Magellan schrieb:
Das Problem meiner Meinung nach liegt eben tatsächlich im Spielsystem, im taktischen Bereich -
Ja und nein!
Dass es hier nach 2018 taktische Defizite gab, zumindest vermeintlich, bestreite ich ja nicht grundsätzlich. Dennoch kann man nicht so tun als ab die menschliche Komponente und Gruppendynamik keine Rolle spielt. Für Außenstehende ist es immer schön einfach das zu kritisieren was offensichtlich ist. Zu mehr fehlt aber eben der Einblick. Wobei bei der WM 18 imho ziemlich klar ist, dass das Team als Gruppe nicht mehr funktioniert hat und allenthalben Grüppchenbildung war. Wenn interne Auseinandersetzung aber keine Motivation erzeugt, was durchaus vorkommt, sondern kontraproduktiv ist, dann passiert genau das, was 18 passiert ist. Und dann nützt dir weder die optimale Taktik noch das passende Personal was, dann leidet eben die Arbeit darunter. Da unterscheidet sich eine Fussballmannschaft eben nicht von einer x-beliebigen Arbeitsgruppe, nur dass es keine 50 Millionen Leute gibt, die was dazu zu sagen haben.
Ich könnte es mir da auch einfach machen, und Löw vorwerfen, dass Antizipation und Empathie nicht zu seinen Starken gehören. Aber ich weiß es eben nicht!
Bei der Spieltaktik wird immer so getan, als ob Löw das so zwischen Klo und Nachtisch entschieden hat. Dabei gibt es einen Stall von Analysten und Assistenten, die dafür bezahlt werden, die optimale Lösung zu finden bzw. vorzuschlagen. D.h., entweder sind die alle Komplettversager oder Löw hat alles in den Wind geschlagen und nach Bauch entschieden oder es war eben jeweils doch die beste Möglichkeit unter den gegebenen Bedingungen.
Ich weiß es aber nicht und du weißt es auch nicht. Aber es wird stumpf von ausgegangen, dass er das alleine verbockt hat. Trotzdem ist er als Chef des Ganzen natürlich verantwortlich und muss den Kopf dafür hinhalten und das ist auch in Ordnung so.
Mir ist es schlichtweg zu billig, alles auf taktische Defizite zu schieben. Das entspricht weder meiner Lebens-, noch Berufserfahrung und auch nicht meinen bescheidenen Kenntnissen vom Innenleben einer Fussballmannschaft.
Ich spreche Löw wirklich nicht von Fehlern frei, insbesondere dass er nach 18 nicht aufgehört hat, war der größte Fehler. Der zweite war die, zwar folgerichtige, Aussortierung der Drei nicht rechtzeitig rückgängig zu machen als klar war, dass das nicht die beste Idee war.
Darüber hinaus, sehe ich aber die Gesamtbilanz und die Dinge die einfach nur richtig gemacht wurden und brauch jetzt keinen Sündenbock. Und vor allem bin ich eben der Meinung, dass jetzt so gut wie kein Spieler seine Normalform abgerufen hat, mit wenigen Ausnahmen. Und da ist die Taktik als Erklärung viel zu dünne! Bei Kimmich lass ich das vielleicht noch gelten, aber bei Gnabry, Sané, Werner und Co. zieht das nicht. Die hätten bei der EM auch unter optimalsten Bedingungen nicht besser gespielt. Und da nützt mir kein Vereinsvergleich auch nur die Bohne. Streng genommen hätte man sogar Neuer runternehmen können. Klar, macht keiner, den Kapitän zu demontieren. Aber von Trapp, Leno weiß ich nicht, hätten die Jungs vor ihm, ziemlich klare und deutliche Ansagen bekommen. Ist nur ein Beispiel, müssen wir nicht diskutieren.
Das Thema Löw ist erledigt, auf zu neuen Ufern. Bei Flick wird es interessant zu beobachten, ob er mit dem gleichen Personal (also die Mitarbeiter, nicht die Spieler) weiter arbeitet bzw. wen er alles austauscht. Arbeitet er aber weitgehend mit den gleichen Leuten weiter, sollte man sich fragen warum.
So, und nun kann man völlig unbelastet den Rest der WM schauen. Hat ja auch was! Dass die gesamte HammerGruppe den Achtelfinaltod gestorben ist, ist schon bemerkenswert. Während wir und Portugal immerhin an einem vermeintlichen Gegner auf Augenhöhe gescheitert sind, sind die Franzosen aber vor allem auf Grund von Versagen im psychischen Bereich gescheitert, sowie einer Gruppe, die bedingungslos als solche aufgetreten ist. Und weniger an taktischen Mängeln.
Einfach den 'human factor' nicht vergessen und gut is!