Weltanschauungen im Allgemeinen, Systemkritik, Diskussionen rund um den Kapitalismus

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:D also wenn dir der deutsche Finanzminister ganz offiziell und ungeschnitten sagt, dass Deutschland zu keiner Zeit voll souverän war, meint er es auch so. Auf der Konferenz reden sie über die aktuelle Wirtschaftslage und er ist bekanntlich Finanzminister. Nun, im welchem Kontext meint er wohl "nicht voll souverän"? Preisfrage ...

Das bedeutet, dass es völlig Schnuppe ist, was unsere Politiker bestimmen wollen. Die Anweisungen kommen von wo anders. Und die USA findet's bestimmt nicht toll, wenn Saudi Arabien, China und Russland ihre Reserven im Euro anlegen ...
 
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also wenn dir der deutsche Finanzminister ganz offiziell und ungeschnitten sagt, dass Deutschland zu keiner Zeit voll souverän war, meint er es auch so

Meinen heißt nicht wissen.

Auch der Mann ist fehlbar.

und woher kommen die Anweisungen deiner Meinung nach?
 
Keine Ahnung? Von den Sieger-Mächten vielleicht?!
Du fragst immer Sachen :rolleyes:
 
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Die Siegermächte, darunter auch die USA, haben Deutschland nach deiner Anschauung also gesagt, dass Deutschland, in die EU und die Währungsunion eintreten soll, damit eine Konkurrenzwährung zum Dollar entsteht. Die EU überhaupt zu einer Gegenmacht der USA wird.

Warum sollte "unser Herr und Meister der Ami" - um mal deine Wortwahl zu verwenden das wollen?

Die Siegermächte, darunter auch Frankreich, welches überhaupt gegen ein Wiedererstarken Deutschlands war, will jetzt, dass Deutschland bei einer Währungsunion dabei ist, obwohl es wirtschaftlich stärker ist als Frankreich, womit diesem eine solche Union nicht zum Vorteil gereicht?

Und wenn die Siegermächte das alles wollen, warum hält sich England dann bei vielen EU-Angelegenheit zurück, macht nicht mit, oder ist gar dagegen? England ist meines Wissens nach auch eine Siegemacht.

Nebenherbemerkt, wahrscheinlich spielt Schäuble auf die Föderale Struktur der BRD an, daher auch die Wordwahl "voll" souverän.
 
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richtig. Von wem werden denn die Siegermächte kontrolliert :D
Du siehst wohin das hinaus geht ...

Im Endeffekt ist's verdammt egal. Nur, der deutsche Politiker ist es auf jeden Fall nicht.
 
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Von wem werden denn die Siegermächte kontrolliert

Deiner Meinung nach die Illuminaten, Bilderberg, Freimaurer oder sonst wem, diese Auffassung teile ich aber nicht.

Und die Idee das deutsche Politiker die Siegermächte kontrollieren, halte ich für genau so abwegig. Da dies deiner Meinung nach aber so sein sollte, scheint Abe mit seiner Einschätzung, was dein politisches Spektrum angeht, gar nicht so falsch gelegen zu haben.

Man beachte mal deine Wortwahl ganz genau. Der deutsche Politiker, soll irgendwas kontrollieren? Echt? Nicht das Volk? Interessant!
 
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kennst du noch die DDR? Wie viel hatte denn die DDR der Sowjetunion zu sagen?
Was konnte die DDR damals souverän entscheiden?

Dir könnte auch die Angela Merkel morgen zur Prime Time in einem Live-Interview auf der Tagesschau wortwörtlich erklären, dass Deutschland in Wirklichkeit seit 1945 die GmbH von England und den USA ist und du würdest auf die "föderale Struktur der BRD" spekulieren xD

EDIT: Ach, ich gebs auf @Ganzir ...
Bist wohl schon zu lange indoktriniert gewesen :D


Schönen Montag noch
 
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Was hat die DDR und die Sowjetunion mit der EU zu tun?

Und da Schäuble von Deutschland redet, zu welchem auch die DDR gehört, konnte während der Zeit der deutschen Trennung von Souveränität natürlich sowieso keine Rede sein, da die DDR, wie du ausnahmsweise mal richtig implizierst, nicht souverän war.

Bist wohl schon zu lange indoktriniert gewesen

1) Anfeindungen waren schon immer was tolles.

2) Man sollte nicht von sich auf andere schließen.

3) mal abgesehen davon, dass es sich hier um den typischen letzten Ausweg des Verschörungstheoretikers handelt ... alle die mir nicht glauben, gehören eben schon "dazu" und werden von "denen" kontorlliert ... nicht wahr?

Anhaltspunke für deine Theorien hast du nämlich keine.

Durch eine föderale Struktur hingegen, bleibt jeder Gliedstaat (Bundesland) nämlich nur noch teilsouverän. Die übrige Souveränität geht auf Bundesebene über. Damit ist kein einzelnes Gebilde für sich genommen "voll Souverän". Das sagt Schäuble nämlich auch, dass sich die 3 Gewalten nur auf einer Ebene abspielen. Dies ist seit der föderalen Struktur Deutschlands aber nicht mehr der Fall.

Für Verschwörungstheoretiker, wie z.B. dich ist das natürlich ein gefundenes Fressen, da hat sich jemand verplappert ... endlich kommt es raus, was wir (die dieser Theorie verhafteten) schon immer wussten.

Die Leute im Info-Krieger Video haben übrigens tatsächlich keine Ahnung von Politik oder informieren bewusst falsch, da kannst du dir jetzt aussuchen, was besser in dein Weltbild passt. Würden Sie nicht deine Meinung wiedergeben, wäre es natürlich zweiteres.

