Schwieriges Thema, weil man das überhaupt nicht so einfach beantworten kann, ist auch etwas zu sehr mit einander Vermischt, gerade die Fragen. Da spricht man einmal von der Qualität der Spiele, aber woran macht man die Qualität nun direkt fest? Hui, das wird ein Spaß da gleich etwas zu schreiben, aber erst mal ein paar Zitate! Yeah!
calippo schrieb:
Ja, es gibt auf jeden Fall noch gute Spiele. Wenn man sagt, dass es früher besser war, dann müsste man das "früher" mal definieren.
Natürlich gibt es heute noch gute Spiele, sogar sehr gute Spiele. Du hast ja ein paar tolle aufgezählt. GTA 5, ich mag das Spiel. Genauso ist Skyrim ein gutes Spiel, Borderlands 2 für mich, genau so wie zum Beispiel Mass Effect 1 - 3 und selbst Andromeda oder Doom (2016) und Doom Eternal sowie die Wolfenstein Spiele. Genauso gibt es unzählige kleinere Produktionen, die man auch heute noch durchaus als gut bezeichnen.
Für mich liegt ein Hauptproblem heutiger Spiele aber eher in einer gewissen "Seelenlosigkeit" und ebenso in einer gewissen Übesättigung bei gewissen Spielen. Du bringst Anno 1800 an und ich muss sagen: Ich liebe das Spiel und doch spiele ich heute lieber wieder Anno 1404 Venedig und warum? Weil man es bei Anno 1800 mit den ganzen DLCs und der immer stärker steigende Komplexität massiv übertrieben hat. Ja, Anno 1800 ist toll, aber das Spiel ist so dermaßen überladen und Komplex, dass es ab einem gewissen Zeitpunkt einfach nur noch Arbeit ist und keinen Spaß mehr macht.
Ich beobachte ein ähnliches Problem auch bei anderen Spielen. Wenn ich jetzt sage, dass für mich SimCity 2000/3000 immer noch mit die besten Aufbauspiele sind, dann mögen das einige nicht verstehen, aber ich merke es immer stärker auch mit den DLCs zu Cities: Skyline. Durch die ganzen DLCs und Co wurde das Spiel so komplex, dass es oft einfach keinen Spaß mehr macht das Spiel zu spielen.
Ähnlich verhält es sich manchmal mit den Features heute im allgemeinen, die in Spielen untergebracht werden, damit sie untergebracht wurden. Viele Spiele fühlen sich heute immer öfter wie Check-Liste an oder sind auch glattgebügelt. Man muss an der Stelle - auch wenn ich es nicht gespielt habe - RDR2 hervor heben. Das Spiel ist eine AAA-Produktion, aber Rockstar hat sich mit dem Spiel entsprechend Zeit gelassen und eines hebt sich bei Rockstar auch noch positiv ab: Sie bleiben sich weitgehend selbst treu. Ein GTA 5, RDR sind in ihrer Mechanik ähnlich und auch der Aufbau und doch schafft es Rockstar etwas, was Ubisoft bei all den OpenWorld-Spielen nie geschaft hat: Man fühlt sich in deren Welt wohl. Warum? Weil die Welt abseits der "Aufgaben" gefüllt ist.
Da sind wir halt bei den OpenWorld-Spielen, die ja Überhand genommen haben. Sehe ich mir - auch weil es angeführt wird - Horizon Zero Dawn an oder nun Forbidden West, genau so FarCry 4, 5 und nun 6 oder Assassins Creed, auch ein Witcher 3 hat für mich ein ähnliches Problem und Cyberpunk 2077 aktuell auch: Die Spiele wirken Formelhaft, egal wie gut die Story sein mag. Auch die Welten wirken in der Regel Formelhaft. Ich hab da jetzt sogar eines der besten Spiele aller Zeiten genannt. Ja, man kann je nach Spiel die HUD-Elemente usw. ausblenden und die "Marker" auf der Map, aber das ändert nichts daran, wie diese Spiele entworfen wurde.
Für mich eines der besten Openworld Spiele, besser ein ganzer Haufen kam von Bethesda: Oblivion, Fallout 3, Skyrim, Fallout 4. Jaha, keines der Spiele ist wirklich auf hochglanz poliert, die Spiele sind am Anfang voller Fehler und von der "Hauptstory" wollen wir da erst garnicht anfangen als ganzes und doch entfalten diese Spiele bei mir eine Faszination, die kaum ein anderes Spiel entfalten kann: Ich bestimme wann, wie und wo ich bin und was passiert. Ich arbeite in keinem dieser Spiele irgendwelche "Icons" ab sondern erkunde die Welt und merke: Huch, da ist eine Höhle, da geh ich mal rein." Und da kommt halt der nächste Punkt in Bethesda-Spielen, was nur ganz wenige schaffen: Das Questdesign und die Quests sind darauf ausgelegt. Gehe ich in die Höhle und finde am Ende ein Schwert, dann erscheint: "Du hast ein Schwertgefunden, suche den Besitzer." Es kann aber auch sein, das ich erst ins Dorf gehe und mit dem "Besitzer" rede und der sagt: Mein Schwert wurde geklaut, finde es.
