Rockstar85 schrieb:
Es geht hier um einen Formfehler, das weiß die EU, das weiß Intel und AMD.
Interessante Auslegung, das als Formfehler zu bezeichnen, wenn quasi der Kernpunkt des Verfahrens nonchalant vom Tisch gefegt wird und da ein Anscheinsbeiweis bei einem Verfahren dieser Tragweite zur Verurteilung herhalten soll:
Die Kommission war der Auffassung, dass die Rabatte von Intel schon ihrer Natur nach missbräuchlich seien, ohne dass es darauf ankomme, ob die Preisnachlässe tatsächlich geeignet sind, Wettbewerber von Intel vom Markt zu verdrängen.
Gerade wenn man die Konsequenz und die Strahlkraft auf andere Branchenriesen in der IT in Betracht zieht, die im Nachhinein von einer Klagewelle überzogen werden könnten.
Und da der alte Dell CEO es quasi gestanden hat, brauchst du hier nicht den Marktführer verteidigen.
Siehe meine Ausführungen mit Auszügen der Kommunikation Dell/Intel weiter oben. Das einzige, was Dell hier gezeigt hat ist, wie sie selbst von ihrer Gier aufgefressen wurden und sich dadurch auf die schiefe Bahn begeben haben.
Intel hat niemanden gezwungen, deren CPUs exklusiv zu vertreiben. Dell wollte aber die Sonderbehandlung bzw. die Sonderrabatte kassieren, die man vereinbart hatte, wenn man eben überwiegend weiter Intel CPUs vertreibe.
Und dabei ist es dann ein ganz entscheidender Faktor,
wie die Vereinbarungen zwischen Intel und den Lieferanten zustande gekommen sind.
Lief das so, dass Intel gedroht hat, keine CPUs mehr direkt an diejenigen mehr zu liefern, die einer Vereinbarung entgegenstehen, oder so, dass Intel angekündigt hat, Kompensationszahlungen bzw. Rabatte zu kürzen (Zweiteres trifft den Quellen zu Folge zu).
Und wenn sich bei weiterer Untersuchung keine weiteren Anhaltspunkte dazu finden lassen, dass das ganze in Richtung #1 geht (dann beliefere ich Dich nicht mehr oder behindere Dich anderweitig über Maß), dann wäre es sehr wahrscheinlich, dass Intel sogar komplett vom Angelhaken gelassen wird.
Da sollte man, wenn sich die ganzen Verdachtsfälle erhärten, folglich auch alle großen Fertiger gleich mitanklagen, weil wenn schon jemand, dann die in letzter Instanz als einzige die Macht hatten, irgendjemandem den Marktzutritt zu erschweren.
Intel hat die Strafe damals gezahlt und unter Juristen gilt das Thema als klar.
Und unsere Kartellbehörde ist ein Witz, ich sag nur Thyssen Krupp, Weichenskandal
Intel hat einmal unter Erneuerung eines Cross- Licencing- Abkommens und unter
Aberkennung der Schuld aber dem Versprechen gewisse Vertriebstaktiken zu unterlassen eine Summe an AMD gezahlt.
Keine Verurteilung kein garnichts. Das kann auch rein ökonomische Gesichtspunkte haben. Offenbar war es strategisch einfacher, viele Fliegen mit einer Klappe zu schlagen und gerichtlich straffrei davonzukommen, als sich auf die übliche rechtliche langzeitschlacht einzulassen.
Vielleicht war auch die Aussicht in dem Gerichtsverfahren irgendwas zu bewegen, zu niedrig.
Diesbezüglich ist es schade, dass solche "Einigungen" dann dazu führen, dass keine Rechtssicherheit geschaffen wird und die Motivation nicht zum Vorschein tritt.
Das EU Verfahren ist das einzige, welches als "Offizialdelikt" verfolgt wird und daher die einzig entscheidende Instanz zu dem Fall, da dort ansonsten auch nichts mehr anhängig ist.
Und da weisst Du genauso gut wie ich (siehe auch meine Quellen mit der Neubewertung des EUGH- urteils), dass sich da der Wind langsam dreht.
Mich würde es nicht wundern, wenn man das Verfahren im stillen Kämmerlein auf ganz kleiner Flamme auch außergerichtlich regelt oder ganz im Sand verlaufen lässt.
Schafft man hier einen Präzedenzfall, kommt eine Klagewelle auf verschiedenste Hersteller, nicht nur Branchenspezifisch, (z.B. Cisco, Minolta, NVIDIA..... viele weitere Hersteller hier dazudenken) zu, die mit ihren Vertriebs- und Kundenbindungspraktiken teils ebenso den Vogel abgeschossen haben.
Wir werden sehen. So lange Intel gegenüber aber offiziell keine Strafen ausgesprochen wurden (und das wurden sie auch im USA spezifischen Verfahren nicht), ist Intel unschuldig. Offenbar gelingt hier kein schlüssiger Nachweis, der den Einfluss der Maßnahmen von Intel und seinen Komplizen darstellt, bzw. bestätigt, dass diese Maßnahmen überhaupt einen massiven Einfluss auf einen Geschäfts- bzw. Verbreitungsverlaufs des Konkurrenten gehabt haben.
Denn wie man inzwischen per Rechtsprechung festgestellt hat:
Nach Auffassung des EuGH sei es nicht die Aufgabe des Kartellrechts zu verhindern, dass weniger effiziente Unternehmen aus dem Markt gedrängt werden. Entscheidend sei vielmehr, ob ein Treuerabatt geeignet ist, einen genauso effizienten Wettbewerber zu beeinträchtigen („as efficient competitor„-Test). Dafür müsse der Wettbewerber als Reaktion auf das Rabattsystem des marktbeherrschenden Unternehmens seine Preise soweit senken, dass er nicht mehr rentabel arbeiten kann.
Du darfst also als Marktbeherrschendes Unternehmen Deine Produkte nicht zu Preisen auf den Markt werfen, die den Mitbewerber margentechnisch ersticken. Und das kann man Intel die letzten Jahre keineswegs anlasten
Und solche massiven, komplett ungeklärten Punkte hier als "Formfehler" abzutun (wie als ob dort irgendwelche Fristen nicht eingehalten würden), spottet jeder Beschreibung.
Da haben die Gerichte vorschnell geurteilt (sie wurden ja letztendlich zurechtgewiesen) und die EU selbst schon die $- Zeichen in den Augen gehabt.
Ich empfehle jedem hier sich intensiv in das Thema einzulesen. Alles andere wird diesem Thema und dessen Strahlkraft auf die Branche nicht gerecht.
Die Materie ist sehr komplex und die Lage alles andere als eindeutig. Wenn sie es wäre, hätten wir längst ein Urteil und Intel wäre um ein par Milliarden ärmer.
LG
Zero