Der Begriff "Governance" ist nämlich nicht gleichbedeutend mit dem deutschen Begriff "Regierung" wie das Video impliziert. Sonder hebt auf die gesamte Organisation und Struktur eines Staates ab und nicht nur auf die Regierung. Das wären nämlich nur der Bundeskanzler und seine Minister. Das Schäuble hier einen anglizismus benutzt, hat den Grund, dass es für dieses Wort keine 1:1 entsprechung im Deutschen gibt.

Aber auch dies ist natürlich ein gefundenes Fressen für Verschwörungstheoretiker, da man hier ja wieder Verschleierung oder sonst was unterstellen kann.

Dir auch noch einen schönen Montag.
 
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Es ist wirklich müßig, mit euch zu diskutieren, also Arbeit am Begriff zu leisten, wenn das Geschriebene so grob ignoriert wird. Der Versuch, den Gegenüber in seinen Aussagen Ernst zu nehmen (außer so offensichtlich verwirrte Verschwörungshansel wie Silberbrecher) scheint hier ein Anathema. Wie oft habe ich oben betont, daß es zwischen der Ebene der Handlung und der des Begründungszusammenhangs geht; und dann kommt man mir trotzdem mit dem psychologistischen Stein der Weisen von Ingroup und Outgrup. Das muss ich mir als Psychologe wirklich den Bauch vor Lachen halten. Es wurde hier nie versucht zu verstehen, daß es um den Begriff geht und man ontologisch zwischen Wesen und Erscheinung zu unterscheiden hat; stattdessen versucht man sich - mit ein wenig Empirie des gemeinen Menschenverstandes - an Widerlegungen, die in ihren Prämissen schon scheitern müssen, weil sie Begriff und Sache in Eins setzen. Das Traurige: Das ist von mir antezipiert worden sind (Stichworte: Handlungsebene und Begründungsebene), hat aber auch nichts genutzt. Ich scheine auch immer wieder auf den Trugschluss hereinzufallen, es könne in einem Internetforum diskutiert werden. Alleine schon das Zitieren von Wikipedia disqualifiziert die Diskussion. Für eine Diskussion über das "Allgemeine" und "Systemkritik" sollte man auch einen Begriff vom Allgemeinen und System haben - also eine Reflexion darauf, was gesellschaftliche Totalität bedeuten mag. Die Widersprüche in die die Rechtspositivisten sich hier verrennen, ist, wie man bei vielen 'Moralen' und vielen 'Vernunften' noch gesellschaftliche Synthesis herstellen kann, warum und von was der Laden zusammengehalten wird. Das ist ein Widerspruch, der von der bürgerlichen Theorie der Gesellschaft mit in die marxsche Kritik geschleppt wurde, deswegen gilt meine obige Frage an die Marxologen auch ebenso den Apologetikern des am gesunden Menschenverstand erkrankten.
Wenn die Marxologen sagen: Der Wert hält den Laden zusammen, so ist das nicht so falsch, sagt aber nichts darüber aus, warum gerade Vernunft in einer post-kapitalistischen Gesellschaft dafür herzuhalten vermag.

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P.S. Es scheint mir auch immer im luftleeren Raum diskutiert zu werden. Dabei helfen, das zu vermeiden, könnte eine Textgrundlage. In der Hoffnung habe ich die Bücher im Beitrag #1776 verlinkt. Aber auch gerne gucke ich mir einen Text von euch an, sofern er nichts mit Wikipedia zu tun hat und ganze Absätze enthält.
Wir können das auch gerne an einem sehr zentralen Satz argumentieren (sofern man sich auf dessen Begründungszusammenhang einlassen mag, was wiederum Kenntnis, also Lektüre voraussetzt): Und zwar Kants: "daß ein Gesetz, wenn es moralisch d.i. als Grund einer Verbindlichkeit gelten soll, absolute Notwendigkeit bei sich führen müsse."
Und bitte keine common sense Argumente mehr.... das ist so langweilig wie falsch.
 
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"Wenn die Marxologen sagen: Der Wert hält den Laden zusammen, so ist das nicht so falsch, sagt aber nichts darüber aus, warum gerade Vernunft in einer post-kapitalistischen Gesellschaft dafür herzuhalten vermag."

Was denn eigentlich für eine post-kapitalistische Gesellschaft? Wo soll die sein?
Es sagt vielleicht deswegen nichts darüber aus, weil diese Frage uninteressant ist, um den über den Wert vermittelten gesellschaftlichen Zusammenhang zu verstehen. Das, was du ergründet haben willst, ist rein philosophischer Natur. Wens interessiert, bitte. Mich zumindest nicht und deswegen empfinde ich auch keine Verpflichtung dazu diese Frage zu beantworten, auch wenn sie dir wichtig scheint. Daher bringst du auch weiter oben die problematische Rede vom Unterschied zwischen Wesen und Erscheinung, und das auch noch "ontologisch", so als wenn im Sein, in der Materie selbst, logisch (seinslogisch) sich einerseits ein Wesen und andererseits eine Erscheinung finden würde. Das ist Hegelei im wahrsten Sinne des Wortes (auch ein Adorno fiel darauf rein). Mit materialistischer, vor allem marxscher (des reifen Marx zumindest) Gesellschaftskritik hat das nichts zu tun. Vieles von dem was du ansprichst und vor allem Ganzir und natürlich Silberbrecher vorwirfst, ist erstmal ok. Dennoch geht dein Angriff auf 'die Marxologen' daneben, wobei man auch gern wüsste wer das genau sein soll. Ich nehme an ich? Bei Dug wäre ich nicht sicher und bei barista erst recht.
Und was hat eigentlich Moral mit Verbindlichkeit (also Stringenz/Begriffsstrenge eines Arguments) zu tun? Kant war auch recht seltsam unterwegs. Universelle Philosophie wollte er treiben (also contradictio in adjecto). Mit Bürgerlichem (als Folie im Hintergrund) angereichertes Geschwätz ist häufig rausgekommen.
 
