Die Unterschicht in Deutschland

keshkau

Commodore
Registriert
März 2007
Beiträge
4.399
Aus aktuellem Anlass (Themenabend bei Arte) werfe ich die Frage in die Runde, ob sich unsere Gesellschaft ausreichend bzw. überhaupt um die Bedürfnisse der Menschen kümmert, die wir der Unterschicht zurechnen.

Auf der einen Seite wird beispielsweise eine erbitterte Debatte um den Mindestlohn geführt. Aber das betrifft Leute, die Arbeit haben. Was aber ist auf der anderen Seite mit den Menschen, die keine Arbeit haben? Mir ist bewusst, dass die Grenzen zwischen dem Niedriglohnsektor und Hartz IV fließend sind. Und dennoch: Es macht immer noch einen Unterschied, ob jemand jahrelang sehr wenig verdient oder ob er seit Jahren arbeitslos ist.

Ich habe das nachfolgende Zitat gefunden, aus dem hervorgeht, dass die Ernsthaftigkeit der Situation durchaus wahrgenommen wird. Aber wo bleiben die Maßnahmen, die sich daraus ergeben müssten bzw. welche Maßnahmen müssten dies konkret sein?

Kurt Beck (im Oktober 2006): http://www.rundschau-online.de/html/artikel/1160976493049.shtml
Deutschland hat hier ein zunehmendes Problem. Manche nennen es "Unterschichten-Problem". Die Gesellschaft hat an Durchlässigkeit verloren. Das ist eine Entwicklung, die wir dringend ändern müssen. Es gibt viel zu viele Menschen in Deutschland, die keinerlei Hoffnung mehr haben, den Aufstieg zu schaffen. Sie finden sich mit ihrer Situation ab. Sie haben sich materiell oft arrangiert und ebenso auch kulturell. Es gibt Fernsehsender, bei denen regelrecht von Unterschichten-Programmen gesprochen wird. Früher gab es in armen Familien, auch in meiner eigenen, das Streben der Eltern: Meine Kinder sollen es einmal besser haben. Es besteht die Gefahr, dass dieses Streben in Teilen der Gesellschaft verloren geht. Das ist Besorgnis erregend."

ARD-Beiträge zum Thema:
http://www.ard.de/home/-/id=1860/vv...f=42/fqcw3p/index.html?q=Unterschicht&x=0&y=0

Fernseh-Tipp, 6. November 2007 (Arte): Arm dran – das Gesicht der Unterschicht
http://www.arte.tv/de/pauvres/1727164.html

Seite 10-17
http://www.sueddeutsche.de/imperia/md/content/pdf/deutschland/abgehaengt_auszug.pdf

Der Begriff des Prekariats bei Wikipedia
http://de.wikipedia.org/wiki/Prekariat

Haben die Armen keine Lobby? Sind sie für die Entscheider im Land uninteressant? Können wir uns eine solche Sockelarmut auf Dauer leisten, z. B. in demografischer Hinsicht? Die Lösungen liegen zu einem nicht geringen Teil sicher im ökonomischen Bereich. Denn wenn diese Menschen alle eine vernünftig bezahlte Arbeit hätten, wäre das Problem womöglich aus der Welt geschafft.

Trotzdem finde ich die übrigen Aspekte spannender! Viele dieser Menschen haben das Arbeiten verlernt oder nie gelernt. Sie haben ihre Zuversicht und ihr Selbstvertrauen verloren. Sie haben nicht selten resigniert und sich mit ihren Verhältnissen abgefunden. Es dürfte schwierig sein, solche Menschen dauerhaft in die Arbeitswelt und in die Gesellschaft zu (re-)integrieren.

Was ist zu tun?
 
Ich denke, dass "die Lobby der Armen" heute größer ist denn je. Ich denke hier in erster Linie an linke Flügel der SPD und an die PDS. Doch auch CDU und FDP versuchen sich immer mal wieder zu Profilieren indem man für die Menschen in Armut spricht.

Das ich nicht der Ansicht bin, dass jeder Mensch in Armut auch Arm ist, sollte hier hinlänglich bekannt sein. Diese Erkenntniss erschließt sich für mich aus der Definition des Armutsbegriffes in Deutschland.

Mir stellt sich die Frage, ob denn die Dinge die für Menschen in Armut getan werden auch wirklich der richtige Ansatz sind?
Die Frage ist was ein höheres ALG II denn an der von dir beschriebenen Problematik der Perspektivlosigkeit oder auch der Unwilligkeit zu Arbeiten ändern kann. In meinen Augen bekämpft man damit bestenfalls die Symptome und keinesfalls die Krankheit selbst.

Vielmehr muss die Lobby der "Unterschicht" für andere essentielle Dinge Kämpfen:

- Schaffung von Betätigungsfeldern:

Dabei meine ich nicht nur Erwerbsarbeit im klassischen Sinne. Es gibt derart viele Betätigungsfelder die der gesellschaft dienlich wären aber außerhalb des Gefüges der Erwerbsarbeit liegen. Modelle bei denen sich Frührentner um die Kinder von Arbeitnehmern kümmern sind ein Beispiel dafür.
Dabei muss vor allem die gesellschaftliche Anerkennung (nicht ausschließlich im Materiellen Sinne) in Deutschland wachsen.

- Stärkung der Familien:

Leider ist es heute so, dass die Kinder von Eltern in Armut oft kaum eine Chance haben diesen Verhältnissen zu entfliehen. Wobei das Kernproblem nicht ist, dass die Bildung zu teuer wäre... Ich denke, dass viel zu oft die Perspektivlosigkeit der Eltern auf die Kinder abfärbt.
Ferner (mir ist bewusst, dass ich jetzt für diese Aussage verprügelt werde ...) sind auch oft die Erziehungsmethoden der Eltern aus dieser sozialen Schicht nicht geeignet. Keinesfalls will ich hier verallgemeinern, aber eine Tendenz ist IMO durchaus erkennbar.

- Fördern und Fordern:

Manch einer wird dies nun als "Wahlspruch" der neoliberalen bezeichnen. Doch ich denke ich diesem Prinzip steckt viel wahres.
Man muss Menschen die Perspektive bieten aus ihrem Dilemma heraus zu kommen, dies geschieht durch Förderung. Man muss diese Menschen aber auch dazu auffordern aufgezeigten Wege selbst zu beschreiten, und hier darf und muss gefordert werden.
Wer die aufgezeigten Wege nicht beschreiten will, der darf ruhig auch spühren, was für Konsequenzen dies hat. So gesehen halte ich es durchaus für legitim in bestimmten Situationne sogar die Hartz IV Bezüge zu kürzen.
Allerdings werden in Deutschland noch immer viel zu wenig Perspektiven aufgezeigt.


