diesem Wort der Plural fehlt) wieder sowas wie eine Einheit der Gesellschaft konstituieren zu wollen, ohne auf Letzte Gründe zurückgreifen zu wollen. Aufgeklärte Dummheit.
Ich habe ja auch nur die KT anempfohlen, weil es dir um die Begründung einer absoluten Vernunft ging und die KT mir hier der Endpunkt der derzeitigen Philosophiegeschichte zu sein scheint, d.h. die letzten Vertreter, die noch versuchten, diese aufrecht zu erhalten. [edit: falsche Unterstellung entfernt]
Und, was dir hätte aufgehen können: In diesem Kontext sind absolut und universal synonym zu verwenden, nämlich im Sinne von: Geltungsanspruch der nicht an Raum und Zeit gebunden ist, sondern diese transzendiert. Weil der Begriff absolut ist, d.i. nicht durch ein Drittes eingeschränkt wird, ist er auch universell gültig, d.i. überall und zu jeder Zeit.
Bezeichnend, das du zwar behauptest, das sei etwas anderes, aber es nicht auszuführen vermagst.
edit: Die Pointe am Hypothetischen Vertrag ist ja gerade, daß er Vernunftfähigkeit der Vertragspartner unterstellen muss, also auch einen Vernunftbegriff beinhaltet, aus dem alle speisen. Again: Das zwischen Fähigkeit und Gebrauch, bzw. Begründung und Handlung ein Unterschied besteht, bleibt hier unbenommen. In einigen obigen Ausführungen scheint mir das bei 'euch' aber in eins zu fallen.
Ganzir schrieb:
Wenn du schon Kant erwähnst, dann müsste dir der hypothetische Vertrag ja ein Begriff sein und evtl. kennst du auch A Theory of Justice von Rawls. Wenn du mit universeller Vernunft nun diejenige meinst, welche den Menschen in der originalen Position zugesprochen wird, dann teile ich diesen Vernunftsbegriff durchaus.
Nein bin ich nicht, ich sehe nur, dass eine immer gültige Vernunft an vielen Stellen unterstellt wird, dass es eine solche gibt, zweifel ich jedoch an.
Genau deswegen gibt es ja Eigentumsrechte, damit dies nicht passiert.
Gut das deine dazu genau so wenig ausreicht, da du Brocken in den Raum wirfst, die Konsquenzen, dessen, was passieren könnte, nicht überdenkst und auch nicht skizzierst.
Von der Konsequenz her zu denken, schielt ja schon auf einen Bründungszusammenhang, der dieser Zeit verhaftet ist. Das ist auch der Knackpunkt einer Analytischen Philosophie, wie sie Rawls sich herbeispinnt. Wenn man jeden Inhalt eskamotiert, muss sich natürlich jener der jew. "Jetztzeit" einschleichen (um mal Benjamin ein wenig Gewalt anzutun). (edit: ) Warum funktioniert eigentlich die Logik, auf die sich die Analytische Philosophie so verlässt? Ohne das Tertium Non Datur würde jeder Satz dieser Denker in sich zusammenfallen. Die ist doch nicht - Gott behüte (hehe) - universal oder gar absolut? Oder ist es so, daß die Sätze dann in einer anderen Zeit formal gesehen falsch sein werden, weil eine andere Logik vorherrscht? Oder kann man das gerade Gegenteil behaupten, weil man eine andere Logik hat, z.B. aus A folgt nicht B sondern wieder nur A? Das wäre doch mal originell.
Wenn du an einer universellen Vernunft zweifelst, damit in Konsequenz (die du ja im Denken einforderst, zumindest von dem anderen Diskutanten über mir) auch an Rationalität der Aussagen. Warum schreibst du dann überhaupt etwas? Das scheint mir ein performativer Widerspruch: Du versuchst über eine Rationalität jemanden zu vermitteln, daß es diese gar nicht gibt. [ratio = Vernunft]
Vielleicht solltet ihr beide mal zwischen Handlung und der Begründung dieser unterscheiden.
Eure Begründung des Privateigentums ist nämlich gebunden an die Abwesenheit einer universalen Moral. Was sich schon verräterrisch "Eigentums
rechte" weiter oben nennt. Die Frage ist ja, woher dieses Recht kommt. Bestimmt nicht aus der positiven Gesetzgebung wie dem GG, das erklärt nämlich Eigentum für eine vorrechtliche Kategorie, die jenseits des Gesetzes ganz selbstverständlich da ist. Was das GG* damit verschleiert: Gewalt bildet das Recht auf Eigentum. (Das BGB verschleiert dies übrigens nicht: "§ 854 Erwerb des Besitzes (1) Der Besitz einer Sache wird durch die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache erworben." Ist das etwa ein Aufruf zur Revolution?)
Wenn man das doof findet - das sei jetzt mal unterstellt - muss man sich auch über eine andere Form der gesellschaftlichen Vermittlung und - nicht zuletzt - Synthesis Gedanken machen. Marx hatte da die tolle Idee, Vernunft walten zu lassen. Das war naiv, aber eine aus der Zeit verständliche Naivität, deswegen meine obige Frage an die Marxologen, woher die denn kommen solle...
edit*) Art. 14 GG, BGHZ 6 Eigentum wird "... von staatlicher Rechtsetzung unabhängige Geltung..." zugeschrieben