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Abe81 schrieb:
Alleine schon das Zitieren von Wikipedia disqualifiziert die Diskussion.

Warum sollte das so sein? Weil im wissenschaftlichen Kontext die Wikipedia als nicht zitierfähig gilt? Deswegen kann man dennoch für eine Begriffsdefinition auf Wikipedia verweisen, mit dem Hinweis, ich verwende Begriff X so, wie dort erläutert. Was ist daran deiner Meinung nach problematisch?

Abe81 schrieb:
Das ist ein Widerspruch, der von der bürgerlichen Theorie der Gesellschaft mit in die marxsche Kritik geschleppt wurde, deswegen gilt meine obige Frage an die Marxologen auch ebenso den Apologetikern des am gesunden Menschenverstand erkrankten.

Warum sollte das ein Widerspruch sein?

Außerdem holzt du selbst mit diversen Begriffen nur so um dich herum, du redest von gesellschaftlicher Totalität, welche Gesellschaft meinst du denn dann? Die ganze Menschheit, die Menschen innerhalb eines Staates? Noch etwas drittes und was immer es auch ist, was zeichnet für dich eine Gesellschaft aus?
 
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Ganzir schrieb:
Außerdem holzt du selbst mit diversen Begriffen nur so um dich herum, du redest von gesellschaftlicher Totalität, welche Gesellschaft meinst du denn dann? Die ganze Menschheit, die Menschen innerhalb eines Staates? Noch etwas drittes und was immer es auch ist, was zeichnet für dich eine Gesellschaft aus?

Ich bringe gesell. Totalität nicht ins Spiel, sondern habe angemerkt, daß das dem Thema dieses Threads notwendig immanent ist. Wer es mit der Anschauung von "Allgemeinen" und "Systemen" hält, vor allem mit deren "Kritik", der muss einen Begriff von gesell. Totalität haben, oder dazu schweigen. Warum, das führe ich unten, in der Erwiderung auf th3o aus. Die ist durchaus etwas länger (und noch immer viel zu kurz), weil sie, vielmehr als eine Erwiderung auf die etwas magere Antwort th30 zu sein, eine etwas zusammengeschrumpfte Wiedergabe meiner Leküre Lukacs' Spätwerk ist, die ich vor kurzem angefangen habe. Ihr dient also nur, das sei mir verziehen, als argumentative Pappaufsteller.

th3o schrieb:
"Wenn die Marxologen sagen: Der Wert hält den Laden zusammen, so ist das nicht so falsch, sagt aber nichts darüber aus, warum gerade Vernunft in einer post-kapitalistischen Gesellschaft dafür herzuhalten vermag."

Was denn eigentlich für eine post-kapitalistische Gesellschaft? Wo soll die sein?
Es sagt vielleicht deswegen nichts darüber aus, weil diese Frage uninteressant ist, um den über den Wert vermittelten gesellschaftlichen Zusammenhang zu verstehen. Das, was du ergründet haben willst, ist rein philosophischer Natur. Wens interessiert, bitte. Mich zumindest nicht und deswegen empfinde ich auch keine Verpflichtung dazu diese Frage zu beantworten, auch wenn sie dir wichtig scheint. Daher bringst du auch weiter oben die problematische Rede vom Unterschied zwischen Wesen und Erscheinung, und das auch noch "ontologisch", so als wenn im Sein, in der Materie selbst, logisch (seinslogisch) sich einerseits ein Wesen und andererseits eine Erscheinung finden würde. Das ist Hegelei im wahrsten Sinne des Wortes (auch ein Adorno fiel darauf rein). Mit materialistischer, vor allem marxscher (des reifen Marx zumindest) Gesellschaftskritik hat das nichts zu tun.

Vieles von dem was du ansprichst und vor allem Ganzir und natürlich Silberbrecher vorwirfst, ist erstmal ok. Dennoch geht dein Angriff auf 'die Marxologen' daneben, wobei man auch gern wüsste wer das genau sein soll. Ich nehme an ich? Bei Dug wäre ich nicht sicher und bei barista erst recht. Und was hat eigentlich Moral mit Verbindlichkeit (also Stringenz/Begriffsstrenge eines Arguments) zu tun? Kant war auch recht seltsam unterwegs. Universelle Philosophie wollte er treiben (also contradictio in adjecto). Mit Bürgerlichem (als Folie im Hintergrund) angereichertes Geschwätz ist häufig rausgekommen.