Wer auf diese Problematik mit der Forderung nach höheren Hartz IV Bezügen antwortet, der mag sich zwar zur Lobby der Unterschicht zählen, aber Lösungen bietet er nicht.
Die Problematik ist gesellschaftlich durch so viele Faktoren bedingt, dass man ihr mit der stumpfen Forderung nach mehr Geld nicht begegnen kann.
 
Hmm, ich werd mir den Themenabend heute auf jedenfall mal zu Gemüte führen.

Ein Allheilmittel gibt es auf jedenfall nicht. Ein ausgewogenes Maß an Fördern und Fordern ist angebracht. Meiner Meinung nach ist man mit der Agenda 2010 schon auf einem guten Weg auch sozialversicherungspflichtige, vollwertige Arbeitsplätze zu produzieren und der Globalisierung in Form von Arbeitsmarktveränderung hin zu Hochqualifizierung zu begegnen. Man sollte imo nicht von diesem Kurs abweichen oder ihn aufweichen so wie es die SPD jetzt vorschlägt um die Emotionen des kleinen Mannes zu berühren und seine Stimme bei den nächsten Wahlen einzuheimsen. Mit Blick auf die Zukunft sind schulische und berufliche Ausbildung der deutschen Kinder und Jugendlichen von höchster Priorität!
Aber in unserem Land laufen sowieso atm Prozesse ab, die man auf sehr lange Zeit anschauen sollte. Wenn wir beim nächsten allgemeinen Wirtschaftsabschwung nicht gewappnet sind, wird man die wahre Unterschicht erst kennenlernen!
 
Schön mal, zwischen dem ganze "Welches Board ist für mich das beste???", soetwas zu lesen.

Also ich muss mich ObServer 88 anschließen, wenn er sagt, dass eine Verlängerung von ALG I oder eine Erhöhung von ALG II eher an den Symptomen herumdocktert, als die Ursachen zu bekämpfen.

So lange die Industrie Ausländer per GreenCard ins Land holen muss (und das soll sie ja auch tun, so lange die Fachkräfte nicht da sind), weil sie dringend Fachkräfte benötigt, stimmt eher was am Bildungssystem nicht. Auch die Anzahl bildungsferner Familien nimmt IMO ständig zu.

Da sind vorallem Schulen und Universitäten gefordert. Und dieser Etat müsste mal wirklich erhöht werden. Das sind DIREKTE Investitionen in die Zukunft. Hauptschulen und Realschulen stärken und Gymnasien (nach langen Jahren des Abwertens) wieder aufwerten.
Außerdem sind Einrichtungen zur Kinderbetreuung zu schaffen, die Kinder aus bildungsfernen Familien betreuen und fördern!
 
Ich stimme meinen Vorrednern weitestgehend zu ausser Adam natürlich bei dem Armut wohl erst kurz vor dem Hungertod anfängt. :(

Armut ist gewollt und wird hierzulande eher gezielt gefestigt als bekämpft.


Auch noch interessant zu dem Thema:


Die Armut zieht nach oben.

Von Michael Mäde

Die Armutsfrage stellt sich immer mehr Teilen der Bevölkerung. Der Einzelhandel merkt es zuerst.

Im Oktober 2006 irrlichterte kurz eine Debatte durch die Mainstreammedien, die – zumindest vergleichsweise – etwas mit der Realität in diesem Lande zu tun hatte. Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) entdeckte das »abgehängte Prekariat«, und ein bekennender Liebhaber des Pfälzer Weins, im Nebenjob SPD-Vorsitzender, machte sich öffentlich Sorgen um eine Unterschicht, die sich ihrem Schicksal ergeben habe.

Damit hatte die sogenannte Unterschichtendebatte begonnen. Sie sollte sich in der Folge als nicht mehr vollständig kanalisierbar erweisen.

Die Marx-Engels-Stiftung nahm diese Debatte zum Ausgangspunkt, um den Zusammenhang von Prekarisierung und Klassenwiderspruch zu analysieren. Unter dem Titel »Mehr Profite –mehr Armut« stellt sie den nunmehr vierten Band ihres Projektes Klassenanalyse vor. Die zutreffende Feststellung lautet: »Die Armut ist vom Keller in den ersten Stock der Gesellschaft gezogen.« Die sechs Autoren des Bandes behaupten dies nicht nur. Sie belegen ihre Thesen mit umfangreichem Faktenmaterial. So analysiert z. B. Ekkehard Lieberam die Stoßrichtung der FES-Studie als eine »Handreichung von Herrschaftswissen an die neoliberalen ›Reformer‹ (...) Die Studie will den Regierenden Auskunft darüber geben, welche ›Gruppen‹ dem ›Wandel aufgeschlossen‹ oder ›skeptischer‹ gegenüberstehen.«

Werner Seppmann indes unternimmt es in seinem Beitrag, den Zusammenhang von Prekarisierung, »sozialdestruktiven Entwicklungen einschließlich ihrer subproletarischen Verfestigungstendenzen« und den Strategien zur Verunsicherung weiter Teile der Bevölkerung durch die Politik zu untersuchen. Seppmann findet eine Reihe von Antworten auf die Frage, warum die am deutlichsten an den Rand Gedrängten in diesem Land sich nicht vernehmlicher zu Wort melden, warum der Widerstand insgesamt so gering bleibt. » Von ihren eigenen Aktivitäten erwarten die Opfer der ausbeutungsorientierten gesellschaftlichen Umgestaltungsprozesse ebenso wenig positive Impulse für ihre Lebenssituation, wie von der ’großen Politik’. Deshalb verweigern sie sich mehrheitlich sozialen Protestbewegungen, wie auch den Wahlprozeduren« , meint Seppmann und macht deutlich, daß Verunsicherung und Existenzängste immer größere Teile der abhängig Beschäftigten erfassen. Dies hat handfeste soziale Ursachen und ist Ergebnis der Kapitaloffensive zur Verbesserung der entsprechenden Verwertungsbedingungen sowie des Klassenkampfes von oben. Mindestens weitere 20 Prozent der Bevölkerung leben mittlerweile in so unsicheren Verhältnissen und verfügen über ein so geringes Einkommen, daß sie jederzeit sozial abstürzen können.

