kim88 schrieb:
Das ist eine extrem starke Romantisierung des "alten" Internets. Das man im Internet versucht hat Geld zu verdienen war schon sehr früh so. Dieses "heile Welt Kommunismus Internet" hat es nie gegeben.
Und ob es die gegeben hat. Sogar bis heute existiert diese Welt!
Es gab damals viele private Foren, die nichtkommerziell betrieben wurden. Ich selbst hatte eines. Die meisten davon sind verschwunden, seit Konzerne wie Facebook das Internet "übernommen" haben. Allein die Modding-Szene ist Kommunismus pur, da leistet jeder, der kann und möchte, einen Beitrag. 99% der Mods sind kostenlos! Es gibt Spiele, die Jahrzehnte alt sind, und die weiterhin von Fans und Moddern unentgeltlich gepflegt werden: Jagged Alliance 2, Diablo, Gothic 3 usw. Das Entwicklerstudio DICE ist aus Moddern entstanden, die damals Desert Combat für Battlefield 1942 programmiert haben, und die Mod hat das Spiel überhaupt erst richtig populär gemacht. EA hat die Jungs dann angeworben.
Willst du mal die Mods für Skyrim zählen? Oder für Valheim? Viel Spaß, damit dürftest du eine Weile beschäftigt sein.
Die allermeisten Blogger haben bis heute weder eine Paywall noch pflastern sie ihre Pages mit Werbung voll. Die arbeiten rein ehrenamtlich!
Frühe Youtuber haben ihre Beiträge aus Leidenschaft gemacht (AVGN kennst du?). Da gab es noch kein permanentes Betteln um Abos und Likes, so wie das inzwischen Usus ist. Die Information und der Inhalt standen im Vordergrund, nicht der Personenkult.
Und "Sharing is caring" dürfte dir wohl auch ein Begriff sein, oder?
Ich behaupte nicht, dass niemand damals im Internet Geld verdienen wollte. Diese Menschen gibt es immer und überall. Aber du blendest offensichtlich sehr viel aus.
Geh' doch heute mal ohne Adblocker auf eine Games-Wiki, dann wirst du feststellen, dass sich vieles zum Negativen verändert hat. Seiten, die einstmals als reine Informationsquelle starteten, sind zu einer Pop-Up-Hölle verkommen. Die Information ist zu einem Vehikel für Werbung geworden und hat dadurch ihren inhaltlichen Stellenwert eingebüßt.
Ich bin seit Jahren auf Moviepilot unterwegs, dort wird inzwischen die Community zurecht gestutzt, Kommunikations-Funktionen entfernt, die Redaktion schreibt nur noch Clickbait-Müll und die Stimmung ist sehr toxisch geworden. Auch diese Seite war ursprünglich eine reine Fansite für begeisterte Filmfans, die sich über ihr Hobby austauschten und ehrenamtlich Kommentare und Bewertungen schrieben. Seit der Kommerz dort eingezogen ist, geht alles den Bach runter, viele ehemals fleißige Stammschreiber sind frustriert gegangen.
Dass man bei YT und anderen Anbietern den Dislike-Button entfernt hat, hat rein kommerzielle Gründe und ist eine astreine Diskursverengung zur Profitmaximierung! Bei Netflix gab es früher eine Kommentarsektion, die wurde gestrichen. Ist ja auch blöd, wenn User ihre Meinung kund tun, das schadet dem Geschäft. Ersetzt wurde dieser wichtige Meinungsaustausch durch einen undurchsichtigen Empfehlungs-Algorithmus. Sag' mir ernsthaft, dass du so eine Entwicklung gut, demokratiefördernd und sinnvoll findest! Die kapitalistische Wirtschaftsform ist nicht demokratisch, sondern hierarchisch, und das wird immer deutlicher. Man zieht uns Stück für Stück die Freiheit unter dem Hintern weg, und Leute wie du verteidigen das auch noch.
Auch der heutige Journalismus wird trotz Paywall (oder vielleicht wegen?) immer schlechter. Vergleiche doch mal das frühere 4Players mit heute. Oder die Clickbait-lastige Gamestar. Information wird durch Meinung ersetzt und oftmals nicht als solche gekennzeichnet, was im Journalismus eigentlich Pflicht sein sollte. Ein altehrwürdiges, linksintellektuelles Magazin wie der Spiegel ist zur neoliberalen Wartezimmerlektüre verkommen.