Ja, Adorno, Lukacs, Marx... alle fielen darauf herein. Gut daß nun die Strukturmarxisten kommen, um damit aufzuräumen. Hemdsärmlig soll nun endlich das marxsche Diktum aus der letzten Feuerbachthese Ernst genommen werden und Marx der Hegel ausgetrieben.
Die Vorwürfe, etwas sei "bürgerlich" oder nicht richtig "materialistisch" stanken schon immer nach Gesinnung, die nicht auf die eigenen, kategorialen Grundlagen reflektieren mag. Marx hat sich da übrigens sehr oft zu geäußert, was dabei herauskommt, wenn man das Kind mit dem Bade, die Bürgerlichkeit der Zivilisation austreiben will - z.B. gegen den sog. rohen Kommunismus (u.a. in den Pariser Manuskripten).
Das klingt nach einem Geschwätz aus Zeiten der zweiten Internationalen. Kautsky, ick hör dir Trapsen. Wenn der Marx erstmal vom Hegel und den Gespenstern der Ontologie und Metaphysik befreit wurde, dann können wir richtige Ökonomiekritik betreiben. Das ist ein sehr solipsistische Position (und damit viel mehr Sophisterei als das Rekurrieren auf Hegel), die schon gar nicht mehr mit der Wirklichkeit in Kontakt treten möchte. Der Vorwurf, etwas sei 'bürgerlich' oder nicht 'materialistisch' ist so hohl wie selbstgenügsam. Was, wenn der Kritiker das affimiert und sagt: Ja klar vertrete ich eine bürgerliche, anti-marxistische Position. Dann ist nichts gewonnen außer der je eigenen Vergewisserung, auf der richtigen Seite zu stehen. Dass etwas kritikabel ist, sollte sich aus der Begründung heraus verstehen (siehe das Vorwort zur vierten Auflage des Kapital) und nicht durch den Verweis auf die richtige Chiffre (Materialismus) oder ein vermeintlich stigmatisierendes Attribut (bürgerlich).

Was am Begriff der Ontologie "problematische Rede" sein soll, kannst nur du verstehen. Wem eine "Rede" problematisch werden kann, der sollte mit dem Vorwurf des bloßen Philosophierens nicht so um sich werfen. Es geht hier ja schließlich nicht um Geschwätz, sondern die Sache, die vermittels des Geschwätz zur Geltung kommen soll. D.h. nicht die Rede ist problematisch, sondern das in der Rede entaltene.

Es geht hier deswegen um eine Ontologie des gesellschaftlichen Seins, denn es geht hier um nicht weniger, als die Begründung einer Objektivität. Und wer Marx den Hegel austreiben will, beraubt ihn auch um die Objektivität seiner Argumente. Ich hebe deswegen so sehr darauf ab, da ich mich gerade ein wenig mit Lukacs Spätwerk beschäftige (der übrigens auch immer den stalinistischen Vorwurf bekam, doch mal die Hegelei zu lassen) und das durchaus nicht unfruchtbar ist, wenn man gerne den Kapitalismus auf den Schutthaufen der Geschichte befördern möchte. Das hat eine ganze Menge mit Ethik zu tun, denn es muss ja einen normativen Maßstab für die Kritik geben.

Ein Blick auf das heutige "Kritikverständnis" zeigt (wie oben schon mehrmals passiert), daß heute unter Kritik oftmals die Relativierung von Geltungsansprüchen verstanden wird. Als kritisch gilt die Position, die relative Maßstäbe als einzig legitime ausgibt und so Aussagen, die ein Allgemeines betreffen, den Anspruch auf Objektivität erheben und universale Geltung beanspruchen, als unkritisch verwirft. Das ging also gegen die Common-Sense-Argumente von den positivistischen Vorrednern hier (Ganzir & Co). Also gegen Rorty&Rawls und den von ihnen vertretenen Pragmatismus und der diesen stützende, erkenntnistheoretische Relativismus. Sie reduzieren Objektivität auf Intersubjektivität (das müsste dir doch ziemlich stinken). Den Maßstab moralischen Handelns verortet dieser Ethnopluralismus allein in der Ingroup (Ganzir: "Es gibt in jeder Gesellschaft nunmal nur eine Moral") der eigenen Kultur. Damit lässt sich schlecht Revolution machen, wenn Maßstab der Sittlichkeit kein universaler ist, sondern die jew. eigene Gesellschaft - und deswegen auch das Beharren auf einer universalen Moral. Und deswegen bedarf es auch einer genetischen Darstellung der Gesellschaft, der dieses Geschwätz als ideologisch denunzieren kann, also einen Begriff von Geschichte. Und da kommt dann die böse Ontologie ins Spiel.

Lukacs' Grundriss einer Anthropologie die allgemeinen Bestimmungen von Menschsein expliziert, die die Bedingungen jeder spezifischen Kultur als je spezifischer Erscheinungsweise des Menschseins bilden. Lukacs' Sozialontologie reflektiert auf die Bedingungen der Möglichkeit von Geschichte und kann so leisten, was der Pragmatismus und andere (Kultur)Relativismen nicht vermögen: das für jeden Menschen gültige Faktum der eigenen biologischen und sozialen Reproduktion anhand des Begriffs der Arbeit zu explizieren und damit die Veränderbarkeit, Entwicklung und unterschiedliche Erscheinungsweisen menschlicher Praxis zu begreifen (was du ja hoffentlich auch willst, wozu liest du sonst Marx). Im Begriff der Arbeit wird das grundlegende Weltverhältnis des Menschen artikuliert, in dem die Möglichkeit zur (Selbst)Veränderung angelegt ist. Dadurch können Möglichkeiten von menschlicher Praxis und globalem menschlichen Zusammenleben, die über den Rahmen des Status quo bestehender Gesellschaften hinausweisen, ausgelotet und zur Diskussion gestellt werden.

Aber: Zur Ontologie des gesellschaftlichen Seins sollte zunächst die ontologische Grundlegung einer (hier kommt der Clou: marxistischen) Ethik sein. Um die ethische Tat zu begreifen, bedürfe es, wie Lukacs sich auf den bösen Hegel beziehend sagt, einer Kenntnis der allgemeinen Natur der einzelnen Tat, eine allgemeine Handlungstheorie ist also die Voraussetzung zum Verständnis ethischer Handlungen. Arbeit (als grundlegendes Mensch-Natur-Verhältnis, ewig notwendiger Stoffwechsel) und Vernunft werden hier also als Mittel der gesellschaftlichen Synthesis gefasst - auch über die kapitalistische Gesellschaft hinaus.