Lieberam betont die Notwendigkeit zur Verständigung auf ein gemeinsames Programm, »das die verschiedenen Klassenfraktionen der abhängig Arbeitenden und sozial Ausgegrenzten zusammenführt«. Zu diesem Programm gehören für ihn Forderungen wie die nach Umverteilung der Arbeit durch radikale Arbeitszeitverkürzung, nach Existenzsicherung auf der Grundlage gesetzlicher Mindestlöhne und die Einführung einer ausreichenden sozialen Grundsicherung. »Dazu gehört auch der offenbar langwierige Abwehrkampf gegen die fortschreitende Umverteilung von unten nach oben und die Privatisierung des öffentlichen Eigentums.« Lieberam mahnt zu Recht: »Wenn die Politik in diesem Abwehrkampf gegen Privatisierung, Sozialraub, Reallohnkürzungen und Massenentlassungen nicht ihre Hausaufgaben macht, wird die Ausweitung prekärer Arbeits- und Lebensverhältnisse sich unweigerlich fortsetzen. Sie muß die Machtfrage und nicht die Haushaltsfrage stellen.«

Auszüge aus Projekt Klassenanalyse@BRD (Hg.): Mehr Profite – mehr Armut. Prekarisierung und Klassenwiderspruch. Neue Impulse Verlag, Essen 2007, 216 Seiten, 12,90 Euro
 
Komisch, dass meine Vorredner im Kern nichts anderes sagten als ich ... :freak:

Ferner sehe ich nicht, dass irgendwo die Armut gezielt gefestigt wird. Wie meine Vorredner ja bereits auch sagten gibt die Agenda 2010 im Kern schon die richtige Zielrichtung vor. Wohlgemerkt nur im Kern, denn die Detailfragen wurden eher unbefriedigend beantwortet und das Gesamtkonzept ist in sich nicht stimmig.

Es ist falsch zu behaupten, dass in Deutschland nicht der Wille bestünde etwas gegen Armut zu unternehmen. Wie ObServer88 ja bereits richtig beschrieb ist gerade das zurückrudern der SPD etwas, was ich sehr schade finde.
Durch die Agenda 2010 wurde ein langwieriger Prozess angestoßen, der aber zwingend notwendig ist. Die Politik in Deutschland ist leider nicht geeignet um derartige Prozesse wirklich über einen längeren Zeitraum wirklich durch zu ziehen.

Da kommt ein populistischer Demagoge daher, findet die richtigen oberflächlichen Worte und schon weichen die etablierten Parteien in Deutschland von ihrem Reformkurs ab...
Zwar mag dies der "Unterschicht" vordergründig dienlich sein, doch in 10 Jahren schauen wir dann noch dümmer aus der Wäsche als heute...
 
Ich meine, dass es in Deutschland eine "armen Lobby" sehr wohl gibt.

Vorallem wenn man mit dritte Weltländern vergleicht, was es dort heisst, zur armen Schicht zu gehören, und was es in Deutschland heisst, werden ganz deutliche Unterschiede sichtbar.

"Armut ist gewollt und wird hierzulande eher gezielt gefestigt als bekämpft"

Naja, man muss einfach anerkennen, das unser sozial System immer noch zu den besten gehört, die es weltweit gibt. Das heisst nicht, dass unser sozial System besonders toll ist, aber in anderen Ländern gibt es oft noch nicht mal sozial Gesetze bzw. werden diese mit vorliebe überlesen. Korruption ist so ein Thema usw.
 
Die Höhe der Hartz-IV-Regelsätze, der ALG-II-Bezugsdauer oder Mindestlöhne sind nicht das zentrale Problem. Damit stelle ich allerdings nicht den sozialen Abstieg bei längerer Arbeitslosigkeit in Abrede.

Ich weiß nicht, ob jemand von Euch vor geraumer Zeit die ARD-Reportage „Abgehängt – Leben in der Unterschicht“ gesehen hat. Hier ist ein Interview mit der Filmautorin, in dem die Knackpunkte genannt werden.

http://www.wdr.de/themen/politik/deutschland/unterschicht/interview_061117.jhtml

Da gibt es Familien, die es für selbstverständlich halten, dass der Staat für sie sorgt. Die sehen gar keinen Grund dafür, jemals auf eigenen Beinen zu stehen. Manche Betroffene schöpfen sämtliche Hilfsangebote aus (Kleiderkammer, Second-Hand-Möbel, warme Küchen für Arme usw.) und stellen fest, dass sie damit eigentlich ganz gut zurechtkommen. Denen fehlt dann womöglich der Anreiz zur Erwerbsarbeit. In anderen Familien ist es ein Mix aus Schwierigkeiten, der unüberwindbar erscheint: Arbeitslosigkeit bzw. Niedriglohn, Verschuldung, Bildungsnotstand, Unfähigkeit zum Umgang mit Geld usw. – In dieser Schicht ist die Zahl der Hoffnungsträger, die den (Wieder-)Aufstieg aus eigener Kraft zumindest versucht, nicht geradezu groß.
 
Solange es in hochentwickelten Sozialstaaten besser ist daheim zu bleiben anstatt einer auch noch so ungenehmen Arbeit nachzugehen, wird es mit der "Armut" nicht besser werden.

Zitat aus der Schuldenberatungsshow am RTL oder sonstwo(Ungefährer Wortlaut):

Sie beschweren sich ständig, daß der Staat nichts für sie tut?
Sie sind noch an keinem einzigen Tag in ihrem Leben einer Erwerbstätigkeit nachgegangen und bekommen unterm Strich Monat für Monat 2200 Euro vom Staat.
Ich glaube der Staat tut genug für sie, für den Rest müssen sie schon selber sorgen!"

Betroffen: Mutter + 3 Kinder = "Einkommen" 2200 Euro.(Zuschüsse, Miete,...)
+ Lebenspartner 1000 Euro(Arbeitslose, macht 3200 Euro NETTO im Monat.

Ich gehe arbeiten für 1700 Euro 15 mal im Jahr, Netto, Feuerwehrfahrzeugbauer(spezielles Lohnsystem).
Meine Frau geht halbtags für 690 Euro 12x im Jahr.(Als Lohnverrechnerin!, Steuerberater zahlen eben nix)
1 Kind.

Ich zahle seit 18 Jahren ins System ein und finanziere damit jemandem einen höheren Lebensstandard als ich ihn selber habe.
Sehr toll finde ich das!
Ist in Österreich sehr ähnlich wie euer Harz IV.

Green Card. Facharbeitermangel.
Weil jeder nicht komplette Trottel in eine höhere Schule geht kommt es zum Facharbeitermangel und zu arbeitslosen Akademikern.
Damit gehen aber qualifizierte Leute für die Handwerksbetriebe ab!

Dann wird gejammert, daß die Firmen zu wenige Leute aufnehmen.
Kenne ich aus meiner Firma.

Bei 600(!) Bewerbern jährlich haben wir größte Probleme 12(!) HALBWEGS brauchbare Lehrlinge zu finden.
Firma bei einer Show/Reportage im Fernsehen: 2 Hotelfachkräfte gesucht, Lehre
200 Bewerber, EIN brauchbarer Lehrling gefunden, der zweite Platz konnt gar nicht besetzt werden...

Weiteres Problem:
Wer heute zu blöd für eine Lehre ist bekommt auch keine Hilfsarbeit, die sind von Ausländern besetzt.
 