In vielen Spielen gibt es genau so etwas nicht. Wenn man da im Dorf nicht den Besitzer anspricht, dann ist dass Schwert nicht in der Höhle... erkunde ich erst die Höhle und gehe dann ins Dorf, nimm die Quest an, dann geht es halt zurück in die Höhle.
Und ich merke heute schon, dass gewisse Sachen früher oft etwas "durchdachter" wirkten als heute, weil man damals weniger Ressource in die Grafik stecken musste und mehr Ressourcen für den Rest scheinbar hatte.
calippo schrieb:
Damals konnte ein Duke Nukem und Rise of the Triad noch begeistern und erst Recht HL1, weil wir das nicht kannten.
Ja und Nein zugleich. Natürlich war ein Duke Nukem 3D oder ein Half-Life 1 damals Neu, genauso ein Jedi Knight 1 oder Quake 1 und Quake 2. Gleichzeitig sind das aber Spiele, die auch heute noch durchaus die leute begeistern und Retro-Shooter erfreuen sich nicht umsonst einer gewissen Beliebtheit, denn eines ist sehr wichtig, was die wenigsten "modernen" Shooter heute bieten: Level-Design.
Ein Duke Nukem 3D, ein Half-Life und Co sind heute noch in den Gedächtnissen vieler Spieler und das in guter, nicht nur weil sie mit die ersten ihrer Art waren, sondern weil sie auch eine gewisse Atmosphäre hatten und auch zum Erkunden eigenalden haben.
Auch ein Doom Eternal - als "modernerer" Vertreter überzeugt nicht unbedingt durch eine bombastische Inzenierung oder tollen Story, sondern primär wegen des Gameplays und der Level. Solche Spiele bieten etwas, was früher normal war.
Call of Duty wiederum ist eine "Schießbude" und relativ "simple" vom GamePlay aufgebaut, es hat schon einen Grund warum gerade die Black Ops-Teile mit zu den bliebtesten zählen, die eine gewisse "Freiheit" ermöglicht haben, auch in den Levels.
Grafisch waren die Spiele alle damals "ähnlich", also musste man sich anders absetzen und das war Art-Style, Level-Design und auch mal frische Ideen.
calippo schrieb:
Aber man muss das schon mal in Relation sehen, so wahnsinnig genial waren die Spiele dann auch nicht, selbst wenn man die Grafik außen vor lässt.
Ob die Spiele damals genial waren? Kommt darauf an. Es stimmt schon, viele Spiele hatten damals den Bonus, dass sie etwas als erstes machten oder es wenig Konkurrent gab, gleichzeitig ist das Leveldesign von Half-Life 1 und auch Half-Life 2 heute immer noch sehr gut und von einer "Dynamik" geprägt, die man seit dem selten erlebt hat. Ich sag nur die Eisenbahnfahrt - nicht zum Anfang - in Half-Life 1 und die damit auch verbundenen Rätsel. Oder die "Bossgegner" in Half-Life, die man nicht mit Waffengewalt niederstrecken konnte, sondern die eine gewisse Arbeit benötigten.
Wir können deinen Satz auch etwas umdrehen: Lass doch mal die Grafik, Animationen und auch so manche technischen Finessen von Heute weg und konzentriere dich auf Gameplay, Storytelling und Leveldesign und dann überlege mal, was von den heutigen Spielen übrig bleibt und was diese Spiele dann von Spielen aus den 90er und 00er-Jahren unterscheidet.
Es ist, wenn man das macht, eigentlich sogar erschreckend, dass quasi ein Morrowind oder Oblivion - bis auf die Grafik und bedingt einige technischen Einschränkungen - nicht weit entfernt von einem Skyrim sind, dass ein Fallout 4 nicht weit weg von Fallout 3 ist. Ich kann das auch mit einem Cyberpunk 2077 machen und es dann gegen Deus Ex von 2000 stellen und auch da schrumpen viele Sachen sehr schnell was GamePlay, Leveldesign und Co angeht.