Post-kapitalistische Gesellschaft meint dann nämlich: Was soll Statthalter des Werts werden, wenn dieser nicht mehr ist...

Darauf muss der gewiefte Marxist doch eine Antwort haben. Lukacs hatte die seine. Der Witz daran: Das mag noch so unvollkommen sein (aus der Klasse für sich wurde einfach nichts), ist aber jeder reflexhaften, marxistischen Abwehr von Ontologie bei Weitem überlegen.
 
Damit lässt sich schlecht Revolution machen, wenn Maßstab der Sittlichkeit kein universaler ist, sondern die jew. eigene Gesellschaft

Naja ich wollte auch nie mit irgendwas Revolution machen, daher stört mich das jetzt eher weniger.

das für jeden Menschen gültige Faktum der eigenen biologischen und sozialen Reproduktion anhand des Begriffs der Arbeit zu explizieren

Jetzt buddelt er tatsächlich "Arbeit als anthropologische Grundkonstante" aus. - Glaubst du da wirklich dran?
 
Ganzir schrieb:
Damit lässt sich schlecht Revolution machen, wenn Maßstab der Sittlichkeit kein universaler ist, sondern die jew. eigene Gesellschaft
Naja ich wollte auch nie mit irgendwas Revolution machen, daher stört mich das jetzt eher weniger.

Das habe ich auch keine Sekunde lange bezweifelt. Wie sich aber ebenso zweifellos der Struktur des obigen Textes entnehmen lässt, gilt das gar nicht dir. Du durftest nur - so viel gestand ich dir in der Antwort zu - mitlesen.

Ganzir schrieb:
...das für jeden Menschen gültige Faktum der eigenen biologischen und sozialen Reproduktion anhand des Begriffs der Arbeit zu explizieren
Jetzt buddelt er tatsächlich "Arbeit als anthropologische Grundkonstante" aus. - Glaubst du da wirklich dran?

Das steht nicht annähernd in dem Zitat, das du deiner Unterstellung vorangestellt hast. Tip: Einen Begriff einer kategorialen Analyse explizieren bedeutet nicht, diesen zu affirmieren; edit: hättest du den Satz vollständig zitiert, würde dein Einwand vollends wirr wirken, denn dort steht das gerade Gegenteil deiner Unterstellung: "und damit die Veränderbarkeit(!) [...] menschlicher Praxis zu begreifen"
oder an anderer Stelle:
Möglichkeit zur (Selbst)Veränderung angelegt ist. Dadurch können Möglichkeiten von menschlicher Praxis und globalem menschlichen Zusammenleben, die über den Rahmen des Status quo bestehender Gesellschaften hinausweisen, ausgelotet und zur Diskussion gestellt werden.

Du erkennst also hoffentlich nun, was dir auch eine gründliche Lektüre des obigen Textes oder der Methode Marxens bereits beigebracht hätte: Das Gegenteil ist der Fall. Anhand der Explikation eines Begriffs kann man ideologiekritisch auf seine Aufhebung hin wirken.

Aber - die Unterstellung mal tatsächlich unterstellt - jetzt würde mich doch was interessieren:

Du bist nicht sonderlich an Revolution interessiert (also wohl nicht an der positiven Aufhebung der kapitalistischen Gesellschaft), möchtest dem Staat (zumindest der Form nach) nichts Böses, aber wetterst gegen eine "anthropologische Grundkonstante Arbeit". Widerspricht sich das nicht? Wie soll eine Gesellschaft kapitalistisch organisiert sein, aber keine Arbeit kennen? Oder ist das eher leerer Skeptizismus alllgemeiner Natur, vulgo: Dass da etwas ewig existiere ("Konstante") finde ich jetzt aber eine gewagt Aussage...
 
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@Abe81

Interessanter Post, hoffe mein Verständnis ist halbwegs ausreichend um etwas beizutragen.
Als einer derer, die mit dem Kapitalismus nicht so ganz einverstanden sind interessiert mich natürlich die Frage nach dem "Wert - Platzhalter"

Zitat Abe81

Post-kapitalistische Gesellschaft meint dann nämlich: Was soll Statthalter des Werts werden, wenn dieser nicht mehr ist...

Darauf muss der gewiefte Marxist doch eine Antwort haben. Lukacs hatte die seine.


Steckt diese Antwort in diesem Absatz?

Lukacs' Sozialontologie reflektiert auf die Bedingungen der Möglichkeit von Geschichte und kann so leisten, was der Pragmatismus und andere (Kultur)Relativismen nicht vermögen: das für jeden Menschen gültige Faktum der eigenen biologischen und sozialen Reproduktion anhand des Begriffs der Arbeit zu explizieren und damit die Veränderbarkeit, Entwicklung und unterschiedliche Erscheinungsweisen menschlicher Praxis zu begreifen (was du ja hoffentlich auch willst, wozu liest du sonst Marx). Im Begriff der Arbeit wird das grundlegende Weltverhältnis des Menschen artikuliert, in dem die Möglichkeit zur (Selbst)Veränderung angelegt ist. Dadurch können Möglichkeiten von menschlicher Praxis und globalem menschlichen Zusammenleben, die über den Rahmen des Status quo bestehender Gesellschaften hinausweisen, ausgelotet und zur Diskussion gestellt werden.