Zuletzt bearbeitet:
ja man kann viel darüber labern aber der alltag schaut etwas anders aus als viele es sich hier denken.... anderes stimmt aber wieder und wurde auf den punkt gebracht.

kinderbetreuung: sozial schwache familien oder auch risikofamilien kann man viel betreuen wenn man will. aber geld ist hier immernoch an erster stelle. ist ein jugendlicher zb 16-17 jahre alt denkt sich das jugendamt "dem vermitteln wir nichts (jedenfalls nichts was uns was kostet)" weil der bald volljährig ist und dann eh ein anderer für sozialisierungsmaßnahmen zahlen darf. abgesehen davon sind dann bestimmte maßnahmen nicht effektiv solange die eltern bzw ein elternteil immernoch die falsche lebensweise vorlebt.
kindergrippen für kleinkinder und solche einrichtungen is wieder ne andere geschichte.

aber in deutschland ist das soziale (auffang)netz relativ engmaschig. es ist schwer wirklich ganz unten zu landen. jeder hat sein schicksal selbst in der hand, und selbst als obdachloser auf der straße wird einem weitaus mehr und v.a. professionelle hilfe angeboten als angenommen wird. vergleicht mal amerika damit (evtl den film "sicko" anschauen), obwohl manche sogar eine krankenversicherung haben zahlen die sich dumm und dämlich wenn wirklich mal was passiert.

es gibt ein sprichwort: man kann einen esel zum brunnen tragen, aber saufen muss er selbst. wer hilfe angeboten bekommt und nicht annimmt ist selber schuld - mehr kann man nicht tun. allerdings schämen sich auch sehr viele leute eine hilfe überhaupt anzunehmen, da sie sich dann auch selbst eingestehen müssen wirklich probleme zu haben.
andere wiederum missbrauchen hilfen, d.h. man bekommt kostenlos essenspakete und was man nicht mag wird weggeworfen.

aber auch im bereich schule ist nicht alles so einfach wie man denkt: es gab erst kürzlich wieder einen ansatz die bildung hier zu vereinheitlichen, also zentralabi etc... nur is bildung ländersache und die länder wollen nicht.

studienbeitrag (sind keine gebühren!): viele können sich das nicht leisten und haben keine finanzkräftigen angehörigen im rücken. d.h. die leute beziehen bafög und müssen nen studienkredit aufnehmen oder zwischendurch ordentlich arbeiten gehen um die kohle aufzutreiben. nach der eh schon viel zu langen schul- und studienzeit haben die dann einerseits bafög schulden und studienkreditschulden. bafög wurde seit jahren nicht erhöht (kein inflationsausgleich) und wer selbst auf bafög angewiesen ist weiß, wie unfähig diese einrichtung ist und es kommt nicht selten vor, dass man unverschuldet mehrere wochen/monate auf sein geld warten muss. bei manchen hilft da nur der anwalt.... hier sehe ich eine echte benachteiligung von der ich zum glück nicht betroffen bin.

ob alg 1 oder 2 und was wie wann verlängert wird ist augenwischerei. man verbessert einen fehler, den man damals machte, um einen noch größeren fehler zu verbessern ;)
schlichtweg ist im system der wurm drin. lohnnebenkosten zu hoch. wer im SGB nachliest und nachrechnet, stellt schnell fest, dass man unter gewissen voraussetzungen wohnung bezahlt bekommt und soviel cash hat, wie jemand der 40h die woche buckelt. senkt man nun die lohnnebenkosten, bleibt für nen arbeiter mehr übrig und für hilfebedürftige weniger (mal äußerst primitiv erklärt). aber noch weniger geld an arbeitslose ist nicht verantwortbar. wer auch hier sich die mühe macht und nachliest erkennt schnell, dass gewisse beträge jetzt schon mehr als unrealistisch sind und sozial schwache dadurch zwangsläufig v.a. aus dem kulturellen leben ausgeschlossen werden. so ist ein einstelliger eurobetrag im monat für ne familie unsinnig, denn davon könnte man nicht mal ne halbe kinokarte bezahlen etc....
wer "arme" eltern hat, hat zwar die möglichkeit nach oben zu kommen aber praktisch siehts eher mau aus. spätestens in der mittelstufe rückt man ins soziale abseits mit nicht marken klamotten etc... ernährung ist meist auch nicht die gesündeste da schlichtweg zu teuer... und schlussendlich können arme wenig für ihre rente tun, wie auch die wenigsten studenten wie auch die allerwenigsten jungen volljährigen überhaupt. macht eigentlich nichts, wenn wir jungen weiterhin so wenig nachwuchs produzieren bekommen wir eh keine rente mehr ;)

könnte noch 5 seiten darüber schreiben, aber um mal die vielen, teilweise zusammenhangslosen aussagen zusammenzufassen: gerecht, gerechter und am gerechtesten gibts nicht. es gibt lediglich gerecht, d.h. alles ist in den gesetzen geschrieben und die gelten für jeden. andere gesetze -> andere gerechtigkeit. wer macht gesetze ? politiker. wieviel bekommen politiker ? besch*ssen wenig, aber das wiederum unabhängig von ihrer leistung. abgesehen davon, dass unser herr schäuble wohl groß in waffenschieberei verwickelt war, verdienen sich die meisten legal was dazu, spätestens nach ihrer politikerkarriere wie zb unser gerhard.
der fehler daran ist, dass die politiker nach kurzer amtszeit fürs leben ausgesorgt haben unabhängig von leistung. keiner will mehr politiker werden (überlegt mal in eurem freundeskreis bei den unter 30 jährigen wer politisch aktiv ist). zahlt man dem politiker nun weitaus mehr, sagen wir einfach mal 250000 euro im jahr und dafür keine extra bezüge/rente mehr, würden auch intelligentere leute in die politik gehen - die sitzen nämlich alle in der freien wirtschaft und verdienen wenn sie gut sind schon in den ersten 4-5 arbeitsjahren ihre 7000 brutto im monat, später dann unvorstellbar viel mehr...

der elite unseres landes würde ich dann auch zutrauen, 16+2+0 richtig zu rechnen, das ist nämlich nicht 19. allerdings ist die mehrwertsteuer die "gerechteste" steuer. 30 prozent oder mehr wäre nicht schlecht, betrifft jeden gleich, lebensmittel sind eh ausgenommen mit geringerem steuersatz und viele (eigentlich alle bei ~50% mwst) anderen steuern könnte man abschaffen...

wer kein bock auf unterschicht hat soll auswandern, die meisten raffen es ja ehrlich gesagt nicht, dass man in der eu überall hin kann wo man will. für sein schicksal ist man selbst verantwortlich, und so übertrieben wie im vorherigen satz ist es auch nciht gemeint. ich will damit sagen, dass man fast nirgendwo soviel chancen hat wie hier. und selbst wenn man auf die fresse fällt und sich ins unermessliche verschuldet hat, wenn man es richtig einstellt kann man nach ein paar jahren wieder von vorne anfangen. und keiner muss sich hier sorgen machen, dass er kein trinkwasser bekommt - damit beschäftigt sich weit über 50% der weltbevölkerung tag täglich... ich finde deutschland gut, weil fast überall anders auf der welt gehts einem nicht so gut wie hier. und wenn wir schon nicht fußballweltmeister sind, dann wenigstens die im meckern. das können wir. alle.
und wer damit unzufrieden ist soll in die politik gehen und was ändern - schon auf kommunaler ebene lässt sich soviel bewerkstelligen wenn intelligente leute entscheidungen treffen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Unfassbar was man hier teilweise so liest. Bezeichnend für Personen, die die Deabtte einzig und allein aus den Medien kennen und noch nie selbst damit konfrontiert waren.

