Dann scheint es der Komplex "Geld/Gier" zu sein, an dem es scheitert. Das deckt sich weitestgehend mit meinen Gedanken.
In DE haben wir es direkt vor Augen. Die Städte ertrinken im Verkehr ... gleichzeitig werden innenstadtnahe Industriebauten (Industriedenkmäler) mit großem Aufwand in Luxus-Lofts (klar über 200m²) umgewandelt, ehemals billiger Wohnraum wird (privat) saniert, nur um dann für die bisherige Bewohnerschaft unbezahlbar zu sein.
Der "Plebs" wird zusehens in die Aussenbezirke vertrieben ... ist ja auch klar, DINK-Yuppies können "urban" halt doch viel besser (soll heißen, die passen besser ins Stadtmarketing-Konzept).
Auch die Geschäftslandschaft in den Innenstädten hat sich komplett verändert ... bei uns gibt es neben den obligatorschen Niederlassungen von Karstadt und Saturn nurnoch Fressbuden, Friseure, Cafès und Geschäfte für Klamotten unterhalb der 10,- (H&M, Kik) oder jenseits der 1000,- Marke (Peek & Cloppenburg), oder "Shops" von Telekomunikationsunternehmen (ohne diese Shops wäre die Kommunikation mit denen schwierig bis frustrierend), und die zwei juweliere halten sich irgendwie auch.
Alles andere kann sich in der Innenstadt von Bielefeld momentan nicht auf Dauer halten. Kleinere Geschäfte verschulden sich, nur um EIN Jahr lang ein Geschäft in der Innenstadt zu haben. Nach diesem Jahr findet man dann nurnoch Hinweise a la "Unser neues Geschäft finden sie in (Aussenbezirks-Adresse eingeben), NUR ca. 30 Autominuten von hier".
Der Grund dafür: Eine Einzelhandels-Genossenschaft, die sich seit gut 20 Jahren strikt weigert, die Mieten für die Ladenlokale an die durch den Onlinehandel extrem zusammengeschrumpften Umsatzerwartungen ihrer Mieter anzupassen. Viele von denen haben schon vor Jahrzehnten dem eigentlichen Handel den Rücken zugewandt ... man besitzt die Häuser und lebt von der Vermietung.
Bielefeld ist da schon fast ein Sonderfall, denn hier war das "Innenstadtsterben" nicht ganz so ausgeprägt, wie anderswo. Im Bezug auf kleine Geschäfte wurde das aber durch ein "Fleischwolf"-artiges Prinzip erreicht, welches am laufenden Band Insolvenzen produziert und eigentlich von Startups lebt, die sich innerhalb EINES Jahres in der Innenstadt ausbrennen ... und sich dann zum Sterben in einen Aussenbezirk zurückziehen.
Läuft man da durch, so wähnt man sich in "rich-mans-city", verlässt man dieses Gebiet um die Altstadt, dann sieht man heruntergekommene Gebäude (Richtung Fußgängerzone klebt nur ne Glitzerfassade dran), dreckige, enge und kaputte Strassen (statt regelmäßig erneuerten Boden aus "Marmor-Imitat", sowas liegt in der Fußgängerzone), und defekte Strassenbeleuchtung, die ohnehin recht rah gesäht wurde (in der Ladenzone gibts alle 10m ne Laterne, und die Dinger flackern höchstens mal ne halbe Nacht lang).
Die Bettler, Junkies und Obdachlosen hängen natürlich in unserer "schönen" Glitzer-Geschäftsmeile rum ... würde ich auch machen, da "wohnt" es sich auf der Strasse einfach schöner, und man hat genug (unfreundliche) Laufkundschaft zum Anschnorren
Und bis auf die Schnorrer finden die Bielefelder das scheinbar mehrheitich OK ... Wohnungsnot ist kagge ... und auch die eigene Miete wird ständig teurer ... aber das "Neue Bahnhofsviertel" finden sie toll. Da gibts ein großes Multiplex-Kino, zwei Discos, ein paar Clubs, Restaurants und Kneipen (Luonges) und ein großes Hallenbad ... in meiner Kindheit standen auf dem gleichen Gebiet noch Wohnungen für fast 1000 Familien (die allerdings nicht NUR wegen dem neuen Bahnhofsviertel weg mussten, sondern wegen der Stadtautobahn).
Ach, wenn die Leute doch nur die Zusammenhänge selbst herstellen könnten ... einige können das nicht, aber ich denke die meisten WOLLEN einfach nicht ... oder (noch übler) sie glauben, dass die Vorhaben der letzten 50 Jahre "alternativlos" waren, OBWOHL sie wissen, was die Folgen waren und weiterhin sein werden
Als Beispiel: Die oben bereits genannte Stadtautobahn. Sie hat die städtischen Verkehrsnetze entlastet, das ist keine Frage ... gleichzeitig stiegen direkt zu Baubeginn (Abriss der Bebauung entlang der Trasse) die Kaltmieten in ganz Bielefeld sofort um ca. €1,- an (damals noch D-Mark, ca 2 davon).
Verschiedene Bürgerinitiativen haben schon lange im Vorlauf darauf hingewiesen, dass genau DAS eine direkte Nebenwirkung DIESES Streckenverlaufes an genau der Stelle sein könnte. Schließich standen da in ziemlich dichter Bebauung vorher Mehrfamilienhäuser mit bis zu 5 Stockwerken.
Die Besitzer wurden entschädigt, die vorher geräumten Mieter nicht ... und die nach der Räumung "eingezogenen" Hausbesetzer natürlich auch nicht (eine zeit lang gab es auch in Bielefeld so etwas wie eine "Hafenstrasse" ), die hat man einfach rausgeprügelt, und in Gefängnissen oder "Notunterkünften" sicher verwahrt.
Heute gibt es diese Häuser nicht mehr, die Hausbesetzerszene in Bielefeld ist tot, die Mieten sind weiter gestiegen (der Trend von damals hat sich nur etwas abgeschwächt) ... ABER, der Transitverkehr verstopft nun nicht mehr die Hauptverkehrsadern der Stadt (der rollt über den Ossi) und wir haben ein schickes Vergnügungsviertel, in dem man allabendlich komatöse Teenager zusammenfegen muss
Mit vollgekotzten Imitaten von Rihanna und Justin Bieber siehts halt doch nicht mehr so "schick" aus