Die Lage spitzt sich zu – Zum Stand der Verhandlungen zwischen Athen und den „Institutionen“
Eine Übersicht über den Stand der Verhandlungen zwischen Athen und den Institutionen
Im Folgenden will ich eine Übersicht über den Stand der Verhandlungen zwischen Athen und den Institutionen der ehemaligen Troika geben. Vom Verlauf – und möglichen Abschluss – dieser Verhandlungen (auf der Basis der Vereinbarung vom 20. Februar) wird es abhängen, ob die Griechen bis Anfang Juni jene finanzielle Entlastung bekommen, die nötig ist, um einen Zahlungsausfall zu vermeiden, der direkt oder indirekt zu einem „Graccident“ führen könnte.
Mit der folgenden Darstellung der einzelnen Themenfelder will ich zum einen deutlich machen, welche Annäherungen und Kompromisse bereits erreicht wurden; zum anderen, wo die wichtigsten Differenzen liegen und wie sie überbrückt oder entschärft werden könnten (z.B. durch Vertagung). Diese Darstellung enthält implizit aber auch eine Art Sündenregister der alten Regierungen, die wichtige und sinnvolle Reformen versäumt oder sabotiert haben, zum Beispiel durch ihre Schonung von Steuerbetrügern und Steuerschuldnern.
Nicht analysiert wird in dieser Darstellung das Problem der Privatisierungen. Auf diesem Gebiet haben sich beide Seiten so stark angenähert, dass es nicht mehr als Hindernis für eine Gesamtvereinbarung gilt. Allerdings ist dieses Thema innerhalb der Syriza noch sehr umstritten und könnte in naher Zukunft zu handfesten Konflikten auch mit den Gewerkschaften führen (etwa um die anstehende Privatisierung des Hafens von Piräus). Deshalb werde ich dieses Thema – und die wichtigsten laufenden Privatisierungsvorhaben – in einem meiner nächsten Berichte behandeln.
Die Vorgaben für den Staatshaushalt (Primärüberschuss)
Die griechische Seite geht für 2015 derzeit von einem zu erzielenden Primärüberschuss von 1, 2 Prozent aus, den sie durch die Vereinbarung vom 20. September gedeckt sieht, in der von einem „angemessenen Überschuss“ (des Primärhaushalts= Einnahmen minus Ausgaben ohne Schuldenzinsen) die Rede ist. Wenn es stimmt, dass die Brüsseler Verhandlungspartner neuerdings (laut Kathimerini vom 9. Mai) wieder auf einen Primärüberschuss von 2 bis 2,5 Prozent drängen, würde dies den Einnahmebedarf entsprechend erhöhen. In Athen geht man jedoch davon aus, dass die Partner angesichts des zu erwartenden dürftigen Wachstums nicht auf einem höheren Überschuss bestehen werden. Aber selbst ohne diese Forderung geht der IWF für 2015 von einer Deckungslücke in Höhe von 2,7 Mrd. Euro aus.
Zusätzliche Steuereinnahmen
Reichensteuern
Die Regierung plant zur Erhöhung der Einnahmen folgende Maßnahmen (meine Quellen sind Berichte aus zwei Tageszeitungen: der aus Regierungskreisen gut unterrichteten Efimerida ton Syntaktion (5. Mai) und der Kathimerini (2. und vom 9. Mai): eine einmalige „Kopfsteuer“ für ein paar Hundert Vermögens-Milliardäre;
eine Erhöhung der Sonderabgabe für Bezieher von Jahreseinkommen über 50 000 Euro um jene 30 Prozent, um die sie von der Regierung Samaras reduziert wurde;
eine Luxussteuer für teure Autos, Privatflugzeuge, Schwimmbäder usw. einzuführen und auf Yachten zu erweitern;
für den Spitzensatz der Einkommenssteuer eine geringfügige Anhebung über die jetzigen 42 Prozent hinaus.
Allerdings sind die Erträge aus solchen „Reichensteuern“ schwer zu kalkulieren und werden häufig überschätzt. So rechnet selbst die Regierung bei der „Luxussteuer“ lediglich mit Einnahmen von 20 Millionen Euro.
Mehrwertsteuer
Viel bedeutsamer für das Gesamtsteueraufkommen ist die Mehrwertsteuer, über die es nach wie vor Differenzen gibt. Die Regierung will den MWS-Satz für – fast – alle Güter und Dienstleistungen von 23 auf 16 Prozent senken; die Gläubiger sehen dagegen die Gefahr verminderter Einnahmen und bestehen auf 18 Prozent. Dabei ist zu beachten, dass die Einführung einer einheitlichen MWS (von 16 oder 18 Prozent) sehr viele Waren und Dienstleistungen verteuern würde, die bisher zum ermäßigten Satz von 13 bzw. 6,5 Prozent besteuert wurden (z.B. elektrischer Strom, öffentliche Verkehrsmittel, Taxifahrten, Gaststättenbesuche und Hotel-Übernachtungen, insbesondere aber Medikamente, Nahrungsmittel und Artikel des täglichen Bedarfs). Deshalb will die griechische Seite unbedingt einen reduzierte MWS für Medikamente, Druckerzeugnisse und einige Grundnahrungsmittel (Brot, Milch) durchsetzen, für die sie einen Satz von 6,5 Prozent anstrebt, während die Partner (noch) auf 9 Prozent bestehen.
Ein weiterer Streitpunkt ist die Entscheidung der Regierung, den MWS-Satz für alle Inseln generell um 30 Prozent zu reduzieren. Die Gläubiger dringen darauf, diese Maßnahme wieder rückgängig zu machen, obwohl sich dieses „Steuerprivileg“ durchaus rechtfertigen lässt: Auf den Inseln sind fast alle Waren, die nicht lokal produziert werden, wegen der hohen Transportkosten deutlich teurer als auf dem Festland. Die Gläubiger verweisen allerdings darauf, dass Insel nicht gleich Insel ist. Und in diesem Punkt haben sie Recht: Steuerentlastungen für das Gewerbe in brummenden Touristenzentren wie Mykonos, Santorini oder Rhodos wären sozial wie ökonomisch völlig verfehlt. Diesem Einwand will die Regierung mit gezielten Sondersteuern Rechnung tragen. Sie schlägt u.a. vor:
eine Sondersteuer (3 bis 5 Prozent) für Übernachtungen in Luxushotels (die auf Inseln wie Mykonos und Santorini die Regel sind);
eine Sondersteuer von 3 Prozent auf Rechnungen von Nachklubs, Bars usw. während der Touristensaison;
eine Sondersteuer von 6 Prozent für die Umsätze bei Uhren- Schmuck- und Kunsthandlungen auf den Touristeninseln;
Dank solcher gezielten Sondereinnahmen soll der MWS-Nachlass für die Inselwelt gerettet werden, was nur fair wäre gegenüber der Bevölkerung von Inseln, die nicht vom Tourismus profitieren.
Dann kommen noch Einnahmem privater TV Sender hinzu die bisher nicht zur Kasse gebeten wurden.
Nur ein kleiner Auszug dessen was ansteht.
Quelle:
http://www.nachdenkseiten.de/?p=26092