Die Leute nutzen Hilfsangebote aus? Es fehlt der Anreiz zu arbeiten? Da hat die Hirnwäsche der hohen Berliner Herren ja bestens funktioniert. Euch ist schon klar dass ALGII lediglich dass Existenzminimum sichert? Euch ist auch klar dass sich essenzielle überlebensnotwendige Dinge wie Strom, Wasser, Nahrung etc. extrem verteuert haben? Einem ALGII-Empfänger bringen günstige Flachbildfernseher und dergleichen gar nichts, da fallende Preise für derartiges bei der Teuerungsrate aber mitberücksichtig werden wird schnell klar, dass die finaziellen Belastungen für die "Unterschicht" ins. mit am Größten sind.

Mir ist klar dass es Leute gibt, die nur für unwesentlich mehr als den ALGII-Satz arbeiten gehen. Aber es kann doch niemand ernsthaft fordern deswegen eben diesen Satz zu senken, damit sich "Arbeit wieder lohnt". Es ist ne Schande dass Leute fürs nackte Überleben überhaupt schindern müssen.

Natürlich arrangieren sich die Menschen mit der Situation, es bleibt ihnen nix andres übrig, nach der 100sten Bewerbung bzw. den x-ten Gang zum Arbeitsamt resigniert man irgendwann.

Deswegen den Leuten aber Arbeitsunwillen vorzuwerfen finde ich ne Frecheit, die der Großteil würde liebend gern arbeiten, für eine angemessene Entlohnung, mit der sich die Lebenshaltungskosten vernünftig decken lassen.

Dabei rede ich nichtmal von solchem Luxus wie Kinobesuche oder gar Urlaub, man möchte doch aber zumindes nicht bei einem simplen Supermarktbesuch jeden Cent zweimal umdrehen müssen trotz Arbeit.

Das Ganze wird jedenfalls nicht mehr lange gut gehen, irgendwann läuft das Fass nicht nur über, es wird explodieren. Denn dieser sog. Unterschicht gehören ja heutzutage Menschen aller Bildungsgrade an, vom Ungelernten bis zum Akademiker ist alles vertreten. Wenn sich die grundlegende soziale Situaton in diesem Staat nicht bald verbessert wird das mit Sicherheit Konsequenzen haben, man kann ein Volk nicht ewig manipulieren und ruhig halten.
 
@keshkau:

Ich denke dieser Zustand den du beschreibst ist Resultat der Vergangenheit. Man mag über die aktuellen Hartz IV Bezüge streiten wie man will, unbestreitbar ist, dass vor Hartz IV die Bezüge von Arbeitslosen durchaus als "hoch" bezeichnet werden können. Diese gemütliche Hängematte hat, denk ich, damals viele Menschen dazu verleitet sich in ihr auszuruhen.

Heute ist, zweifelsohne, diese Hängematte nicht mehr so gemütlich. Nun sind die Menschen unzufrieden, denn Hartz IV sichert ihnen nicht mehr das gute Leben wie es das alte ALG noch tat. Doch "verdorben" (sorry n anderes Wort fällt mir gerade nicht ein) durch die Vergangenheit wissen heute viele Menschen nicht mehr wie der Weg raus aus der Arbeitslosigkeit beschritten werden kann. Und was die Eltern nicht wissen, können sie auch nicht an ihre Kinder weiter geben.

Sicher gibt es auch trotz Hartz IV noch einige die sich mit diesen Leistungen zufrieden geben, doch ich denke es sind deutlich weniger geworden.

Doch wir müssen auch weg von der Fixierung auf die Lohnarbeit. Diese sollte zwar oberstes Ziel sein, denn nur die produktive Arbeit sichert uns unseren Lebensstandart, doch es gibt auch viele andere Aufgaben innerhalb unserer Gesellschaft die erledigt werden müssen / erledigt werden können.

Hier müssen Anreize geschaffen werden und es muss zudem auch die Bereitschaft der Menschen steigen sich durch freiwillige Suche nach sinnvollen Betätigungsfeldern für die Gesellschaft zu engagieren.
 
Die Leute nutzen Hilfsangebote aus?
ich kann dir name, adresse und arbeitsplatz der personen nennen wenn ich nicht unter schweigepflicht stehen würde.

Wenn sich die grundlegende soziale Situaton in diesem Staat nicht bald verbessert wird das mit Sicherheit Konsequenzen haben, man kann ein Volk nicht ewig manipulieren und ruhig halten.

ja aber da kommste dann mit dem grundgesetz in konflikt - individuelle freiheit im sozialstaat - verpflichtungen,..... der "deutsche" mensch soll frei entscheiden können und eben nicht zu allem möglichen gezwungen werden. da die mitte zu finden ist praktisch unmöglich. und nen höheren sozialen standard wie wir kann man sich nicht leisten, unser sozialsystem ist auch nur auf pump (schulden) aufgebaut, was jetzt eben zum glück geändert wird.... ich sag ja: weltmeister im meckern. man sollte nicht blauäugig sein und das alles mit ner rosa brille sehen, hier ist nicht alles perfekt... aber es muss auch keine schwarze brille sein.

und grundlegende sachen wie "wer ist unterschicht" ? wer ist hilfebedürftig (wie is das im sgb definiert?) werden hier ja nicht mal definiert...
 
Ich denke ein Großteil der Langzeitarbeitslosen kann man eigentlich kaum noch als erwerbsfähig bezeichnen. Vll sollte man es bei diesen bei einfachen, gemeinützigen Arbeiten belassen und nochmal Toleranz der Arbeitnehmer walten lassen. In Zukunft sollte man es aber nach Möglichkeit vermeiden sich solche Leute ins Land zu holen oder hier geistig vegetieren zu lassen. Das lässt sich im zunehmendem Ausmaße sicher nicht mehr finanzieren.
 
Das Erschreckende ist aus meiner Sicht, dass es so viele Baustellen gleichzeitig gibt. Die unteren sozialen Schichten bringen z. B. die Mehrzahl aller minderjährigen Mütter hervor. Diese sind meist nicht verheiratet, stark von Armut betroffen und stehen häufiger vor schulischen Problemen als andere Mädchen (Quelle: www.teengregnancy.org). Damit ist das Elend oft schon vorprogrammiert. Die Verhältnisse, in welche diese Kinder hineingeboren werden, sind folglich selten rosig.

