Ihr voller Name: Hans-Jochen Scholz
Ausbildung / Studium: Abitur, Berufsoffizier Luftwaffe, Studium Geschichte, Politik
Ihr professioneller Hintergrund (Karriere Meilensteine): 12 Jahre NATO-Gremien, 6 Jahre NATO-Stäbe, 6 Jahre Bundesministerium der Verteidigung
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„Das Ziel aller Überwachungsmaßnahmen ist die Schaffung von Repressionsinstrumenten, mit denen sich die Spaltung unserer Gesellschaft in oben und unten absichern lässt“
Interviewer: Derzeit gibt es fast monatlich eine neue Idee seitens der Politik, eine andere Überwachungsmaßnahme einzuführen. Lauschangriff, Internetzensur, Hackerparagraph, die neue lebenslang geltende Steuernummer, ELENA. Eine geplante Folge der Terror-Hysterie zur Abschaffung von Menschenrechten? Wozu?
Jochen Scholz: Ich habe vor gut zwei Jahren in diesem Artikel versucht, eine Antwort auf diese Frage zu geben. Nach meiner Beurteilung ist das Ziel aller Überwachungsmaßnahmen die Schaffung von Repressionsinstrumenten, mit denen sich die auf Dauer angelegte Spaltung unserer Gesellschaft in oben und unten absichern lässt. Michael Hudson nennt das „Re-Feudalisierung“.
Interviewer: Unsere Leser sorgen sich sehr um ihre Freiheit. Nicht nur dass online wie offline mannigfaltige Überwachungsmaßnahmen eingeführt werden. Nun sollen diese auch noch mittels INDECT zu einem einzigen großen System zusammengeführt werden. Sogar die ZEIT hat Angst bekommen. Der britische Telegraph nennt es einen Orwellschen Plan. Wer genau steckt dahinter? Wer genau profitiert davon? Was genau bedeutet es für die Bürger? Was ist Re-Feudalisierung? Wie steht all dies in Verbindung mit der Machtelite? Bitte legen Sie dies ausführlich dar. Hier Licht ins Dunkel zu bringen ist derzeit leider immens wichtig.
„Es wird die dauerhafte Spaltung der Gesellschaft in ein klares Oben und Unten angestrebt, wie es in feudalen Gesellschaften der Fall war“
Jochen Scholz: Könnte es nicht so sein, dass die Überwachung der Bürger eine Konsequenz der historischen Konstante ist, die da lautet: Herrschende Eliten haben ein originäres Interesse daran, ihre Macht, ihren Reichtum und die Art und Weise, wie sie beides ausüben bzw. erwerben, nicht mit dem großen Rest der Gesellschaft zu teilen? Ich stelle diese Frage (auch mir selber), weil die ökonomische Entwicklung der letzten dreißig Jahre, mit Brandbeschleuniger nach 1989/90, darauf gerichtet zu sein scheint, die Situation wieder herzustellen, die vor dem Erstarken all dessen bestand, was gemeinhin als Arbeiterbewegung bezeichnet wird. Dass also die dauerhafte Spaltung der Gesellschaft in ein klares Oben und Unten innerhalb der Staaten angestrebt wird, wie es in feudalen Gesellschaften der Fall war; und global die Aufrechterhaltung der Dominanz der mit „Westen“ bezeichneten entwickelten Industriestaaten. Seit der Lektüre von Karl Polanyis „The Great Transformation“ und John Grays „Die falsche Verheißung“ hat sich bei mir der Verdacht verdichtet, dass hier der Schlüssel zu dem liegt, was gemeinhin mehr unter demokratietheoretischen Aspekten diskutiert wird. Überwachung im weitesten Sinn ist jedenfalls ein hervorragendes Mittel und die dem heutigen Stand der Technologie angemessene Methode, den angestrebten Zustand zu erreichen. Schließlich muss damit gerechnet werden, dass die „unten“ sich nicht ohne Widerstand einen solchen historischen Rückschritt bieten lassen werden. Deswegen schafft Überwachung zugleich die Voraussetzung für die dann erforderliche Repression. In diesem Zusammenhang will ich nicht verhehlen, dass mir die zunehmend enthemmter werdende Selbstentblößung im Internet generell und in den sozialen Netzwerken im besonderen Sorge bereitet. Hier marschieren die Schafe sozusagen freiwillig und sorglos zur Schlachtbank, indem sie beim Selbstdesign kaum mehr Grenzen einhalten. Welche Konsequenzen dies in einem speziellen Segment der Gesellschaft haben könnte, ist in diesem Bulletin beschrieben, an dem ich mitgewirkt habe.