KarlKarolinger schrieb:
aber eben nicht, dass der Rest der Gesellschaft nicht mit Gegenmeinungen auf die eigene Meinung reagieren darf.
Es handelt sich bei der cancel culture aber eben nicht mehr nur um "Man sagt dann seine Gegenmeinung."
Sondern es entwickelt sich zunehmend in die Richtung, dass
gezielt Leute es dem öffentlichen
Leben ausgeschlossen, indem sie gestalkt und körperlich angegangen werden inkl anrufen bei Arbeitgebern, damit die ja nie wieder
irgendwo einen Job erhalten.
Das ist rechtlich ein schwieriges Konstrukt, weil das, was jeder einzelne macht, per se nicht illegal oder nur super schwer nachzuverfolgen ist. In der Gesamtheit zerstört sowas aber ganze Existenzen.
Und dadurch kommen wir zum eigentlichen Punkt:
KarlKarolinger schrieb:
Meinungsfreiheit garantiert, dass der Staat einen nicht verhaftet weil man eine bestimmte Meinung vertritt
Wenn man die meinungsfreiheit so eng spannt, ja, dann herrscht Trotz cancel culture super meinungsfreiheit.
Wenn ich dann wegen meiner Meinung meinen Job verliere oder meine Existenz zerstört wird, ist ja meine meinungsfreiheit trotzdem noch gesichert.
Dass ich meine Meinung dann aber trotzdem nicht offen kundtue, weil ich eben jene nicht-staatlichen Repressalien zu befürchten habe, ist dann ja ein anderer Punkt.
Wenn im übrigen die Cancel Culture einen Teil dazu beigetragen hat (was ich nicht belegen kann. Ist nur so ein Gedankengang), dass "Hassrede" (ein nicht näher definierter Begriff.) im Netz nach NetzDG gelöscht werden muss, weil sonst strafen für den Seitenbetreiber drohen, dann agiert der Seitenbetreiber bei Löschung effektiv auch nur als Mittelsmann.
s0undjan schrieb:
Gibt es da genaue Gesetztestexte bzw. Belege dazu?
Außerhalb des Schutzbereichs von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG liegen nur bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung unzweifelhaft feststeht.
Vom BVerfG:
https://www.bundesverfassungsgerich...idungen/DE/2000/04/rk20000413_1bvr058995.html
Da jetzt der 2. Teil des Satzes zu Diskussionen führen wird: wichtig ist hierbei der Begriff "unzweifelhaft". Wann ist denn etwas "unzweifelhaft unwahr"? Wir leben leider nicht in einer (nach uns bekannten) axiomatisierten Mathematikwelt, in der Sachen gemäß der Regeln von Logik und formalen Systemen beweisbar sind. (Und selbst da sind Sachen nicht beweisbar.)
Wie sicher muss etwas "unwahr" sein, damit etwas "unzweifelhaft unwahr" ist? Oder geht es dabei nach dem Konsens der Mehrheit? In dem Fall würde einfach nur eine Deutungshoheit existieren.
Wenn eine Aussage so "unzweifelhaft unwahr" ist, warum wird sie dann überhaupt getätigt? Scheinbar gibt es ja Personen, die Alternativbehauptungen für höchstens zweifelhaft wahr halten. Einfach "informieren" ist halt, je nach Subjekt, nicht wirklich möglich, weil du ggbfl auch sämtliche Grundlagen zu einem Thema nachschlagen musst.
Das "unzweifelhaft unwahr" zieht einen sehr langen Rattenschwanz nach sich, der den "Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG" stark ausweitet.
Edit:
So kann man tatsächlich entsprechende Fälle googlen:
"Das ließ trotz klarer Äußerungen des Klägers dahingehend, dass die Täter nicht feststünden, Raum für Erwägungen, ob er nicht tatsächlich doch von einer Urheberschaft rechtsgerichteter Kräfte innerlich überzeugt war. Unzweifelhaft falsch war diese Annahme daher nicht."
https://openjur.de/u/206933.html
Raum für Erwägung reichte in diesem Fall aus, damit eine Aussage nicht unzweifelhaft unwahr war.