Ich habe mir jetzt mal die letzten 5 Seiten angetan (oder warens doch nur 4 - egal).
Zum einen wurde darüber diskutiert, ob Gott etwas physisches, sichtbares, irgendwie dingliches ist.
Der Gott der Bibel ist es offensichtlich nicht ... der ist aber auch nur eine relativ späte Evolutionsstufe des Gottesgedanken an sich.
Nehmen wir die antiken griechischen Götter, dann haben wir sehr wohl spürbare Ereiugnisse in der Dingwelt, die direkt mit den Göttern und ihren Fähigkeiten verknüpft sind.
Zeus und Thor stehen z.B. für Gewitter (vielmehr für die Blitze).
Poseidon ist in dieser Gedankenwelt für Erdbeben und Wasserbewegungen zuständig.
Arthemis kann für gute Ernte oder Jagderfolg verantwortlich gemacht werden (und natürich auch für die Gegenteile).
Und wenn ein Vulkan ausbricht, dann liegt das an Hephaistos Schmiede.
Alles sehr physische Dinge, die die Menschen wahrgenommen haben, vor denen sie Respekt und Angst hatten (verständlich), und die sie sich znächst nicht erklärn konnten.
Je mehr sich die Menschen erklären konnten, desto weniger physisch mussten auch die Götter werden.
Bis hin zum Gott der Bibel, der nur deswegen für "Alles" verantwortlich zeichnen kann, WEIL er nicht mit Naturgewalten zusammen gedacht wird.
Wer sich beim Thema Religion nur mit den Buchreligionen (Judentum, Christentum, Islam) beschäftigt, der ignoriert 9/10 der Entstehungsgeschichte dieser Religionen ... und der hat natürlich auch seine Probleme mit diesem gewordenen Bild einer angeblich ungewordenen Wesenheit.
Das mit dem Abbild passt aber wirklich, nur ist die Schöpfungsrichtung eine andere, denn nicht Gott schuf den menschen nach seinem Ebenbild, sondern der Mensch schuf sich nach seinem Ebenbild einige Götter.
Bei den meisten polyteistischen Glaubensrichtungen ist das noch drin ... da haben die Götter sogar so vollkommen imperfekte Eigenschaften wie Gier, Neid, Eifersucht, Herschsucht ... und noch ein paar andere durchaus nicht angenehme menschliche Eigenschaften.
Worauf ich hinauswill, ist Folgendes.
Wo immer sich Menschen unerklärliche Naturphänomene zu erklären versuchen, gibt es die Möglichkeit des Scheiterns ... und dann helfen eben nur noch göttliche Wesen. Den Ausgangspunkt für diese Schöpfung bildet immer die Lebensumwelt des Menschen. Lebt der "in der Natur", so werden seine Götter Dinge aus dieser Umwelt repräsentieren (Tiere, Berge, Steine, Flüsse, Wetter usw.).
Menschen, die sich vor der Natur sicher fühlen (weil sie z.B. in einer Stadt leben), suchen sich eben etwas anderes ... und sie erklären auch nicht mehr nur Naturphänomene (soweit für sie wichtig) sondern eben auch soziale Zusammenhänge ... daher haben bei den Griechen die Götter auch sehr menschliche Eigenschaften (der Stein des Anstoßes für den trojanischen Krieg sind Eifersucht und Neid ... Aphrodite kommt einfach nicht drauf klar, dass Paris Helena für schöner hält) ... das, was die Menschen in ihrer eigenen Erlebniswelt wahrnahmen, haben sie auf ihre Götter übertragen.
Der Streit zwischen ein paar Göttern führt zu einem langen krieg ... in dem natürlich nur Menschen zu Schaden kommen.
Entsprechung in der Erlebniswelt der Griechen ... Könige streiten sich, und deswegen sterben hunderte ihrer Untertanen.
Sogar die Hierarchie der griechischen Götterwelt mit Zeus an der Spitze entspricht einer monarchistischen Ordnung ... genau dass Staatssystem, in dem die meisten Griechen vor dem römischen Reich lebten ... und nach der Eroberung hat sich genau daran nichts geändert ... die alten Götter hatten nun lediglich andere Namen.
Jemand, der 1925 gelebt hat, wird die Funktionsweise eines iPads wohl nicht verstehen ... eine Turing-Maschine wird er schon besser durchschauen können ... und mechanische Registrierkassen sind für ihn ein alter Hut.
Der würde die Registrierkasse für nichts besonderes halten, die Turing-Maschine für etwas nur schwer verständliches und im iPad würde der wohl ein fucking Wunder sehen.
Technologie auf einem hohen Entwicklungslevel, wird jemandem, der nicht auf diesem Level denken kann, immer vorkommen, wie "Magie".
Natürlich wussten altgriechische Priester schon, wie sie "Zeus die Tempeltüren öffnen lassen können" ... sie haben Blitzableiter gebaut, über die ein Mechanismus in Gang gesetzt wurde, den die Gemeinde unter keinen Umständen zu sehen bekommen durfte. Der Blitz schlägt in den Tempel ein, aber statt zu brennen (wie jedes andere Haus, in das der blitz einschlägt) gehen beim Tempel nur die Türen auf, was man als "Einladung" Zeus' in seinen Tempel interpretieren kann, wenn man keine Ahnung hat, was da wirklich pasiert.
Natürlich ist Religion immer auch missbrauchbar ... und Menschen (vor allem mit weiterentwickeltem technologischen Verständnis) können der Versuchung, den Glauben ihrer Schäfchen auszunutzen, auch nur recht schlecht widerstehen.
Die heutige Fassung der bibel wurde im 4. Jahrhundert n.Chr. beim Konzil von Nicäa beschlossen. fast 1/3 der Evangelien hat es nicht bis in die Bibel geschafft (siehe Qumram-Schriftrollen), weil man eine Institution schaffen wollte und dafür eine einheitliche Kanonisierung benötigte ... ein Volk, ein Gott, ein König ... das klappt eben nicht ohne ausgefeilte Ideologie.
Vor Nicäa war die Gnosis eine Glaubensrichtung innerhalb des Christentums ... danach galt sie als Häresie und wurde im gesamten römischen Reich verfolgt ... nicht weil man nicht durch sich selbst zu Gott finden könnte, sondern weil das Konzil mehrheitlich beschlossen hat, dass nur der Weg über die römisch-katholische Kirche als von Gott bestellte (eigentlich war es Petrus) Nachfolger Christi auf Erden ins Himmelreich führt.
Geile Machtbasis ... das ist gewiss. Genauso gewiss ist aber, dass in der Bibel nach Nicäa nichts mehr drin steht, was den mächtigen auf diesem Konzil nicht in den Kram gepasst hat.
Das ist eine "Mainstream"-Bibel, die eine Vielzahl an Erzähungen so eingegrenzt hat, dass eine solide Machbasis entsteht ... natürlich wurden in der Zeit danach tonnenweise Schriften verbrannt, die der Nicäa-Bibel widersprachen ... Kanonisierung läuft nie ohne Opfer.
Warum sonst hätten die Gemeinden ihre Qumram-Schriftrollen sonst so gut versteckt, dass sie erst mehr als 1500 Jahre später wieder entdeckt wurden ... zum Glück von Menschen, die sie nicht gleich als Ketzerei verbrannt haben, als sie erkannten, WAS das ist
Heute kann man nur noch schwer nachvollziehen, was das Christentum im 1. Jahrhundert genau war ... denn das hat eben in seiner Vielfalt und Variabilität in dem Moment aufghehört zu existieren, als das Christentum römische Staatsreligion wurde.