Auch ein gutes Beispiel, dass den "Verfall" des GamePlays gut zeigt, ist Diablo 3 zu Diablo 2: Diablo 2 galt 2000 als Meilenstein der "Action"-Rollenspiele und wurde oft und viel koopiert und das in der Regel eher schlecht als Recht und selbst die "geistigen" Nachfolger wie Path of Exil und Co sind nicht wirklich besser als Diablo 2, sondern nur "komplexer". Diablo 3 hat dann das GamePlay vereinfacht obwohl technisch und Co so viel mehr möglich wurde. Klar, Diablo 2 ist heute in manchen Punkten sperrig und auch altbacken, das liegt aber weniger an dem Spielsystem als viel mehr an so manchen Komfort-Funktionen, die es mit der Zeit geschafft haben und die es auch in D2:R gibt.
Streiche bei einem GTA 5 die Grafik ebenso bei einem GTA 4 und vergleich dann das Gameplay mit GTA3 und Ablegern, da haben wir auch ein ähnliches Problem. Klar, das Gameplay von GTA 5 ist heute deutlich runder als von GTA 3, gleichzeitig sind die Unterschiede aber mit der Lupe zusuchen. Ja GTA 5 hat mehr "Freizeitbeschäftigungen" und Co, aber vieles was GTA 5 ausmacht, hatte schon GTA 3.
Ich könnte das sogar auf ein anderes Spiel ausweiten: Mech Warrior 4 + Addon gegen Mech Warrior 5. Mech Warrior 5 bietet nicht wirklich mehr als Mech Warrior 4 und ist - bis auf die Grafik, Physik - an vielen Stellen sogar ein Rückschritt - ja nicht das selbe Team usw..
calippo schrieb:
Zudem waren wir noch jung oder sogar Kinder, da ist der Anspruch auch ein anderer. Ich erinnere mich auch gerne an die 80er und 90er zurück, da hab ich dann aber meine rosarote Brille auf, damit ich das so richtig genießen kann.
Klar, es hat auch etwas damit zutun, dass wir damals jünger waren und oft auch noch Kinder, aber nicht nur und nicht jeder, der an die damalige Zeit sich erinnert, hat eine rosarote Brille auf. Ich habe oben schon einige Beispiele genannt ich könnte an der Stelle aber noch weiter machen.
Nehmen wir die Command & Conquer-Teile der 00er-Jahren und ebenso StarCraft 2 und so manche andere Strategiespiele der späten 00er und 10er und nun auch das was Heute kommt: Grafisch sind diese Spiele natürlich meistens erste Sahne und der Konkurrenz von damals aboslut überlegen und doch zeigte WarCraft 2 und ebenso später WarCraft 3 was möglich ist und gerade WarCraft 3 ist in seiner Form auch heute immer noch spitze. Klar es fehlt die Dynamik von StarCraft 2, dass sich die Karten erweitern konnten. Klar es fehlt an andere Stelle auch etwas an Physik-Spielereien und Level-Spielereien, ähnliches kann man auch bei C&C beobachten über die Jahre, aber vieles, wofür man StarCraft 2 feierte und die "Addons" feierte, gab es bereits schon in WarCraft 3.
Gerade die Spiele der frühen 00er-Jahre haben im Bereich Gameplay, Level- bzw. Worlddesign und damit verbunden auch Environmental Storytelling, bereits ein sehr hohes Niveau erreicht und es kamen in diesen Jahren viele der Spiele heraus, die man durchaus als die besten Vertreter ihrer Genres bezeichnen kann. Viele Spiele fanden damals auch eine gewisse Balance der Komplexität im Gameplay, was seit dem dann vielen Spielen, auch wegen der Einsteigerfreundlichkeit, verloren gegangen ist oder genau ins Gegenteil umschlug, weil man die Hardcore-Gamer befriedigen wollte.
Was vielen Spielen aus den späten 90er und frühen 00er fehlt? Das ist heute die "grafische" Pracht, ebenso oft der technische Feinschliff und manchmal auch eine gewisse Dynamik in den Spielen selbst. Aber es ist alles irgendwie schon da und macht auch die Spiele aus. Vom Gameplay ging es seit den späten 00er eigentlich nicht mehr wirklich voran und es hat bei gewissen Themen auch eher ein Rückschritt eingesetzt hat.
Viele "können" Spiele der späten 90er und eben der frühen 00er oft nicht mehr genießen, weil sie eben Grafik über alles setzen und nicht das Gameplay. Wer aber Spiele wegen ihrer Geschichten, wegen des Gameplays spielt und wer Grafik keine wirkliche Bedeutung bei misst, stellt schnell fest, dass sich so manches Spiel von Heute eine Scheibe von Spielen der 90er und 00er abschneiden können.