Also füllt Lukac den Platzhalter des Wertes mit?...Arbeit als grundsätzliches Wertverständnis? Weil die MEnschen sich über sie und in ihr reproduzieren? Sich verändern?
Ok, das klingt plausiebel - aber MArx leistet diesbezüglich doch auch wichtige Grundlagen, indem er den Kapitalismus seiner Zeit betrachtet und erst mal darauf aufmerksam macht, dass Güter ÜBERHAUPT einen Inhalt abseits ihres (Tausch) Wertes haben, nämlich den Gebrauchs Wert, der über die dem Gut innewohnende verausgabte Arbeit entsteht.

Also, Marx weißt doch schon auf diesen über Arbeit definierten Wertbegriff hin.

Jetzt kenne ich Lukac nur von dem was du hier postest, aber vielleicht kannst du zu diesem Wert - Platzhalter in diesem Kontext nochmal was sagen.
 
Marx soll nicht "der Hegel ausgetrieben werden", sondern mir scheint, dass bei Vertretern des sog. westlichen Marxismus (frühe Kritische Theorie, Lukacs) Marx durch Hegel hindurch gelesen wird und auf (philosophischem) Druck da eine Vermengung vollzogen werden soll, die dem Marx eher den Stachel zieht. Es wird, wie bereits gesagt, die meiner Ansicht nach problematische Unterscheidung zwischen Wesen und Erscheinung aus dem frühen Marx in den späten hineingetragen - sofern dieser späte Marx überhaupt eine Rolle spielt und man sich nicht nur auf die als Entfremdung von einem Wesen missverstandene Fetischismuskonzeption aus dem ersten Abschnitt des 'Kapital' bezieht.
Man sollte schon ernst nehmen dass die 'Deutsche Ideologie' aus Sicht von Marx und Engels eben die Schrift ist, in der sie sich von ihrem "philosophischen Gewissen" befreit haben. Sie diente zur Selbstverständigung (daher konnte sie auch "der nagenden Kritik der Mäuse" überlassen werden) und es wurde nach und nach der Wechsel zu einem neuen wissenschaftlichen Paradigma durchgezogen (ausführlich dazu siehe Michael Heinrichs empfehlenswertes Buch 'Die Wissenschaft vom Wert'). Nicht mehr die Entfremdung des Menschen von irgendeinem ihm essentialistisch innewohnenden 'wirklichen' Wesens war zu kritisieren oder als Ausgangspunkt der Kritik zu nehmen, sondern der Begriff der Form wurde zentral und die Frage, wie Vergesellschaftung sich über Formen vermittelt vollzieht, war spätestens ab den 1850er Jahren die Art Gesellschaftskritik/-analyse zu betreiben.

Dass Hegel damit für Marx nicht mehr wichtig war/ist, ist absolut nicht gesagt. Im Gegenteil: Marx hat, wie verschiedene spätere (also 1850er Jahre und später) Stellen anzeigen, sich Hegel immer mal wieder vorgenommen und daraus bestimmte Einsichten gewonnen. Die Kritik der frühen Hegelkritik stand im Raum. Nicht dass Hegel mit Abstraktionen arbeitet sollte die Kritik sein, sondern wie Hegel mit Abstraktionen umgegangen ist. Marx wurde in den 1850er Jahren klar, dass man 'Wirklichkeit' nicht einfach ablesen kann (eine Haltung die auch noch in der Deutschen Ideologie auftritt - Auflösung vom alten Paradigma also ein Prozess und kein Sprung ins 'Neue'), sondern ein im weitesten Sinne abstrakt-kategorial-begriffliches Instrumentarium braucht, um Wirklichkeit gedanklich rekonstruieren zu können. Nur sollte man nicht, wie Hegel es tat, die Abstraktion dann selbst für das Wirkliche oder den Entstehungsprozess des Wirklichen halten. Die Reise ist "rückwärts anzutreten". Die Abstraktion ist, wie Marx selbst sagt, nur die Art für das Denken sich das Konkrete anzueignen.
Hier die ganze Stelle aus den Grundrissen: "Das Konkrete ist konkret, weil es die Zusammenfassung vieler Bestimmungen ist, also Einheit des Mannigfaltigen. Im Denken erscheint es daher als Prozeß der Zusammenenfassung, als Resultat, nicht als Ausgangspunkt, obgleich es der wirkliche Ausgangspunkt und daher auch der Ausgangspunkt der Anschauung und der Vorstellung ist. Im ersten Weg wurde die volle Vorstellung zu abstrakter Bestimmung verflüchtigt; im zweiten führen die abstrakten Bestimmungen zur Reproduktion des Konkreten im Weg des Denkens. Hegel geriet daher auf die Illusion, das Reale als Resultat des sich in sich zusammenfassenden, in sich vertiefenden und aus sich selbst sich bewegenden Denkens zu fassen, während die Methode, vom Abstrakten zum Konkreten aufzusteigen, nur die Art für das Denken ist, sich das Konkrete anzueignen, es als ein geistig Konkretes zu reproduzieren. Keineswegs aber der Entstehungsprozeß des Konkreten selbst."
 
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DugDanger schrieb:
Jetzt kenne ich Lukac nur von dem was du hier postest, aber vielleicht kannst du zu diesem Wert - Platzhalter in diesem Kontext nochmal was sagen.

