In der Lehrerausbildung wurde uns permanent gesagt, es gfäbe keine "Stunde null" ... was sich auf die Vorkenntnisse der neueingeschulten Kinder beziehen sollte.
Auf der stofflichen Ebene mag das mit meiner Praxiserfahrung an zwei Schulen übereinstimmen ... hier sind die Grundlagen tatsächlich sehr unterschiedlich gut im Elternhaus oder KiTa/KiGa vermittelt worden ... seit Jahrzehnten ist diese "Anfangsdiversität" Alltag.
Auf dem Gebiet der sozialen Kompetenz hingegen, haben Lehrkräfte seit mindestens einem Jahrzehnt eine Annäherung an die "Stunde Null" zu beklagen, denn hier bringen die Kinder immer weniger mit. Dadurch ist der Unterricht z.B. in einer Grundschule vor allem durch die Einforderung der geltenden Regeln sowie der Reflexion von Regelverstößen mitgeprägt ... auf Kosten des Schulstoffs, versteht sich.
Hier befindet sich Schule in einer Zwickmühle, denn einerseits hat sie zwar einen doppelten Bildungsauftrag bestehend aus "Schul-"Bildung (stoffliche Kenntnisse sowie Hardskills) und Erziehung (soziale Kompetenz und Softskills). Dieser Auftrag ist allerdings im Bezug auf "Erziehung" nur zu einem Teil an die Schulen gerichtet, und richtet sich primär an die Eltern. Vom Gesetzgeber ist das paritätisch gedacht, wobei in der Schule ein "Primat der Bildung" gilt, wärend die Eltern das "Primat der Erziehung" abdecken (sollen).
Eine "Mindervermittlung" auf der stofflichen Seite fällt den Eltern natürlich auf (auch in Erinnerung an die eigene Schulzeit) und mit dem ständigen "Gelaber" (z.B. über soziale Kompetenzen) ist auch sofort ein Schuldiger ausgemacht.
Aber die stoffliche Ebene braucht eben auch eine gewisse Zeit, und was viele Eltern dabei vergessen, ist etwas, woran sie sich eigentlich ebenfalls aus ihrer eigenen Schulzeit noch gut erinnern dürften (zumindest vermute ich diese Erinnerung hinter Rufen nach einem härteren Durchgreifen der Lehrkräfte, über das sich u.U. zuerst die Eltern beklagen würden, bei deren Kindern es "notwendig" war).
In dieser Erinnerung gab es dieses "Gelaber" in der eigenen Schule eben nicht ... auch zuhause gabs sowas nicht, wer die Regeln nicht achtete, bekam halt Prügel (oder bei der 68er-Generation eine eigentlich viel unangenehmere weil langwierigere Standpauke).
Genau dieses, heute oft gerade von den Eltern bei den eigenen Kindern für unnötig gehaltene Härte hat in der "guten alten Zeit" (die es nie gegeben hat) dafür gesorgt, dass sich die Lehrkräfte in der Schule auf die Stoffvermittlung konzentrieren konnten, und nur bei seltenen Härtefällen (bei denen die elterliche Erziehung ausblieb oder schlicht versagte) erzieherisch tätig werden mussten.
Ich glaube, dass die momentanen Probleme im Sozialverhalten jungendlicher nicht so sehr darauf zurückzuführen sind, dass die Schule ihrem Erziehungsauftrag hier nicht gerecht wird, sondern eher daran, dass die Eltern die "Härte der Großeltern" ablehnen und aus Ermangelung an tragfähigen Alternativkonzepten auf Erziehung (fast) verzichten. Schule kann das alleine nicht leisten, was über Generationen hinweg von den Elternhäusern übernommen wurde.
Allein ein Vergleich der "Betreuungsschlüssel" in Familie und Schule zeigt es offensichtlich. bei der Standardfamilie mit 1-2 Kindern ist der Betreuungsschlüssen maximal 1:2 (Ein Erwachsener bereut höchstens 2 Kinder), in der Schule liegt er meist über 1:16 (Ein Erwachsener betreut mindestens 16 Kinder).
In der Generation unserer Großeltern sah es sogar noch übler aus ... zum einen durch Klassen mit bis zu 40 SchülerInnen, zum zweiten durch den engeren Familienzusammenhalt (der Mobilitätszwang der modernen Gesellschaft hat die lokale Großfamilie nahezu ausgerottet).
Unser Schulsystem ist nicht gut ... das will ich nicht bestreiten ... aber es könnte besser seine Aufgaben erfüllen, wenn es von den Eltern nicht mit ihnen alleine gelassen wird.
Und daher glaube ich, dass eine Verbesserung des Sozialverhaltens in unserer Gesellschaft vor allem über DIESE Spur erfolgen kann ... Eltern müssen wieder zu Erziehern ihrer eigenen Kinder werden, statt diese nur in ein immer mehr auf die Ausbildung von Sozialkompetenz optimiertes Schulssystem zu geben, und sich dann über die dort "mangelhaft" vermittelte Fachkompetenz zu beschweren.
Apell an Eltern: Macht ihr euren Job, dann können die Lehrer ihren auch besser erledigen (der eigentlich NICHT primär darin liegt, euren Kindern Benimm einzutrichtern ... das ist nämlich eigentlich EUER Job).