Die Schaffung von Betätigungsfeldern, die von Adam_Smith angesprochen wurde, ist sicher wichtig. Das hat auch die Filmautorin in dem oben genannten Interview betont:
"Nichts zu tun haben, sich überflüssig fühlen. Das ist mindestens genauso schlimm wie der Geldmangel."
Bei der Rheinbahn (Nahverkehrsbetrieb) in Düsseldorf sieht man neuerdings Leute mit Namensschildern, die von der Zukunftswerkstatt Düsseldorf kommen (www.zwd.de). Ich weiß nicht genau, was deren Job ist, aber sie helfen z. B. Müttern mit ihren Kinderwagen, sofern es sich nicht um Niedrigflurbusse oder -bahnen handelt. Das ist eine mögliche Form der Beschäftigung für den (Wieder-)Einsteig.

Ich bin fast schon der Überzeugung, dass manche Familien eine Art Coach benötigen. Es reicht nicht, alle paar Wochen einen Termin bei der Arbeitsagentur oder bei seinem Hartz-IV-Betreuer zu haben. Denn dort wird dann nur 30 Minuten lang geredet und wenn die Betroffenen das Büro verlassen, verfallen sie möglicherweise wieder in ihren alten Trott. – Natürlich kann man den Leuten schlecht vorschreiben, wie sie zu leben haben. Aber wenn es die Möglichkeit gäbe, eine derartige Hilfe nicht nur theoretisch-formal, sondern ganz konkret und vor allem unbürokratisch in Anspruch zu nehmen, würde das sicher helfen.

Ich will auch erklären, wie ich darauf komme: Eine Arbeitskollegin wohnt in einem Haus, in dem mehrere arbeitslose Mietparteien wohnen. Sie berichtet mir ab und zu von den Storys, die sich dort zutragen. Eine Sache ist mir dabei aufgefallen. Sie erzählte, dass gerade Langzeitarbeitslosen oft einen massiven Einbruch ihrer Alltags-Produktivität erleben. Für manche ist es bereits tagesfüllend, in ihrer Wohnung Staub zu saugen. Dabei sind das Aufgaben, die andere nach Feierabend, Einkauf und Kochen noch nebenbei erledigen. – Solche Zustände sind einerseits ein Indiz für eine allgemein gesunkene Arbeitsfähigkeit, andererseits dürfte darunter auch die Fähigkeit fallen, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Und das ist wiederum ein Punkt, der vielfach gefordert wird, bei dem es jedoch an konkreter Hilfestellung mangeln dürfte.

Denn es schließt sich ein weiterer Punkt an: Wenn man diese Menschen in andere Betätigungsfelder bringen möchte, um ihnen zunächst überhaupt etwas bieten zu können, dann sind auch dort gewisse Mindestanforderungen zu erfüllen, speziell dann, wenn man sie auf andere Menschen loslassen will. Das stelle ich mir bei manchen Leute aus der "Unterschicht" im Moment tatsächlich etwas schwierig vor. Und daran sollte man arbeiten. - Man wird nicht jeden Säufer von der Flasche wegbringen und auch viele andere Missstände nicht vollständig beseitigen können. Aber wenn wir nicht einmal mehr den Ansporn entwickeln, etwas zu tun, dann gute Nacht.

Es ist ne Schande dass Leute fürs nackte Überleben überhaupt schindern müssen.

Danke Black Lion! Genau das meinte ich oben. Am besten legen sich 82 Mio. Menschen in Deutschland auf die faule Haut und rufen nach dem Staat. Denn dafür ist der Staat ja da.
 
Zuletzt bearbeitet:
Adam_Smith schrieb:
Hier müssen Anreize geschaffen werden und es muss zudem auch die Bereitschaft der Menschen steigen sich durch freiwillige Suche nach sinnvollen Betätigungsfeldern für die Gesellschaft zu engagieren.

Ich verstehe das nicht: warum willst du bei Arbeiten, die nach deiner Aussage wichtig sind, Fachkräfte durch "freiwillige" Laien ersetzen? Kinderbetreuung z.b. ist keinesfalls eine solche Aufgabe. Überhaupt ist es doch eine äußerst merkwürdige Ideologie, einerseits die ach so hohen ALG Bezüge zu kritisieren und das keiner Perspektiven sieht oder nutzt, dann aber Arbeiten gegen einen feuchten Händedruck zu propagieren. Wovon sollen die dann leben? Das kann ja jeder in seiner Freizeit gestalten wie er will, ehrenamtliche Tätigkeiten gibt es wie Sand am Meer. Aber es ist kein Ersatz für eine Erwerbstätigkeit.

Die "Fixierung auf Lohnarbeit" ist leider überlebensnotwendig, wenn Bezüge gestrichen und Kinder irgendwie zur Schule geschickt werden müssen, was ja angeblich gar nicht so viel kostet, obwohl sämtliche Forschungsergebnisse in letzter Zeit aber genau das Gegenteil aussagen. Bildung kann sich eben nicht jeder leisten. Und die Schere geht bisher sogar noch weiter auseinander. Wie sind ein Bildungsland, was mit die größten Hürden eines Industrielandes besitzt, was den Zugang zu höherer Bildung betrifft.

Ich begreife nicht, warum du hier erstens das Gegenteil propagierst und dann noch Arbeiten ohne Lohn als Alternative betrachtest. Das ist kein Ausweg aus der Unterschicht, das ist der Weg tiefer hinein. Denn so wie in der Kinderbetreuung werden immer mehr Jobs zu freiwilligen Leistungen umdeklariert, weil man die sich "nicht mehr leisten kann". Sie Vertretungslehrer in Hessen z.B., siehe Hilfspolizisten in Hessen z.B.
_____

Uns sonst: Noch nie war die Angst vor dem sozialen Abstieg so groß im Nachkriegs-Deutschland. Klar alles faule Säcke die ALG und HartzIV-Empfänger, die wollen Haus, Ersparnisse und Lebensinhalte verlieren. Und sich ständig kontrollieren lassen, ob sie nicht noch etwas zum verscherbeln in der Wohnung haben, was sie nicht dringend brauchen. Oder sich zu ihren Partnerschaften ausfragen lassen. Oder ihre Bankdaten abfragen lassen, weil sie potentiell immer verdächtig sind. Diese ganze Misstrauensmaschinierie wird absolut freudig erwartet, weil die Sozialhilfe so absolut üppig ist.

Wenn Arbeit aus Sicht der Politik nicht mehr wert sein darf, als das absolute Existenzminimum, was man dann auch noch aufstocken muss, damit trotz Vollzeitjob noch eine Unterkunft zu bezahlen oder gar eine Familie zu versorgen ist, dann muss man sich im übrigen nicht wundern. Mindestlöhne sind aber natürlich absolut Tabu. Lieber baut man einen Verwaltungsapparat auf, der alles und jeden Empfänger kontrolliert und dabei Millionen kostet, statt dass man den Leuten auch einen Anreiz gibt, der nicht als Zwang erscheint.
 
