Im Tagesanzeiger versuchen zur Zeit Nahostexperten wie Arnold Hottinger mit einem differenzierten Bild zur Lage in Syriens der Wahrheit einen Schritt näher zu kommen und gegen die Schwarz-Weiß Klischees der Massenmedien anzugehen:
Zu den historisch kulturellen Grundlagen ohne die der Konflikt in Syrien nicht richtig einzuschätzen ist:
„Die syrische Armee und die gesamten Sicherheitskräfte werden von alawitischen Offizieren dominiert und kontrolliert. Die Assad-Familie, welche das Land seit 1971 beherrscht, stammt aus dieser religiösen Minderheit von vielleicht 12 Prozent der syrischen Bevölkerung.“ (1)
Dabei kontrollieren die Familienmitglieder und Vertrauensleute al-Assads, Schlüsselpositionen in der Regierung und im Wirtschaftsbereich.
Dadurch wurde auf der einen Seite eine relative Stabilität über 40 Jahre aufgebaut und den vorhergehenden regelmäßigen Militärputschen ein Ende bereitet, auf der anderen Seite geschah dies freilich zugunsten einer alawitischen Minderheit.
Die anfänglich friedlichen Demonstrationen schlugen in gewaltsame Proteste um, als nun alawitische Offiziere den mehrheitlich sunnitischen Soldaten befahlen, auf das eigene Volk zu schießen und diese begannen verständlicherweise zu desertieren.
Die so entstanden bewaffneten Banden, wurden nun in der Folge von der Armee als das bekämpft was sie sind: Als Deserteure. Dabei spielen offensichtlich die Eliteeinheiten, die ganz aus alawitischen Mannschaften bestehen wie die Präsidialgarde oder die Erste Mechanisierte Brigade unter dem Kommando des Bruders des Präsidenten, Maher al-Assad eine zentrale Rolle, da die Regierung den mehrheitlich sunnitischen Militärs mißtraut.
Meyer, Leiter des Zentrums für Forschung zur arabischen Welt an der Johannes Gutenberg Universität Mainz, wendet sich ebenfalls entschieden gegen das von den Massenmedien gezeichnet Syrienbild, mit Hinweis auf die Rolle der Einmischung der Mehrheitlich sunnitische Nachbarn:
Kern ist die sunnitische Allianz mit den Monarchien auf der Arabischen Halbinsel, allen voran das Regime in Saudi-Arabien und Qatar, zusammen mit den Sunniten im Irak, im Libanon und in der Türkei die nun ihre Chance sehen die ungeliebten Schiiten und damit den Präsident Bashar al-Assads loszuwerden, ein Aspekt, der weitestgehend keinen Niederschlag der Medienberichterstattung des Westens gefunden hat.
Zwar sei ein Wechsel der Regierung zu begrüßen, aber:
„Doch was zurzeit in Teilen Syriens stattfindet, ist nichts anderes, als eine ethnische Säuberung. Zwar berichten die internationalen Medien von den Angriffen der syrischen Armee auf einen sunnitischen Stadtteil in Homs, wo sich die Aufständischen verschanzt haben, dass jedoch seit Monaten in anderen Stadtteilen sunnitische Scharfschützen Jagd auf die alevitische Wohnbevölkerung machen, wird nicht erwähnt. Es passieren schreckliche Dinge, die verschwiegen werden. (Anm. d. Red.: Aleviten sind Teil der schiitischen Gemeinschaft. Sie machen rund 10 Prozent der syrischen Bevölkerung aus. Zu ihnen gehört auch Bashar al-Assad).“ (2)
Intressanterweise hält, wie selbst die Gegner aus Qatar in ihre jüngsten Studie zugeben müssen, die Mehrheit der Bevölkerung weiter zu Bashar al-Assad, die Pro-Regierungskundgebungen, die offensichtlich nicht in das Weltbild westlicher Massenmedien passen wollen, können also nicht einfach mit der Floskel sie hätten unter erzwungener Gewalt stattgefunden abgetan werden.
Dies steht nun nicht im Widerspruch zu den tatsächlichen Greultaten der syrischen Regierung, alleine solange die Gegenseite mit ebensolchen Greultaten antwortet hat die Regierung eine Möglichkeit ihre Gewalt zu rechtfertigen, zumal al-Qaida nachweislich ebenfalls in die Kämpfe involviert ist.
Der Wahlkampf in Frankreich und USA bietet dabei für die westlichen Beteiligten eine Möglichkeit Wählerstimmen auf dem rechten Flügel über eine harte Haltung zu gewinnen, wobei die USA darüber hinaus die Chance sieht ihre Hegemonialmacht im Nahen Osten weiter auszubauen.
Rußland verfolgt hier seine eigenen Interessen, so hat Putin ebenfalls an Beliebtheit in Rußland gewonnen indem er den USA die Stirn bietet, aber auch die Waffengeschäfte und der einzige russische Marinestützpunkt im Mittelmeer spielen hier eine nicht zu unterschätzende Rolle.
Und China?
China ist, wie eigentlich immer, von den USA, Rußland, Frankreich, usw. getrennt zu sehen und wieder einmal ganz in seiner ureigenen Tradition gegen jedwede hegemonialen Bestrebungen der (Super)Mächte:
„China mischt sich prinzipiell nicht in innenpolitische Angelegenheiten anderer Länder ein und hat deshalb im UNO-Sicherheitsrat gegen die Resolution zur Verurteilung der syrischen Regierung gestimmt. Bei dieser Entscheidung spielt auch eine wichtige Rolle, dass Chinas und ebenso Russlands vorhergehende Enthaltung bei der Libyen-Resolution dazu geführt hatte, dass die Nato ihr Mandat für den Schutz der Zivilbevölkerung zu einer militärischen Intervention zum Sturz Ghadhafis nutzen konnte.“(2)
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(1)
http://www.tagesanzeiger.ch/ausland...-sind-Assads-groesstes-Problem/story/13910300
(2)
http://www.tagesanzeiger.ch/ausland...er-steht-offenbar-hinter-Assad/story/17458606