flappes schrieb:
In einem Rechtsstaat gibt es Mittel dagegen vorzugehen, Anzeige, Ermittlung, richterliche Beschlüsse.
Grundsätzlich sehe ich das auch so und z.B. beim Thema Kinderpornografie halte ich das Löschen an der Quelle immer noch für den wesentlich besseren und fast immer gangbaren Weg, denn da sind die Gesetze praktisch überall in der Welt gleich/ähnlich. Es sollte also mit etwas internationaler Kooperation kein Problem sein, die Inhalte an der Quelle zu löschen statt nur zu sperren, und vor allem die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen.
Was Dinge wie Volksverhetzung angeht, sieht es allerdings anders aus. Was bei uns in Deutschland verboten ist (z.B. Nazi-Propaganda, Holocaust-Leugnung usw.), kann in anderen Ländern völlig legal sein und umgekehrt.
Wenn man solche, hierzulande illegalen Inhalte also im Internet bekämpfen will, muss man irgendwo anders, z.B. beim Plattformbetreiber eingreifen.
flappes schrieb:
Sperrungen sind sinnlos, die Meinungen dieser Menschen sind ja nicht damit geändert.
Was den Sinn/Nutzer solcher Sperren angeht, hat sich meine Einstellung in den letzten Jahren etwas geändert.
Du hast Recht, dass man durch Sperren von Inhalten die Meinung der Leute, die diese verbreiten, nicht ändert, aber möglicherweise doch bei einigen derjenigen, an die sich diese Inhalte richten, und die sie dann vielleicht nicht mehr erreichen.
Ich bin zunehmend erschüttert und erschreckt, wenn ich mir ansehe, wie effektiv das systematische Streuen von Hetze, Verschwörungstheorien, Lügen und Verleumdungen eine große Menge Menschen manipuliert und radikalisiert hat.
Es gab schon immer einzelne Verschwörugnsspinner oder bösartige Aufhetzer, aber noch nie konnten die sich derartig vernetzen, organisieren und gezielt hunderte Millionen Menschen erreichen und manipulieren, wie heute. Das ist eine Schattenseite der digitalen Vernetzung der Welt.
Das Problem ist ansonsten nicht neu.
Ich habe vor Jahren ein altes Buch gelesen, darüber wie bestimmte politische Zeitschriften und Magazine Großbritannien ca. 1800 bis 1900 von einer Panik/Massenhysterie in die nächste gestürzt haben. Mal hatten die Briten Angst, dass die französische Armee eine plötzliche Invasion starten könnte (z.B. per heimlichen Tunnel unter dem Kanal), mal dass tausende deutsche Zeppeline die Luftherrschaft über England erobern und den Schutz durch die Royal Navy einfach umgehen könnten usw. Plötzlich gab es massenhaft Meldungen vermeindlicher Zeppelinsichtungen aus dem ganzen Land.
Die schlimmsten Befürchtungen des Autors bewahrheiteten sich einige Jahre später, als solche Hysterien (Dreadnought-Panik usw.) zum Ausbruch des 1. Weltkriegs beigetragen haben.
Aber wie gesagt, durch das Internet hat das Problem der Hetze und Panikmache ganz neue Dimensionen bekommen. Man braucht keine eigenen Zeitschriften mehr. Jeder Privatmenschen kann potentiell die ganze Welt erreichen.
Ich bin auch nicht überzeugt, dass staatliche Zensur das einzigen oder beste Mittel dagegen ist, aber irgendwas muss man tun.
Die Aufhetzer einfach gewähren zu lassen, auf die Vernunft der Menschen zu hoffen oder Irregeführte durch Aufklärung wieder auf den Boden der Realität zurückzuholen... diese Hoffnungen sind mir in den letzten Jahren immer mehr abhanden gekommen.
Wer einmal auf einem solchen Irrweg ist, ist fast unmöglich zu retten, solange er immer weiter mit dem Mist gefüttert wird.
"Deplatforming" scheint hingegen zumindest teil-/zeitweise zu funktionieren. Dadurch haben die Aufhetzer größere Schwierigkeiten, mit ihren Botschaften breite Massen zu erreichen. Es ist ein ständiges Wettrennen, aber wenn man es nicht versucht, hat man schon verloren.