Zuletzt bearbeitet:
@keshkau:

Deine Wortwahl (Produktivität, ...) macht dich aber verdammt angreifbar für jeden Marxisten :lol:

Aber ich kann dir nur zustimmen. Ich habe mit Vereinkammeraden schon vielfach über das Problem welches du in deinem letzten Absatz anführst diskutiert. Wir haben Momentan wirklich probleme unseren Aufgaben gerecht zu werden. Jeder bei uns im Verein ist Berufstätig, doch auch das Studenaufkommen für das ehrenamtliche Engagement ist imens!
Jetzt könnte man meinen, dass es gut wäre einen 1€ Jobber zu engagieren oder verstärkt nach Mitgliedern auch im Bereich der "Unterschicht" (man klingt das blöd) zu suchen. Doch die Erfahrungen die wir damit gemacht haben sind durchweg schlecht. Einen 1€ Jobber hatten wir bereits. Der hatte schlichtweg keinen Bock auf die Aufgaben.
Das führte dann dazu, dass er keine Entlastung für uns war, da wir ihn nicht dort einsetzten konnten wo die meiste Arbeit entsteht. Ein unmotivierter, zeitweise Betrunkener ist schlichtweg nicht geeignet um im Freibad für die Sicherheit der Badegäste zu sorgen. Diese Person hätte wohl gekonnt, wenn sie nur gewollt hätte.

Auf der anderen Seite gab es ein Vereinsmitglied, welches Arbeitslos war aber dennoch richtig motiviert. Leider war diese Person kein Stück stressresistent und nicht in der Lage selbstständig darart verantwortungsvolle Aufgaben zu übernehmen. Hier war es also genau anders herum und das tat mit dann in dem Fall wirklich leid!

Was ich damit sagen will:

Leider ist es teilweise wohl unmöglich noch etwas zum positiven zu bewegen :(

Gerade bei der erst gennanten Person hat jegliche Bemühung einfach nicht gefruchtet. Die Anerkennung war anfangs groß, denn jedem von uns war bewusst, dass die Bezahlung für den 1€ Job mieserabel ist. Es wurde diesem Menschen auch eine Perspektive aufgezeigt um wenigstens diesem Gefühl des "nicht gebraucht werdens" entrinnen zu können. Ja man hat sich ja sogar bemüht für finanzielle Entlastung zu sorgen (für Verpflegung während der "Arbeit" hat natürlich der Verein gesorgt).

Bei der zweiten Person war es anders. Da der Wille vorhanden war und noch immer ist, wäre es durchaus möglich hier noch etwas zum Guten zu bewegen. Leider war es uns als Verein nicht möglich die Perspektive aufzuzeigen. Doch wir sind nur ein Verein von vielen in Deutschland. Und auch die Politik könnte hier mehr Perspektiven schaffen für eben diese Menschen. Das Projekt "Zukunftswerkstatt Düsseldorf" ist hier ein wirklich lobenswerter Weg um auch für bildungsferne Menschen Perspektiven aufzuzeigen.

Und die Mutter mit ihrem Kinderwagen ist sicher für jede Hilfe dankbar und sicher gibt es auch viele die dann freiwillig mal den ein oder anderen Euro spenden.

/edit:

@HappyMutant:

Du hast mich falsch verstanden. Ich spreche nicht davon Erwerbsarbeit durch freiwillige Arbeit zu ersetzen. Es gibt nun mal nicht genug kostenlose Angebote für Kinder in Deutschland. Trotzdem gibt es genug Menschen die kostenlose / günstige Angebote in diesem Bereich benötigen. Wobei im Bereich der Kindererziehung nicht einmal das kostenlos im Vordergrund steht. Gibt genug Beispiele wo Frührentner/innen sich ein paar Euro dazu verdienen indem sie Kinder betreuen.
Ein weiteres Beispiel für freiwillige Betätigungen führte keshkau ja an.

Überhaupt ist es doch eine äußerst merkwürdige Ideologie, einerseits die ach so hohen ALG Bezüge zu kritisieren und das keiner Perspektiven sieht oder nutzt, dann aber Arbeiten gegen einen feuchten Händedruck zu propagieren.

Willst du mich falsch verstehen? Ich habe an mehreren Stellen gesagt, dass nicht genügend Perspektiven geboten werden. Wie oben beschrieben gibt es eben beide Fälle! Ferner habe ich mit keinem Wort die höhe des ALG II kritisiert!
Ferner sagte ich auch niergens, dass man sich für einen feuchten Händedruck engagieren sollte. Jeder der Hartz IV bekommt, bekommt Geld von der Gesellschaft! Darunter sind immer mehr Menschen die niemals selbst in die Sozialkassen einbezahlt haben. Wenn diese Menschen sich freiwillig für die Gesellschaft engagieren, dann tuen sie das nicht für einen feuchten Händedruck.
Ferner spricht IMO nichts dagegen die Bezüge zu erhöhen wenn sich zeigt, dass die Menschen welche die staatlichen Leistungen beziehen bereit sind sich für die Gesellschaft zu engagieren.

Und doch, jeder kann sich erst einmal die Bildung leisten, wenn er denn will. Erst ab der Hochschule fängt es an kritisch zu werden.
Ich habe niemals bestritten, dass der Weg für ärmere Menschen schwerer ist. Gangbar ist er dennoch fast immer.
Doch ich gebe offen zu, was ich auch niemals anders behauptet habe, dass auch hier mehr Perspektiven aufgezeigt werden müssen.

Das ist kein Ausweg aus der Unterschicht, das ist der Weg tiefer hinein.

Hier zeigt mir meine Erfahrung etwas ganz anderes!

Ich habe niemals behauptet, dass die neudefinition des Arbeitsbegriffes ein Schritt ist der sich "mal eben so" vollziehen lässt. Alles was ich tat ist aufzuzeigen, dass man sich nicht auf den Begriff der Lohnarbeit fixieren sollte. Es soll eben nicht nur die Leistung gesellschaftlich anerkannt und beachtet werden die produktiv ist. Beispiele wie das von keshkau genannte (Zukunftswerkstatt Düsseldorf) erfahren in unserer Gesellschaft viel zu wenig Beachtung. Menschen die sich hier engagieren werden viel zu wenig gewürdigt.
Würde dieses Engagement entsprechend gewürdigt werden böten sich für die Menschen die sich hier engagieren auch vollkommen andere Möglichkeiten wieder in den "ersten Arbeitsmarkt" vorzustoßen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Deine Erfahrung hast du gerade geschildert und du hast gesehen, dass für einen Hungerlohn niemand ohne Bezug zu deiner Sache die Arbeit erledigt. Die Erwartung, dass jemand etwas mit freudiger Erregung tut, was dir am Herzen liegt hat nicht funktioniert. Und scheinbar ist der Job wofür ihr einen 1€ pro Stunde gebt, so stressig das ihn nicht jeder machen kann. Aber dann erwartet man, dass dies mit Kusshand genommen wird. Das ist naiv. Auch du würdest keine Arbeit erledigen, die nicht oder kaum bezahlt wird, mit der du dich nicht identifizierst, die dir aber aufgezwungen wird.

