So sehr sich der Artikel auch Mühe gibt sie zu verzuckern, ich kann mich nicht überwinden diese Kröte zu schlucken.
Es bleibt dabei, dass mir bisher niemand die Vorzüge von "Ex-Metro" und den restlichen Änderungen der Bedienoberfläche von Windows 8 plausibel machen kann. Da steht im Prinzip auch wieder nur, dass dies und jenes neu ist und dass das eine gute Sache sei, aber nicht warum.
Z.B., dass das Startmenü jetzt als Startbildschirm mit großflächigen, großzügig angeordneten Schaltflächen über den ganzen Bildschirm und per Scrolling sogar darüber hinaus geht und dass das gut sei.
Das ist aber nicht gut, denn es bedeutet niedrigere Informationsdichte und längere Mauswege. Beides sind negative Eigenschaften für ein PC-GUI.
Oder die unsichtbar an Bildschirmrändern versteckten "Charmbars" (oder so ähnlich), mit ihren ebenfalls großen und großzügig angeordneten Schaltflächen, die es nötig machen, weitere oft benötigte Schaltflächen in Unter- und Unteruntermenüs unterzubringen.
Das ist unintuitiv, macht Mauswege lang und erfordert mehr Klicks.
Dafür kommt dann immer wieder das "Argument", dass man die derartig verhunzte grafische Benutzerführung ja per Tastaturkombinationen weitgehend umgehen kann.
Tastaturkombinationen sind zwar, genauso wie die Kommandozeile, eine höchst effiziente Methode, wenn sie einem erstmal in Fleisch und Blut übergegangen ist. Aber sie sind halt auch höchst unintuitiv, weshalb moderne grafische Benutzeroberflächen sowas eher nicht vorraussetzen.
Es spricht nichts dagegen, sie als zusätzliche Alternative anzubieten, aber eine effiziente, unintuitive Bedienung als Alternative zu einer uneffizienten, unintuitiven grafischen Oberfläche, ist und bleibt ein Armutszeugnis für ein modernes Betriebsystem.
Warum also macht Microsoft sowas? Darüber kann man nur spekulieren.
Grundsätzlich gibt es zwei Szenarien, wie es bei Microsoft zur dieser Entscheidung gekommen sein könnte:
Szenario Nr.1:
Eines Morgens sind die Entwickler von Microsoft kollektiv mit der Erleuchtung aufgewacht, dass die Art, wie man seit nun fast 30 Jahren die grafischen Benutzeroberflächen für PCs gestaltet und immer weiter optimiert hat, also mit volwertiger Fenstertechnik, intuitiver Desktopmetapher, Optimierung von Mauswegen und Klicks usw., ein totaler Irrweg war. Sie sind zu der Erkenntnis gekommen, dass mit Kacheln, übergroßen Schaltflächen, unsichbar versteckten Menüs und Auswendiglernen von Wischgesten und Tastaturkombinationen alles viel besser geht.
Und wie das Schicksal es so will, ist diese neue, optimale PC-Oberfläche ganz zufällig auch ziemlich gut geeigent für Tablets und Smartphones. Was für ein Glücksfall für die Anwender und auch Microsoft, die sowieso gerade in diese gehypten Märkte hinein expandieren wollten. Alle sind Gewinner. Juhu!
Szenario Nr.2:
Das Management von Microsoft hat mit Schrecken zur Kenntnis genommen, dass der PC-Markt immer mehr stagniert, während der Markt für Tablets und Smartphones boomt. Den Markt hat Microsoft aber, wie so oft (z.B. beim Internet), anfangs verschlafen und jetzt wird er schon von anderen Firmen dominiert.
Als Nachzügler bei Null anfangen und sich mühsam aufgrund von objektiven Qualitäten Marktanteile zu erkämpfen will Microsoft aber nicht. Statt dessen hat man sich überlegt, die immer noch starke Position von Windows im uncoolen PC-Markt als Sprungbrett in den hippen Tablet-Markt zu benutzen.
Man zwingt den Millionen Windows-Anwendern und -Entwicklern eine neue, tabletoptimierte Oberfläche auf und schafft damit eine solide Grundlage für die neuen Windows-Tablets. Und nebenbei etabliert man gleich auch noch den MS-App-Store, über den man nicht nur an jeder verkauften Windowssoftware kräftig mitverdient, sondern auch weitgehende Kontrolle darüber hat. Was MS nicht gefällt, wird einfach ausgesperrt.
Ich tendiere doch stark dazu, dass Szenario Nr.2 für wahrscheinlicher zu halten.
Das ist nicht persönlich gemeint, aber das bedeutet, dass diejenigen, die sich mit "Ex-Metro", den "Charmbolzen" ähm... "Bars" usw. abfinden und sie vielleicht sogar als Fortschritt preisen, sich nicht an eine neue, bessere PC-Bedienoberfläche gewöhnen, sondern Opfer der Marketingabteilung sind, die ihnen faule Kompromisse gegenüber den Tablets mit ihren ganz anderen Anforderungen an ein GUI als Fortschritt für den PC unterjubeln.
Der eigentliche Sinn von "Ex-Metro" ist aber nur, für Microsoft neue Märkte zu erschließen.
Ich werfe Microsoft nicht mal vor das zu versuchen. Wir leben schließlich in einer kapitalistischen Marktwirtschaft. Microsoft ist ein Konzern, der maximalen Profit für seine Aktionäre rausholen muss, nicht die Anwender mit bestmöglicher Software glücklich machen. Das kann ein und das selbe sein, muss aber nicht.
Aber auch wir Konsumenten sind frei und müssen nicht jeden Mist schlucken, den man uns vorwirft.
Nicht alles was
neu ist, ist auch
besser (für uns).