@speedy55
Dafür brauchst du keine audiophil veranlagten Menschen fragen, die Unterschiede gibt und gab es immer.
Man spricht immer davon, dass die Schallplatte einen höheren Dynamikumfang hat, faktisch ist eigentlich die CD überlegen, was diese Disziplin angeht.
Die Besonderheit bei Schallplatte ist eher der nahezu komplett analoge Verarbeitungsweg. Du hast - bis auf den Verstärker - eigentlich keinerlei Digitalisierung bis hin zu den Lautsprechern und wenn du einen vollanalogen (Class A) Verstärker verwendest, dann gibt es tatsächlich keinerlei Signalwandlung von der Platte bis hin zum Lautsprecher - lediglich Signalverstärkung.
Der größte Unterschied zur CD dabei ist, dass jedes noch so kleine Bauteil im Signalweg - von der Nadel über die Cartridge und Kabel im Tonarm hinweg zum Vorverstärker, zur Endstufe (mit oder ohne Klangverschlimmbesserern dazwischen) und eben übers Lautsprecherkabel bis hin zum Lautsprecher so viele Variationen hast, die den Klang beeinflussen können - positiv wie eben auch negativ.
Das kann man für sich persönlich als Vorteil oder auch als Nachteil werten.
Ich würde behaupten: je digitaler ein Audiosetup aufgebaut ist, umso "gleicher" klingt es auch, bzw. wird dann größtenteils durch Raumakustik und persönliche Vorlieben des Hörers mittels der getroffenen Klangeinstellungen (LZK/EQ, etc) beeinflusst.
Bei einer möglichst analogen Verarbeitung spielen eben noch viel mehr Faktoren eine Rolle, die durchaus dazu beitragen können, den eigenen Wunsch nach dem "einzig wahren Klangcharakter" perfekt anzupassen.
Davon ab hat Vinyl eine enorm große, psychische Komponente. Es ist schon eine Art Ritual, die Scheibe aus dem Outer Sleeve, dann aus dem Inner Sleeve zu holen, sanft auf den Teller aufzulegen, die Nadel manuell auf die äußerste Rille aufzulegen und dann genüsslich im Stereodreieck bei komplett abgedunkeltem Raum Musik zu hören. Und ab und an wäscht man die Platten dann noch zwischendurch in ner Waschanlage (manuell/Knosti oder automatisch in ner Plattenwaschstation)... alles Dinge (nagut, bis auf's im Stereodreieck im dunklen Zimmer Musikhören ^^), die mit einer CD so nicht machbar sind - hat aber, wie gesagt, größtenteils einen psychischen Charakter.
Wenn du mich allerdings blind in einen Raum führst und mir ein Album vorspielst, von dem ich nicht weiß, ob es nun auf CD oder auf Vinyl abgespielt wird: sofern ich das Album nicht komplett in- und auswendig kennen würde und mir zudem noch gleichzeitig zwei Varianten vorliegen würden, eine auf CD und eine auf Vinyl (ist bei mir bei einigen Alben der Fall), dann wäre es vermutlich nicht möglich, das überhaupt rauszuhören. Und selbst, wenn es sich um ein mir sehr gut bekanntes Album handelt, dann müsste ich es zwingend bei mir zuhause hören, um das - mit einer nicht wirklich 100%igen Sicherheit - raushören zu können.
Fun Fact: gute Platten auf guten Systemen abgespielt knistern nicht. Das ist ein Irrglaube, der sich seit Jahrzehnten hält. Es ist auch nicht der Staub, der knistert, sondern die statische Ladung des Vinyls durch Lagerung im (bzw. Ein- und Ausführen aus dem) falschen Sleeve (nicht gefüttertes, reines Papersleeve).
Wenn man keinen Plattenspieler besitzt, gibt es - auch als audiophil veranlagter Mensch - keinen zwingenden Grund, auf Vinyl umzusteigen bzw. dies hinzuzuziehen zur eigenen HiFi-Landschaft. Ich habe selbst schon bei verschiedenen High-Endern gesessen, mehrfach - Anlagenwerte im sechsstelligen Bereich - keine Schallplattenspieler weit und breit. Da wird auch mal sehr gerne entweder a) von der eigenen (SA-)CD, Live-DVD/BD oder b) von Tidal (Streamingdienst mit Lossless-Option) abgespielt.
Wenn man jedoch Lust auf Experimente hat und den Horizont erweitern möchte, oder einfach nur auf diese psychische Komponente steht, dann ist Vinyl auf jeden Fall ne tolle Sache. Gezielt gekauft kann man es auch als Wertanlage sehen - die meisten Pressungen (vor Allem viele neue) gewinnen irrwitzig an Wert über die Zeit, wenn sie aus dem offiziellen Erstverkauf verschwinden und keine Neupressung in Sicht ist. Auch der Markt für Bootlegs (also unauthorisierte Pressungen) boomt wie eh und je.
Der Einstieg in die Plattenwelt muss übrigens keinesfalls teuer sein. Ich hatte Glück und habe meinen Fisher MT-6221 vor ein paar Jahren mitsamt Audiotechnica AT12E-System für lächerliche 50 Euro bekommen - hier im Nachbarort und sogar inkl. Haube und ohne technische Mängel, optisch in ner 2+ (bei nem Gerät mit bald 45 Jahren auf dem Buckel).
Wenn man bereits einen Verstärker mit (MM-)Vorverstärker besitzt, muss man in der Regel nichtmal zusätzliches Geld investieren.
Pauschal: so um die 100 Euro, da bekommt man wirklich tolle Plattenspieler meist aus der Nähe, die brauchbare Systeme vorinstalliert haben und die sich als Erstlingsgerät blendend eignen.
Aber wie gesagt, weder eine gewisse Audiophilie noch reiner Drang zum Probieren sind zwingend ausschlaggebend dafür, in die Vinylwelt hineinzuschnuppern.