So und wenn man für die Arbeit die jemand leistet nicht HartzIV geben würde, sondern einen entsprechenden fairen Lohn? Das wäre eine Aufwertung. Nein, stattdessen heißt es: Du kriegst vom Staat Geld, als mach jetzt diese Arbeiten "freiwillig". Genau mit deiner Methodik wertest du Arbeit ab, weil man nicht Arbeit bezahlt, sondern trotz der geleisteten Arbeit nur aus Mitleid noch etwas Geld bekommt. Das Gefühl auf staatliche Alimente angewiesen zu sein wirst du nicht damit los, dass du sogenannte freiwillige Arbeiten ausführen lässt, weil er dem Steuerzahler eh auf der Tasche liegt.

In deinem Modell ist die Abwertung aus meiner Sicht schon inbegriffen. Gut, das siehst du nicht so, deswegen glaubst du daran, dass es funktioniert. Damit es funktioniert sollen die Menschen die das Geld haben, aber keine Zeit, Arbeiten anerkennen, die sie nicht wirklich bezahlen, von denen sie aber profitieren. Und die die nicht bezahlt werden, sollen glücklich sein, überhaupt jemandem dienen zu dürfen. Kann man nur hoffen, dass erstere nie zu letzteren werden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Unser Sozialsystem hat funktioniert bis die Politiker anfingen die Gelder (zB Rentenkasse etc.) zum stopfen anderer Finanzlöcher zunehmen, jedem dahergelaufenen die Grenzen zu öffnen und den Arsch zu zuckern ... Millionenkredite andere länder großzugügig zu erlassen
(ehemal UDSSR) besonders komisch denen hat man Millionenkredite einfach erlassen und in ner ehemaligen Volksrepublik gabs aufeinmal verdammt viel Millionäre ... es ist ne Schande das es dir als Ausländer in Deutschland besser geht als als arbeitsloser Deutscher ... unsere Geschichte hin oder her ... das ist Schnee von gestern ... als Industrienation sollte man helfen wenn man kann, aber erst sollten die eigenen Bürger kommen, wenn da alles stimmt dann kann man anfangen zu helfen ...Fachkräftemangel lachhaft der ist doch hausgemacht und würden die mal fähige Leute einstellen da gibt es auch genug, nur haben nicht alle die erforderlichen Zertifikate und bekommen deshalb doch gar keine Chance auch wenns um längen besser wären als mancher Studierte.

wie mans richtig macht braucht man nur in die Skandinavischen Länder schauen.
 
HappyMutant schrieb:
Deine Erfahrung hast du gerade geschildert und du hast gesehen, dass für einen Hungerlohn niemand ohne Bezug zu deiner Sache die Arbeit erledigt. Die Erwartung, dass jemand etwas mit freudiger Erregung tut, was dir am Herzen liegt hat nicht funktioniert.

Danke für diesen Einwurf. Du belegst, was ich sagte. Das falsche Verständnis vom Engagment für die Gesellschaft. Du siehst dies wieder als Lohnarbeit. Du forderst, dass der Lohn die nötigen Anreize schafft um Menschen zu motivieren sich gesellschaftlich zu engagieren. Und genau hier krankt es!

Und scheinbar ist der Job wofür ihr einen 1€ pro Stunde gebt, so stressig das ihn nicht jeder machen kann. Aber dann erwartet man, dass dies mit Kusshand genommen wird. Das ist naiv. Auch du würdest keine Arbeit erledigen, die nicht bezahlt oder kaum wird, mit der du dich nicht identifizierst, die dir aber aufgezwungen wird.

Mach dich nicht so an dem Euro fest ... bei uns gab es 3 davon, sowie Busticket und oben genannte Verpflegung. Aber das nur am Rande. Die Person die nicht stressresistent war hatte leider wirkliche psychische Probleme, es ist nicht so, dass man besonders stressresistent für diese Tätigkeit sein muss.

Aufgezwungen, dass ist so eine Sache ...
Ist es nicht so, dass die Natur selbst uns zwingt aktiv zu werden?
Die Organisation der einzelnen Individuen in einer Gesellschaft entbindet uns ja nicht automatisch von diesem Zwang. Ich für meinen Teil hab mich damit abgefunden. Und ich für meinen Teil würde auch einer ungeliebten Tätigkeit nachgehen so lange ich erkenne dass ich der Gesellschaft dadurch etwas für die von ihr erhaltenen Leistungen zurück geben kann.

Denkst du etwa, dass es mir jedes mal Spaß macht wenn ich mir wieder ein Wochenende um die Ohren schlagen muss weil unser Verein eine so dünne Personaldecke hat?

So und wenn man für die Arbeit die jemand leistet nicht HartzIV geben würde, sondern einen entsprechenden fairen Lohn? Das wäre eine Aufwertung.

Es ist leider so, dass man nicht jede Arbeit mit einem hohen Lohn vergüten kann. Gerade im sozialen und gesellschaftlichen Bereich sind die finanziellen Spielräume leider extrem gering. Alles was dazu führen diese Spielräume zu erweitern würde sich direkt in unserem Portemonai niederschlagen. Dies führt zu höheren Lohnnebenkosten, weniger Jobs, weniger Konsum, weniger Nachfrage, ...

Wenn bei unserem Freibad niemand auf ehrenamtlicher Basis für Sicherheit sorgen würde, dann gäbe es dort keine Aufsicht (da kostenlos für alle)... Ist das die bessere Alternative?

HappyMutant schrieb:
In deinem Modell ist die Abwertung aus meiner Sicht schon inbegriffen. Gut, das siehst du nicht so, deswegen glaubst du daran, das es funktioniert. Damit es funktioniert sollen die Menschen die das Geld geben, beseelt von einem Anflug von Sozialismus, Arbeiten anerkennen, die nicht bezahlt werden.

Und jetzt lass dir von jemandem, der sich seid Jahren ehrenamtlich engagiert sagen, dass genau dies doch oft sehr gut funktioniert! Was meinst du wie viele Eltern mir schon ein Eis ausgegeben haben weil ich die Schnittwunden ihrer Kinder versorgt habe?
Was meinst du wie oft es von Rentnern (gerade die sind da ganz groß drin) einen Euro in die Hand gibt weil man ihnen hilft.

Würde man hier forciert angreifen und anfangen die Gesellschaft aktiv zu gestalten so würde die Zahl derer die derartiges Engagement zu schätzen und zu belohnen wissen auch deutlich steigen. Davon bin ich fest überzeugt!

Es ist so einfach:

Wir ziehen als Gesellschaft alle an einem Strang.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben