Meinen Gedanken liegt zu Grunde, dass dieses System - so krank und marode es auch sein mag - schon seit verdammt langer Zeit besteht, schlecht bis garnicht funktioniert, sich im dauernden Zusammenbruch befindet und dennoch weiterlebt.
Gehe ich ca. 2400 Jahre zurück, so kann ich schon bei Plato nachlesen, dass die antike Hochkultur der griechischen Stadtstaaten schon mit der gleichen "menschlichen Schwäche" für Lug, Betrug und sozialen Status zu kämpfen hatte. Auch der hat es (im Abschlussmythos der Politeia - zu deutsch "Der Staat" ) bereits mit mythologischen Argumentationen versucht - leben nach dem Tod, wiedergeburt und Hölle und so weiter. Abgesehen davon, dass das damals wenige Leute gelesen haben, war der Verweis auf jehnseitige Qualen und der Gedanke, dass sie in irgend einer Weise für de Taten im aktuellen Leben leiden müssten, kein ausreuchender Grund dafür, ihr Streben nach Macht, und die Übervorteilung Anderer zu überdenken. Dem Tyrannen vondamals war es gelinde gesagt einfach scheißegal, wie er vor Gott, dem Schicksal oder irgend einer anderen höheren Macht dasteht, solange es ihm im aktuellen Leben nur genug Vorteile brachte.
Das Ansehen vor Gott ist mMn nicht besonders gut geeignet, denn es hat scheinbar keine Auswirkungen auf das eigene aktuelle Leben (weder positive noch negative). Naja, sozialer Status fühlt sich scheinbar selbst für die gottesfürchtigsten unter uns irgendwie besser an.
Das, was ich für das Problem halte (Gier, Egoismus, Maßlosigkeit), hat sich leider aus meiner Perspektive seit Ewigkeiten nicht geändert, und es ist auch nicht nur ein Problem der Mächtigen. Kapitalismus ist schon lange nicht mehr nur ein Wirtschaftssystem, es ist ein erschreckend weit verbreitetes Denkmuster, welches genauso hinter "Geiz ist Geil" (bzw. der Attraktivität von Sonderangeboten und Schnäppchen) steht, wie hinter Giftmüllverklappung im Nordmeer oder dem Lobbyismus in der Politik. Und Kapitalismus als Denkmuster ist mMn auch schon sehr viel älter, als Adam Smith oder Karl Marx.
Leider ist dieses System für viele zu selbstverständlich, als dass sie es überhaupt als Problem sehen würden. Das System, was ich meine, sorgt auch bei mir dafür, dass ich beim Einkaufen nach Möglichkeit sparen möchte, und mich freue, wenn ich jemandem etwas über Preis verkaufen kann. Und damit bin ich - da muss ich mir gegenüber ehrlich sein - leider auch mitschuldig an Lohndumping und Sozialabbau, und damit indirekt am immer größer werdenden Spar-Druck, dem auch ich dann spüre (
Uroboros lässt grüßen).
Du brauchst dir ja nur mal den ganzen Effektivitätswahn anschauen - alles muss optimiert werden (im Sinne von "input" und "outcome" ).
Was daran so schlimm ist? Man muss sich nur mal fragen, was denn wohl das absolute Optimum darstellt. 100% möglicher Outcome bei minimalem Input. Am effektivsten komme ich also z.B. an jemandes Geld, wenn ich ihn beraube (mal als Beispiel), und natürlich ist Giftmüllverklappung kurzfristig effektiver als eine teure aber nachhaltige Entsorgung - es kostet einfach weniger Geld, und kann sozusagen "en passant" erledigt werden. Da jubelt die Aktionärsversammlung, denn das steigert den effektiven Jahresgewinn, und damit die Renditen - da fragt dann auch keiner mehr nach den Mitteln, selbst wenn sie langfristig den Untergang des Unternehmens (mitsamt der Renditen) bedeuten könnten.
Um dieses System zu durchbrechen, müsste es zunächst für jeden Menschen selbstverständlich sein, nicht nur nach der höchstmöglichen Effizienz im eigenen Vorgarten zu trachten. Aber wie sollen z.B. Top-Manager Weitsicht lernen, wenn sie es für normal halten (wobei ihnen die Wirtschaftspraxis sogar noch Recht gibt), dass sie nach 3 Jahren Missmanaagement mit einer 10stelligen Abfindung verabschiedet werden? Damit fahren sie doch eigentlich sogar besser, als ohne Missmanagement.
Direkte Konsequenzen der eigenen Taten im aktuellen Leben, das ist mMn der einzige erfolgversprechende Weg. Wenn z.B. Politiker Mist bauen, sollte ihnen in etwa so harte Konsequenzen drohen, wie einem Hartz4-Empfänger - Kürzung der Bezüge bis auf Nahrungsgutscheine, bauen sie dann weiter Mist, sind auch die weg.
Die Frage ist nur, wer will so einen Job dann noch machen? Wahrscheinlich nicht viel mehr Menschen, als mit Hartz4 -100% glücklich wären - Keiner. Sogar dieser Gedanke taucht bei Platon schon auf, der daraufhin externen Druck für den falschen Weg hält, und eine utopie entwirft, bei der der Glaube eine zentrale Rolle spielt - geklappt hat auch das nicht wirklich (siehe 7.Brief). Es scheitert laut Platon schon an einer korrupten Basis, auf der einfach kein "gutes" politisches System gebaut werden kann, eben weil Gier, Egoismus und Maßlosigkeit in der Gesellschaft scheinbar so tief verwurzelt waren/sind.
Das viel verwurstete (und mMn nur selten verstandene) "Höhlengleichnis" spricht da ganze Bände, über die Erfahrungen mit einer Gesellschaft, die eigentlich nicht wirklich an tiefgreifenden Veränderungen interessiert ist, sonst würden die Menschen nicht noch immer glücklich am Grund der Höhle sitzen, und Schatten bewundern.
Dazu ein kleiner, dummer Witz:
Treffen sich zwei Planeten:
Planet 1: "alter, du siehst aber scheiße aus"
Planet 2: "Ich weiß, ich habe homo sapiens"
Planet 1: "achso, na dann sei mal ganz beruihigt, das erledigt sich meist von selbst".
Tut mir Leid, dieser ausgewachsene Kulturpessimismus ist über Jahrzehnte hinweg gewachsen - obwohl ich mich vehement dagegen gewehrt habe.
Warum habe ich eigentlich so'n Druck auf'm Schädel, ist das Wetter umgeschlagen?