Wenn der Wert nicht mehr ist, der Staat sowieso Geschichte, aber Menschen noch sind, muss es etwas geben, was diese freien Individuen miteinander assoziiert. Dass Vernunft (der marxsche Vorschlag) da nicht ausreicht, hat die Geschichte nach Marx ja nun gezeigt. In der Zeit, in der er lebte, konnte er noch so optimistisch sein. Nun kann man das nicht mehr, deswegen stellt sich erneut die Organisationsfrage. Sozusagen historisch aktualisiert. Denn wer nach Shoah und Gulag einfach so weitermachen möchte, der hat Marx entweder im Senioren-Lesekreis der DKP beigebracht bekommen oder ist ein wenig hirntot.

th3o schrieb:

Das Ausspielen des jungen gegen den alten Marx ist so alt wie der Marxismus selbst. Warum das nun Gegenstand der Diskussion hier geworden ist, erschließt sich mir nicht; meine Sache ist es nicht.

Da fiel der Name eines sog. westlichen Marxisten und eine verfemte Vokabel (Ontologie) schon wird das ganze Arsenal an eingeübten Argumenten abgespult, ohne darauf zu achten, worum es überhaupt geht (die Methode vom Abstrakten zum Konkreten wird zitiert, Hegel wird von Marx vom Kopf auf die Füße gestellt... kommen noch mehr Binsen?).

Der erst Satz des Kapitals nimmt bereits eine Unterscheidung von Wesen und Erscheinung vor. Denn worin ist der gesellschaftliche Reichtum gebannt? Um die Unterscheidung von Wesen und Erscheinung kann man gar nicht herumkommen, sonst müsste man auch keine zwischen Form und Inhalt vornehmen, keine zwischen Subjekt und Objekt. Sonst könnte sich nichts verkehren. Sonst könnte kein Schein entstehen, sonst gäbe es keine Analyse des Fetisch, die wäre verstellt. Das ist eine solche logische und erkenntnistheoretische Banalität, daß sie eigentlich nicht weiter erläutert werden müsste.
Es soll hier also um eine bei den Westmarxisten nicht nachvollzogene Transformation des Begriffs des Wesens bei Marx gehen? Das ist ernsthaft deine Behauptung? Oh boy. Was genau hast du denn schon zum Begriff der Ontologie bei Lukacs gelesen? Worauf stützt sich deine Behauptung? Dass es keine Einheit des Werks bei Marx gibt, wäre ja erstmal das zu Diskutierende. Wer in der dialektischen Wesensbestimmung des Menschen als ein universaler, auf seiner eigenen Grundlage sein Gattungswesen transzendierender irgendwas von "essentialistisch" schreibt, der muss aber noch eine ganze Menge mehr dazu schreiben. Das haben schon viele Leute getan, das musst du nun nicht wiederholen, ich will damit nur zum Ausdruck bringen: So ein Abgewatsche im Vorbeigehen, das sich aus dem Nähkästchen einer gewissen Phraseologie speist, ist noch nicht Argumentation zu nennen. Was man nämlich wirklich Ernst nehme sollte, sind die Texte selbst, danach erst ihre Entstehungsgeschichte. Der Inhalt verrät schon genug über ihr Verhältnis zueinander, da muss man nicht erst ihre Entstehungsbedingungen bemühen.
edit: Wie verstehst du denn die im Kapital kühne Behauptung, Aristoteles unterlege bei dem Verständnis des durch Geld vermittelten Tausches einer historischen Erkenntnissschranke, weil es den Wert noch nicht gab? Das ist ja mal geschichtsphilosophisch harter Tobak ontologischer Natur. (S. 74 in der MEW 23)

Und auf welchen Druck hin wird denn da bitte was von wem vermengt? Der Stachel scheint mir da eher bei Heinrich zu fehlen. Der Stachel ist so gewaltsam gezogen worden, daß die klaffende Wunde, die die heinrichsche Banalisierung hinterlassen hat, richtig weh tut. Da lag ich ja mit dem Vorwurf der "Marxologie" ja goldrichtig. Die hier angeführte "Wissenschaft vom Wert" habe ich selber (schamhaft) in der letzten Ecke meines Bücherregals versteckt. Daraus wird dann, wie ich gerade nachgelesen habe - vorsichtig formuliert - von dir 'zitiert', ohne auch nur einen der gescholtenen westlichen Marxisten, geschweige denn Hegel, je eines Blickes gewürdigt zu haben. Erkenntnis aus Tertiärliteratur im besten Falle.

Also zurück zum Thema des Threads: Was wäre denn dein Maßstab für "Systemkritik". Was wäre deine Idee für eine post-kapitalistische gesellschaftliche Synthesis?

Die Idee von Ganzir&Co. kennen wir ja: Bleibt alles so, wie es ist. Passt schon. Argumentativ anstrengen muss man sich dafür nicht, wie man lesen kann. Der Bezug für sein "passt schon" ist nämlich der Relativismus. Wer also Kritik leisten will, ist in der Beweislast, muss das also als Ideologie denunzieren. Kritik heißt Scheiden, nämlich Wahres von Falschem. Dazu musst du aber einen Begriff von Wahrheit haben, bzw. einen Bezugsrahmen für die Unterscheidung von wahr und falsch. Sonst funktioniert die ganze schöne marxsche Ideologiekritik nicht.
 
