Abe81
Rear Admiral
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th3o schrieb:Warum soll ich einen "Maßstab" brauchen für meine Kritik?
Ich habe vor kurzem von Alfred Schmidt "Der strukturalistische Angriff auf die Geschichte" gelesen, da musste ich kurz an diese virtuelle Diskussion denken und die Misere, die sich hinter der oben zitierten Frage versteckt. Den obigen Lektüretipp will ich insofern den Pappenheimern hier nicht vorenthalten, weil mir die Vorwürfe, die Schmidt gegen die Struktur-Marxisten erhebt, mir z.T. auch hier zutreffend erscheinen - nur das dieser Fehler nicht das Eskamotieren des Prozesses aus einer Strukturanalyse zur Grundlage hat, sondern das Verschwinden der Kritik als Bedingung der Möglichkeit des Verstehens. Wer alles in Form und Inhalt auflösen will, der scheint auch keinen oder einen unterbestimmten Begriff von Genesis und Geltung zu haben und erst Recht keine Vorstellung davon, warum diese gesellschaftliche Organisation und deren kategoriale Vermittlung (=Synthesis) kritikabel ist - dafür fehlt der Maßstab, wie oben ausgeführt. Beitrag #1812 nochmal sehr genau lesen, insbesondere:
Sie [die Kritiker der universalen Moral] reduzieren Objektivität auf Intersubjektivität (das müsste dir [th3o] doch ziemlich stinken). Den Maßstab moralischen Handelns verortet dieser Ethnopluralismus allein in der Ingroup (Ganzir: "Es gibt in jeder Gesellschaft nunmal nur eine Moral") der eigenen Kultur. Damit lässt sich schlecht Revolution machen, wenn Maßstab der Sittlichkeit kein universaler ist, sondern die jew. eigene Gesellschaft - und deswegen auch das Beharren auf einer universalen Moral. Und deswegen bedarf es auch einer genetischen Darstellung der Gesellschaft, der dieses Geschwätz als ideologisch denunzieren kann, also einen Begriff von Geschichte. Und da kommt dann die böse Ontologie ins Spiel.
Durch das Lesen von Schmidt kommt man auch dem Gedanken auf die Spur, warum die Kritik, die an der politischen Ökonomie geleistet werden soll, notwendig objektiv sein muss (wenn man das, wie den vergangenen Ausführungen zu entnehmen, schon nicht bei Marx verstanden wurde).
Es geht um das Wesen der kap. Produktionsweise, das innere Band, ihren naturgeschichtlichen Prozess, ergo: die gesellschaftliche Totalität wird der Kritik unterzogen. Aber von welchem Standpunkt aus? Der Standpunkt der Kritik kann ja nur außerhalb der Gesellschaft liegen, wenn diese als Ganze der Kritik unterzogen wird.
Sonst kann man sich ja auch mit den breimäuligen Faselhänsen einig sein und die Causa-Sui-Theorie der Produktivkräfte abfeiern, d.h. daran glauben, daß irgendwann Arbeit überflüssig werde, weil diese auf den technischen Fortschritt beruhe und nicht auf der kap. Organisationsform dieser.
Man könnte sich einig werden, daß alles ein wenig gerechter zugehen solle, und fertig ist die Kritik.
Was war noch gleich Marx Kritik an den Menschenrechten? Und warum seien diese ideologisch? Was ist dan überhaupt Ideologie wenn es keinen Schein gibt (denn wo Schein ist, muss auch Wesen sein, was soll sich sonst verkehren?). Woher zieht der Fetisch seine Geltung?
Ich habe ein wenig Angst, daß bei einer Revolution viele die Kalashnikov falsch herum halten werden, oder noch schlimmer: In die falsche Richtung, vulgo: auf die falschen zielen.