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Der erste Satz des Kapitals nimmt nicht die Unterscheidung von Wesen und Erscheinung vor. Das ist lediglich die beliebte Interpretationsweise von Antideutschen Lesarten (siehe Joachim Bruhn, Wolfgang Pohrt usw.).
Der erste Satz ist nichts als eine Deskription, ein Anfangspunkt der Darstellung. Der Reichtum der Gesellschaften in denen nun mal Kapitalismus herrscht stellt sich als eine Ansammlung von Waren da. Die "obskurantistische" (Ingo Elbe) Lesart macht daraus, dass in diesem Satz auch Reichtum als nicht-kapitalistisch ausgesprochen ist/gemeint ist. Das soll dann das Wesentliche sein, hingegen im Kapitalismus ist Reichtum in entfremdeter Gestalt. Kann man gern machen, aber das nenne ich einfach eine Überfrachtung des Textes - auch wenn die Absicht in letzter Instanz natürlich löblich ist.
Man braucht auch nicht die Unterscheidung von Wesen und Erscheinung um über Form und Inhalt zu reden. Inhalt: Eigentum. Form: Privateigentum. Inhalt: Arbeit. Form: von Privatproduzenten verausgabte Arbeit als Anwendung der Ware Arbeitskraft. Wo ist jetzt das Wesen?
Die Rede von Wesen und Erscheinung ergibt im Kapital, wie ich finde, keinen Sinn. Marx benutzt das Begriffspaar auch kaum bis gar nicht (im Gegensatz zu seinen Frühschriften). Ein bestimmter Inhalt stellt sich in einer bestimmten Form dar. Da ist nicht die Rede von einem Wesen, das dann erscheint. Das gehört einem anderen Paradigma an.

Zu der Aristoteles-Geschichte: In der Antike galten die Sklaven ja nicht als Freie und Gleiche (offensichtlich). Daher hatte Aristoteles auch nicht den Begriff der abstrakten Arbeit (Substanz des Wertes), weil die gesellschaftlichen Formen das nicht hergaben. Dann hätte bereits der Sklave sich frei und gleichberechtigt mit anderen Sklaven seinen Meister aussuchen können müssen um ihm seine Dienste anzubieten. Um den Wertbegriff zu entwickeln braucht es die Ware Arbeitskraft, die angeboten und vernutzt wird. Aber die Arbeitskraft der Sklaven war nicht warenförmig vermittelt, sondern es war dies schlicht ein Gewaltverhältnis. Die Schranke ist eine von der Gesellschaftsformation selbst. Die Vergesellschaftung in der Antike verlief über andere Formen und daher hatte Aristoteles eben nicht den Wertbegriff (so zumindest Marxens Argumentation).



"Was wäre denn dein Maßstab für "Systemkritik". Was wäre deine Idee für eine post-kapitalistische gesellschaftliche Synthesis?"

Warum soll ich einen "Maßstab" brauchen für meine Kritik? Ich weiß nicht mal was du genau damit meinst. Ich weiß auch nicht was du mit "Synthesis" meinst wenn du mich nach einer Idee für eine post-kapitalistische Gesellschaft fragst. Was soll da womit synthetisiert werden?

Im Übrigen: Dass du denkst, dass ich Hegel usw nicht mal "eines Blickes gewürdigt" habe...tja, was soll man schon auf sowas entgegnen. Vielleicht das: Auf diesem Diskussionsniveau scheinst du mehr Erfahrungen zu besitzen als ich. Deswegen mache ich dir das Feld lieber mal nicht streitig. ;)
 
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ich möchte mich bei allen Diskutanten hier bedanken. Es ist eine echte Freude mitlesen zu können/dürfen. Hier lernt man mehr, als in seiner ganzen Schulzeit. Macht bitte weiter so.
Grüße
 
Abe81 schrieb:
Du durftest nur - so viel gestand ich dir in der Antwort zu - mitlesen.

Und ich gestehe mir zu, zu Antworten, wo ich es für richtig halte.

Abe81 schrieb:
Du bist nicht sonderlich an Revolution interessiert (also wohl nicht an der positiven Aufhebung der kapitalistischen Gesellschaft), möchtest dem Staat (zumindest der Form nach) nichts Böses, aber wetterst gegen eine "anthropologische Grundkonstante Arbeit". Widerspricht sich das nicht? Wie soll eine Gesellschaft kapitalistisch organisiert sein, aber keine Arbeit kennen? Oder ist das eher leerer Skeptizismus alllgemeiner Natur, vulgo: Dass da etwas ewig existiere ("Konstante") finde ich jetzt aber eine gewagt Aussage...

Nö da wiederspricht sich überhaupt nichts.

Irgendwann hat die Menschheit das Tech-Level erreicht, dass niemand mehr arbeiten muss. Deswegen wird es aber nicht legal jemanden umzubringen oder? Wer sorgt also für die Einhaltung des Gesetzes, dass Mord unter Strafe stellt - doch wohl der Staat oder glaubst du nur, weil Menschen nicht mehr arbeiten müssen, qualifiziert sie dies Richter in eigener Sache zu sein? - Warum deiner Ansicht nach die Gesellschaft kapitalistisch Organisiert sein muss, erschließt sich mir ebensowenig. Wenn bei dir ein Ende der kapitalistischen Verhältnisse gleichbedeutend mit einer Revolution ist, dann schließe ich eine solche nicht aus. Nur halte ich es durchaus für möglich, dass sich sowas derartig langsam vollzieht, dass es niemand wirklich merkt, weswegen der Begriff "Revolution" mir zu Bedeutungsschwanger ist.

Abe81 schrieb:
Die Idee von Ganzir&Co. kennen wir ja: Bleibt alles so, wie es ist.

Habe ich nie behauptet und lasse ich mir von dir auch nicht in den Mund legen. Schon in meinem ersten Post in diesem Thread sagte ich, dass ich die jetzigen Verhältnisse nicht, für der Weisheit letzten Schluss halte, wie du also auf die völlig absurde Idee kommst, dass meiner Meinung nach alles bliebe wie es ist, erschließt sich mir ebenfalls nicht.
 
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